Dylan und die Old Time Connection

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So geht die Dylanologie: Von einem Albumtitel kommt man auf zig Querverweise und dann wieder zu Dylan zurück: Dylan, Cox, Darby & Tarlton.

Ich kann mich nur wiederholen. Die Aussicht auf das neue Album elektrisiert mich und es gibt bereits jetzt so unheimlich viel zu forschen, zu deuten, zu denken und vor allem Querverweise zu finden, dass es eine wahre Freude ist. Und es lässt sich einiges finden und unter dylanologischen Gesichtspunkten gibt es da immer wieder schöne Entdeckungen.

Dixie Songbird
Zum Beispiel diese hier. Kommen wir nochmals auf den Albumtitel „Rough And Rowdy Ways“ zurück. Der fußt ja bekanntermaßen auf dem Jimmie Rodgers-Song „My Rough And Rowdy Ways“ von 1929. Als ich dann auf expectingrain.com eine Version des Songs von Doc Watson fand, machte ich mich auf die Suche nach weiteren Interpreten des Songs. Neben späteren Countrymusikern, die sich auf Jimmie Rodgers beriefen wie Lefty Frizzell oder Merle Haggard, fiel mir ein Zeitgenosse von Rodgers auf: Bill Cox. Und da fiel mir wieder ein, den kannte ich von meinen „Musik & Politik“-Seminaren. Dieser Bill Cox, der „Dixie Songbird“, hatte zusammen mit seinem Partner Cliff Hobbs 1936 eine wunderbare Old Time Hymne auf die Wiederwahl von Franklin D. Roosevelt gesungen: „Franklin Roosevelt’s Back Again“. Er war so etwas wie ein musikalischer Botschafter des New Deal und schrieb u.a. zwei weitere Topical-Songs dazu: „The Democratic Donkey {Is In His Stall Again}“ und den „NRA-Blues“. Die „National Recovery Administration“ war eine Roosevelt geschaffene Wirtschaftsbehörde.

Ich beschäftigte mich also nochmal ausgiebig mit Bill Cox und stellte fest, dass er tatsächlich am Anfang seiner Plattenkarriere Jimmie Rodgers-Songs coverte. Seine Version von „My Rough And Rowdy Ways“ hat sogar einer CD-Sammlung von obskuren alten Country-Songs und einer weiteren Bill Cox-Kompilation als Titel gedient. Und es gibt einen Dylan-Link. In der Folge 10 in der 3. Staffel seiner „Theme Time Radio Hour“ – Titel „Famous People“ spielte Dylan den Bill Cox-Song „Fate of Will Rogers & Wiley Post“, der vom tödlichen Flugzeugabsturz des Schauspielers Will Rogers und dem Flugpionier Wiley Post handelt. Von Rogers „lieh“ sich sich übrigen Roy Rogers, der „Singing Cowboy“ seinen Künstlernamen.

Mexican Rag

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Und dann ging von Jimmie Rodgers und Bill Cox über Bücher und Kompilationen, in denen sie zusammen Erwähnung finden, ein „Link“ ab zu „Darby & Tarlton“ einem seinerzeit berühmten und vor allem stilbildenden Old Time Duo – sicher war ihr Einfluss ein Grund, warum sich Bill Cox mit Cliff Hobbs 1936 zusammentat. Und dann fand ich den „Link“ von „Darby & Tarlton“ zu Dylan. Dessen „Nashville Skyline Rag“ von 1969 lehnt sich an Darby & Tarltons „Mexican Rag“ von 1928 an. Und noch mehr: In seinen Chronicles erzählt Dylan über seine Zeit in Dinkytown, als er an der University of Minneapolis eingeschrieben war: „Ich habe jedoch Tom Darby und Jimmy Tarlton im Haus eines Vaters vor irgendwem gehört, der eine alte Platte von ihnen besessen hatte. Ich dachte immer, dass „A-wop-bop-a-loo-lop a-lop-bam-boo“ alles gesagt hatte, bis ich hörte, wie Darby und Tarlton „Way Down in Florida on a Hog“ machten. Auch Darby und Tarlton waren nicht von dieser Welt.“ Der gerade verstorbene Little Richard hatte Dylan in seiner Jugend zum Rock’n’Roll gebracht, später entdeckte er den Rock’n’Roll in der Old Time Musik.

Love And Theft
Unglaublich wie tief das Wissen Bob Dylans um die amerikanische Populärmusik in all seinen Verästelungen ist. Seit über 60 Jahren befasst er sich mit ihr. Da ist es kein Wunder, wenn man nun herausbekommt, dass Dylan bei „False Prophet“ von Billy „The Kid“ Emersons Song “If Lovin‘ Is Believing“ von 1954 sich die Melodie geborgt hat. Der Mann ist immer quecksilbrig, weiß wie in der Musik Dinge verbunden sind und wo man etwas finden kann. Und immer wieder „Love And Theft“ – Liebe aus Diebstahl.

Und deshalb sollte man sich nicht wundern, was da noch alles in den nächsten Wochen rund um Wurzeln, Bezüge und Quellen der Songs des neuen Dylan-Songs zu entdecken ist. Festwochen für Dylanologen!