Dylan im Studio, im Interview und in Geschichten

Drei neue Bücher spüren dem Phänomen Bob Dylan auf ganz unterschiedliche Weise nach

Bob Dylan wird 80 Jahre alt und natürlich erscheinen zum Geburtstag des Meisters wieder eine ganze Reihe von Büchern. Auch vom Autor dieses Blogs. Ich möchte hier einmal drei Bücher herausheben, weil sie – jedes auf seine Weise – sich ganz unterschiedlich mit Dylan beschäftigen.

„May Your Song Always Be Song“. Bob Dylans große Studioalben.
Bob Dylan ist ein recording artist. Er hat durch seinen Alben mit dazu beigetragen, dass Longplayer gegenüber der Single an Wichtigkeit zunahmen, weil er sie auch programmatisch-künstlerischer Ausdruck seines Wirken waren. „The Freewheelin‘ Bob Dylan“ war die Geburt eines der größten Songwriters unserer Zeit, „Bringing It All Back Home“ bedeutete „zurück zum Rock’n’Roll. Und „Blonde On Blonde“ war das erste Doppelalbum der Rockgeschichte, weil Dylans surreale, lange Text-Traumtänzereien Mitte der 1960er Jahre den Rahmen eines normalen Albums sprengten.

Copyright: Verlag LiteraturWissenschaft.de

In 10 Essays nehmen sich im vorliegenden Buch kluge Menschen aus der Wissenschaft die wichtigsten Alben Dylans vor. Dies tun sie – und das ist das schöne – keineswegs nur  akademisch-streng, sondern voller Respekt und Sympathie für den Forschungsgegenstand. Mal überwiegt das analytisch-theoretische, mal das autobiographische – was immer da ist, ist die Freude am Thema. So beispielsweise wenn Literaturwissenschaftler Stefan Höppner so anschaulich von den Basement Tapes erzählt, dass man sich schon selber mitten unter Dylan und The Band im Keller wähnt. Der Soziologe, Dozent und Musikjournalist Walter Sehrer entpuppt sich mit seinem Stück „Desire“ als Geistesverwandter des hier tätigen Chronisten. Auch ihn nahm Bob Dylan mit “ Desire“ ein und schreibt packend darüber, warum es eines der energetischsten Alben in Dylans langer Karriere ist.

Der Aufsatzband ist also allemal lesenswert und endet mit einem Beitrag des vielleicht wichtigsten deutschen Dylan-Deuters, Heinrich Detering. Mit sprachlicher Eleganz und Kurzweil sowie inhaltlicher Überzeugungskraft erzählt er von „Tempest“ als einer Sammlung von Songs über das zerrissene, ruinöse, gewalttätige Amerika. Wie uns Detering hier aufzeigt, wie sehr Dylan im Grunde Klagelieder über sein Land singt, indem er sich in seiner Lyrik der unterschiedlichsten Quellen bedient, ist atemberaubend.

Und auch wer nochmal so viele schlaue Bücher über Dylans Songs gelesen hat, die wird in diesem feinen Band immer noch neue Denkanstöße finden. (Verlag LiteraturWissenschaft.de, Marburg, 160 Seiten, 16 Euro)

Copyright: Kampa-Verlag

Ich bin immer nur ich selbst, wer immer das ist. Gespräche aus sechzig Jahren. Herausgegeben von Heinrich Detering.
Heinrich Detering ist auch das Bindeglied zum zweiten Buch, das ich hier vorstellen will. Denn er ist der Herausgeber einer Sammlung von 12 Interviews von Dylans Anfängen bis zu seinem letzten Album im vergangenen Jahr. 11 reale und ein fiktives in dramatischer Form. In seinem klugen und kenntnisreichen Vorwort liefert er die Klammer all dieser Frage-Antwort-Spiele. Es ist die Kunst der Performance. Dort wo sonst die meisten Künstler versuchen in freundlicher Verbindlichkeit oder in lässiger Routine sich dieser obligatorische Notwendigkeit zu entledigen, da nutzt Dylan – ganz performativer Künstler – oftmals die Gelegenheit zu spielen. Mal etwas fürs Publikum vorzuspielen, mal mit dem Fragesteller zu spielen, mal ganz spielerisch an den Fragen vorbei zu antworten. Dylans Scharmützel mit der Presse sind legendär, man denke an all die dokumentierten Kämpfe in „Don’t Look Back“. Doch über die Jahrzehnte ist der Streithahn der Mittsechziger zur coolen Spottdrossel mit Rabenstimme geworden und die Fallen  oder Sackgassen in der er seine Interviewer laufen lässt eine ganz feine Kunst. Manchmal flunkert er nur ein bisschen und manchmal trägt er ganz schön dick auf.

Aber neben all diesen Spielereien sind Interview mit Dylan mittlerweile auch einfach informativ. Wenn er sie zu Unterrichtsstunden über amerikanische Musikgeschichte umwandelt, lässt er uns an seinem Wissensschatz teilhaben.

Doch ob Versteckspiel oder Unterrichtsstunde – spannend sind diese Interviews allemal und Heinrich Detering hat sie klug ausgewählt, so dass sie quasi jede Schaffensperiode abdecken. Eine der interessantesten Buchveröffentlichungen zu Dylans Geburtstag.
(Kampa-Verlag, Zürich, 352 Seiten, 24 Euro)

Maik Brüggmeyer, Look Out Kid. Bob Dylans Lieder, unsere Geschichten

Der Rolling Stone-Autor Maik Brüggemeyer hat wieder einen anderen Ansatz gewählt. Er lässt renommierte Musiker und Autoren Texte über Bob Dylan beisteuern. Da erzählt dann Frank Goosen über einen langhaarigen Studenten im Bochum der 1970er Jahre, der Bob Dylan hörte oder Benedict Wells, der er erst schildert, was ihn an Dylan gepackt hat, um dann zu schreiben, dass es richtig dylanesk wäre, nicht über ihn zu schreiben. Oder Christiane Rösinger, die den Song „Don’t Think Twice“ erklärt oder Judith Holofernes, die „I Want You“ übersetzt hat. Die Unterschiedlichkeit der Autoren und die Unterschiedlichkeit ihrer Beiträge hinsichtlich Form und Inhalt machen das Buch zu einer höchst spannenden Lektüre, die weitaus anspruchsvoller ist, als das ewige „Dylan und ich“, das zu runden Geburtstagen immer Hochkonjunktur hat.
(Ullstein-Verlag, Berlin, 272 Seiten, 18 Euro)