„Blood & Sinners“ ist mehr als ein Gangster- und Vampirfilm-Hybrid: Er ist zeichnet afroamerikanische Musik- und Kulturgeschichte nach
„Blood & Sinners“ (Originaltitel „Sinners“) ist ein bild- und musikgewaltiges Werk. Regisseur Ryan Coogler, u.a. auch für die beiden „Black Panther“-Filme zuständig, bleibt sich treu. Waren die beidem genannten Actionfilme eigentlich Transportmittel für ein neues pan-afrikanisches Selbstbewußtsein, so ist „Sinners“ mehr als ein Gangster-Vampirfilm-Hybrid. Coogler entwirft hier ein Mississippi-Panorama, das die afroamerikanische Musik- und Kulturgeschichte in einer Nacht verdichtet. So wie „O Brother Where Art Thou?” von den Coen-Brüdern die frühe Country- und Bluegrassmusik anhand einer Mississippi-Odyssee wiederentdeckte, zeichnet Coogler die Geschichte der schwarzen Musik nach. In einer langen, fantastischen, bildgewaltigen Musik- und Tanzszene wird die afroamerikanische Musik von ihren afrikanischen Roots bis zu ihren Urban Hip Hop-Roots in den Mittelpunkt gestellt.
Gleichzeitig wird das Zeitkolorit der US-Südstaaten in den 1930er Jahren aus einer afroamerikanischen Perspektive ins Bild gerückt. Wir sehen den Ku Klux Klan, wir erfahren von Lynchmorden, sehen eine Chain-Gang beim Arbeiten und Singen, wir hören von der rassistischen Ein-Tropfen-Theorie und beobachten eine schwarze Frau, die afroamerikanischen Volksglauben Hoodoo praktiziert.
Das ist der Hintergrund vor dem die Zwillingsbrüder Smoke und Stack (Michael B. Jordan) einen Juke Joint in Mississippi eröffnen. Ausgerechnet dem örtlichen „großen Drachen“ des Ku Klux Klan kaufen sie für diesen Zweck eine alte Sägemühle ab. Doch während alles am Eröffnungsabend am Feiern ist, braut sich das Unheil zusammen. Drei zwielichtige, weiße Musikanten begehren Einlass und werden abgewiesen. Doch Mary, Stacks ehemalige Freundin, legt ein Wort für die drei ein. Sie trifft sie an, als sie eine wunderschöne Version von „Wild Mountain Thyme“ intonieren. Doch der u.a. auch von Bob Dylan und Joan Baez gecoverte schottisch-irische Folksong ist die hier die süße Melodie des Verderbens. Denn auch böse Menschen singen schöne Lieder. Beziehungsweise die Vampire. Natürlich wird Mary gebissen und das Unheil nimmt seinen Lauf. Ein wildes Gemetzel im Juke Joint führt zu massenhaft blutigen Szenen und am Ende überleben nur Smoke und Sammie, der junge Bluesmusiker, der gegen den Willen seines Prediger-Vaters die Gitarre spielt.
Während sich Smoke am Ku-Klux-Klan rächt, der sich die Sägemühle wieder aneignen will, flieht Sammie gen Norden. Er lässt sich nicht den Blues verbieten. Auch in seiner Religionskritik ist der Film deutlich. Wenn der alte Bluesmusiker Delta Slim sagt, dass der Blues afrikanische Wurzeln hat und nicht aufgezwungen wurde, wie die christliche Religion, dann greift er direkt einen wichtigen Grund der Verteufelung des Blues durch schwarze Gemeinden auf. Man fürchtete das afrikanische Erbe. Wenn in der Szene des Showdowns von Smoke mit dem irischen Obervampir Remmick, dieser sagt, auch seinen Vorfahren sei die christliche Religion aufgezwungen worden, aber sie habe etwas tröstliches, dann werden hier Fragen von Religion und Macht verhandelt. Überhaupt sind die Vampire hier keineswegs des Teufels, sondern im christlichen Glauben gefestigt. Ihr Auftreten hat etwas sektenhaftes und ist damit eine Anspielung auf das fundamentalistisch-evangelikale weiße Christentum.
Am Ende dann ein Szenenwechsel. 60 Jahre später ist Sammie ein bekannter alter Bluesstar und hat einen eigenen, nach seiner auch beim Vampirgemetzel umgekommenen Geliebten Pearline, benannten Club. Er wird von den dann doch beim großen Vampirsterben davon gekommenen Stack und Mary besucht. Sie bieten Unsterblichkeit an, doch er lehnt den Biss ab und sie verschwinden. Er zieht die Sterblichkeit und Vergänglichkeit vor.
Fazit: „Sinners“ ist einer der besten Filme zum Thema afroamerikanische Kultur- und Gesellschaftsgeschichte der letzten Jahre. Ganz großes Kino, das man so noch nicht gesehen hat. Wieder einmal hat Coogler dem Kino etwas Neues gegeben. Das macht ihn zu einem der besten und wichtigsten Regisseure unserer Zeit.

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