Eine Reise zu Bob Dylan und Amerika


Auf den Spuren von Dylan und Guthrie in New York, Tulsa und Woodstock/ Einwanderungsgeschichte und afroamerikanische Perspektive

2024 auf den Spuren Bob Dylans in Amerika: Thomas Waldherr im Juni am Rande der Dylan-Konzerte in Donostia, Foto: Cowboy Band Blog

Fast alles ist schon organisiert. Dem ersten USA-Trip nach 2019 steht nichts mehr im Wege. Von Anfang bis Mitte April kommenden Jahres werden wir in den Staaten auf den Spuren von Bob Dylan und Woody Guthrie, der afroamerikanischen Community und der Einwanderungsgeschichte wandeln.

Erste Station: New York City, N.Y

Wir waren fast 15 Jahre nicht mehr in New York zugunsten ausgedehnter Reisen durch die Südstaaten. Haben New Orleans gesehen, waren mehrmals in Memphis und Nashville, haben die Wurzeln von Folk, Blues, Country und Jazz besucht und waren gleichzeitig auch an Schauplätzen der Geschichte von Sklaverei und Rassismus. Diese Widersprüche haben die Südstaaten für uns so interessant gemacht. Diesmal wollen wir aber – auch angesichts der politischen Lage in den USA vor den Präsidentschaftswahlen 2024 – ganz konsequent auf den Spuren des progressiven Amerikas wandeln.

Greenwich Village

Im Greenwich Village werden wir Orte der linken Boheme- und Folkszene aufsuchen. Nächtigen im Washington Square Hotel, wo schon Bobby und Joanie im Zimmer 305 gewohnt haben. Das frühere Almanac House steht ebenso auf dem Plan wie verschiedene Stätten an denen Dylan, Guthrie und Seeger gewohnt haben. Aber auch Lokale wie die legendäre White Horse Tavern  – hier trank sich der Legende nach Dylan Thomas zu Tode – oder die fast ebenso legendäre Minetta Tavern  – die war öfters schon Kulisse für Mafiafilme wie „Micky Blue Eyes“ mit Hugh Grant – sind wichtige Stationen. Und natürlich die Musik-Clubs wie „The Bitter End“.

Harlem

Wie werden auch erstmals Harlem in Augenschein nehmen. Das afroamerikanische kulturelle Zentrum New Yorks. Angefangen hat das mit der durch die „Great Migration“ ausgelösten „Harlem Renaissance“, die etwa von 1920 bis 1930 andauerte. Für sie stehen Schriftsteller wie W.E.B. du Bois, Langston Hughes und Countee Cullen, visuelle Künstler wie Aaron Douglas und Palmer Hayden und natürlich Musiker und Entertainer wie Louis Armstrong, Josephine Baker, Duke Ellington und Cab Calloway. Dann fortgesetzt mit der Öffnung des Apollo Theatre für afroamerikanische Künstler und ihr Publikum. Der Theaterproduzent Sidney S. Cohen hatte das Apollo 1934 für das afroamerikanische Publikum geöffnet. Das Apollo wurde über die Jahrzehnte zum bekanntesten Aufführungsorte fast ausschließlich schwarzer Musik wie Jazz, Blues, Soul, Pop und Hip-Hop in den USA. Heute ist es leider nur noch ein museales Relikt für Führungen, es werden hauptsächlich Talent-Wettbewerbe veranstaltet. Große Konzerte stehen nicht mehr auf dem Plan. Die große Geschichte des US-Jazz bildet das ebenfalls in Harlem gelegene „National Jazz Museum“ ab. Im Bau befindet sich derzeit das in der Bronx gelegene „Universal Hip Hop Museum“ das u.a. von Kurtis Blow initiiert wurde. Es soll 2024 öffnen, ob wir es schon besuchen können, scheint weniger wahrscheinlich.

Ellis Island

Die Insel war lange Zeit Sitz der Einreisebehörde für den Staat und die Stadt New York und über 30 Jahre die zentrale Sammelstelle für Immigranten in die USA. Zwischen 1892 und 1954 durchliefen etwa 12 Millionen Einwanderer die Insel. Hier entschieden sich Schicksale. Hier wurden Träume begraben und Leben neu erfunden.  Bei alldem war Ellis Island alles andere als eine Servicebehörde. Der Prüfungsprozess ob jemand in den USA aufgenommen wurde, war streng und konnte einige Tage dauern. Teilweise wurden die Menschen auf der Insel interniert und Familien wurden dabei getrennt, Männer und Frauen wurden an unterschiedlichen Orten untergebracht. Viele Einwanderungswillige mussten erst noch einige Tage an Bord ihrer Schiffe verbringen, bevor sie an Land gelassen wurden. Der Großteil der Menschen musste einige Fragen beantworten und wurde dann streng gesundheitlich untersucht. Wer allerdings Geld und/oder Reputation vorweisen konnte, der wurde schnell nach Manhattan durchgeschleust. Heute beherbergt die Insel das „Ellis Island Museum of Immigration“. Wir werden es besuchen und auf dem Weg mit dem Schiff die Freiheitsstatue grüßen.

Bleibt noch anzumerken, dass es in diesen Tagen ein Problem in New York City mit dem Umstand gibt, dass von den Republikanern regierte Staaten in großem Stil Einwanderer aus Mexiko hierhin verfrachten. Das zeigt wieder einmal auf wie gespalten das Land auch in dieser Frage ist.

2. Station Tulsa, Oklahoma

Der Woody Guthrie-Center in Tulsa, Foto: Cowboy Band Blog

Endlich den 2022 eröffneten Bob Dylan Center sehen. 2019 waren wir das erste Mal in Tulsa beim großen Dylan-Kongress und haben damals schon den Woody Guthrie Center und das Gilgrease Museum besucht, das die umfassendste Sammlung von Artefakten des Amerikanischen Westens hat. Es bringt Objekte aus der Geschichte der hispanischen, der afroamerikanischen und der angelsächsischen Besiedlung des Westens zusammen mit der Perspektive der Native Americans.

Diesmal werden wir neben dem Dylan Center uns der Geschichte des großen „Tulsa Massacre“ von 1921 widmen. Damals wurde das kulturelle und wirtschaftliche Zentrum des afroamerikanischen Tulsas, das Stadtviertel Greenwood, von einem gewalttätigen, weißen, rassistischen Mob völlig zerstört und dabei dreihundert afroamerikanische Menschen getötet. Diese Geschichte geriet durch die weiß gefärbte Geschichtsschreibung in Vergessenheit. Erst 1997 (!) richtete das Stadtparlament von Tulsa einen Untersuchungsausschuss zu diesem Ereignis ein. Die Morde und die Zerstörung wurden als Unrecht gebrandmarkt, es wurden Gelder für „Wiedergutmachungsmaßnahmen“ zur Verfügung gestellt: Überlebende des Massakers bekamen Orden, schwarze Schüler Stipendien. Doch wirkliche Entschädigungen für die afroamerikanische communiaty gab es nicht. Ein in den 1980ern gegründetes Kulturzentrum, das sich in einer Austellung mit dem Massaker beschäftigt und ein 2008 errichteter Gedenkstein sind bis heute die einzigen sichtbaren Zeichen der Erinnerung. Ein 2020 angestrengtes Klageverfahren gegen die Stadt Tulsa von drei hochbetagten Überlebenden des Massakers wurde im Juli diesen Jahres von einer konservativen Richterin abgelehnt.

Somit bleibt auch hier William Faulkners Aphorismus unvermindert aktuell: „Die Vergangenheit ist nicht tot, sie ist nicht einmal vergangen“. Auch Bob Dylan hat in „Murder Most Foul, dem Meisterwerk seines jüngsten Album „Rough And Rowdy Ways“ auf das Massaker Bezug genommen: „…Play tragedy, play ‚Twilight Time‘ / Take me back to Tulsa to the scene of the crime…“. Und diese Zeilen sind im Übrigen wieder eine besondere Collage Dylans. Denn „Take Me Back To Tulsa“ ist ein Titel der Western Swing-Legende Bob Wills, der in Tulsa in Cain’s Ballroom das Genre quasi aus der Taufe hob. In einer Zeile hat Dylan damit den ganzen tragischen Widerspruch Tulsas als Geburtsstätte eines Musikgenres und als Totenstätte eines ganzen, ehemals blühenden Stadtviertels zum Ausdruck gebracht. Das kann nur Dylan.

Und wenn man dann noch weiß, dass Bob Wills sogar ein Förderer örtlicher afroamerikanischer Musiker wie dem Jazz- und Swing-Bandleader Ernie Fields war, dem er in seinem Vorprogramm auftreten ließ, zeigt sich, dass es immer Spielräume gibt, falsche Regeln zu unterlaufen und die Welt eben nicht immer schwarz oder weiß ist.

3. Station: Woodstock, N.Y.

Woodstock fand in Bethel ohne Dylan statt. Foto: Cowboy Band Blog

Dann geht es über den Zwischenstopp New York hoch nach Woodstock. Die legendäre Künstlerkolonie, die dem 1969er Festival seinen Namen gab, obwohl es im rund 70 Meilen entfernten Bethel stattfand. Aber es sollte einfach Woodstock sein, denn da wohnte der Messias der Rock-Generation, Bob Dylan. Dieser jedoch war der Rummel und die Hippies zu viel. Er ergriff die Flucht nach Europa und trat lieber beim Isle of Wight-Festival auf.

In der Nähe von Woodstock, in West Saugerties nahmen Dylan und The Band die „Basement Tapes“ auf und schrieb The Band „Music From Big Pink“. Neben Dylan und den Jungs lebten Ende der 1960er u.a. zeitweise auch Van Morrison, Janis Joplin und Jimi Hendrix dort.

Bis heute ist Woodstock ein Teil des „anderen Amerika“ geblieben. Immer Künstlerisch, oftmals durchaus politisch, manchmal aber auch ein bisschen esoterisch zeigen sich Woodstock und die nahe liegenden Dörfer und Städtchen als ruhiger Gegenentwurf nicht nur zu den hektischen Städten, sondern durchaus auch zu den konservativen Small Towns.

Und es ist natürlich ist es auch landschaftlich wunderbar gelegen. Mitten in den Catskill Mountains, einem Mittelgebirge, ähnlich wie dem Odenwald, das Ausläufer der Appalachen ist. Hier werden wir unsere USA-Reise mit viel Ruhe und Wanderungen beenden. Bleibt nur noch, dass, während wir da sind, in den Studios von Levon Helm oder im Bearsville Theatre schöne Livemusik zu hören ist.

In diesem Sinne beginnen jetzt die Detailplanungen: Was gibt es noch zu sehen? Wer tritt wo auf? usw. Und natürlich den Soundtrack zum Reise zusammenstellen. Über den weiteren Verlauf der Planungen und über die Reise werde ich selbstverständlich immer wieder hier mal was schreiben.

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