Eine Fortsetzung ihrer lebenslangen Dylan-Geschichte: Suzanne Vegas „I Want You“-Spin Off „Chambermaid„
Im Frühjahr 1987 war Dylan eigentlich fast schon ein „Has Been“. Hierzulande war noch sein desaströser Auftritt beim Live Aid-Festival 1985 in unguter Erinnerung. Weder seine Rehabilitation beim Farm Aid noch seine triumphalen Touren 1986 mit Tom Petty & The Heartbreakers erzeugten in Deutschland einen besonderen Effekt. Später im Jahr sollte er beispielsweise die Frankfurter Festhalle höchstens zur Hälfte füllen und einen lustlosen Auftritt hinlegen. Ungefähr in dieser Zeit erschien Suzanne Vegas zweite Platte, „Solitude Standing“. Die warme, angenehme Stimme, dieses überraschte, freundliche Gesicht auf dem Cover und zwei große Hits – „Tom’s Diner“ und „Luka“ – machten aus ihr die neue Folk-Hoffnung. Später kam Tracy Chapman und noch ein bisschen später Ani Di Franco. Die New Folkszene lieferte in den 1980er und 1990er Jahren immer wieder neue Hoffnungen darauf – interessanter Weise immer Frauen – die von Dylan hinterlassene Leerstelle zu füllen. Auch ich kaufte mir „Solitude Standing“. Doch während ich bei Suzanne über die Jahre nicht wirklich dran blieb und sie später nur hin und wieder mal wahrnahm, gewann Bob mich mit „Oh Mercy“ und den „Traveling Wilburys“ wieder. Irgendwie konnte dem keiner das Wasser reichen.
Dylan einer ihrer Vorbilder
Das sieht auch Suzanne Vega so, die sich Ende der 1970er Jahre ganz klassisch in den Kaffeehäusern und Folk-Clubs des Greenwich Village ihre ersten Sporen verdiente. Ihre Vorbilder: Leonard Cohen, Lou Reed und natürlich Bob Dylan. Immer wieder beschäftigt sie sich mit Bob. Er ist einfach einer ihrer Idole, auch wenn sie sich 2001 in der Debatte über „Love And Theft“ dazu hinreißen lässt, in der New York Times mit in das Geheul über Textdiebstahl einzustimmen: „Ich schaute mir die Sache an und kam zur Ansicht, dass das nicht der gewöhnliche Gang der Dinge ist. Es ist eindeutig, dass bei der Wahl von Worten und Metaphern unkorrekt vorgegangen wurde. Aber ich wollte nicht diejenige sein, die schreibt: Dylan stiehlt bei anderen Dichtern. Obwohl ich denke, dass er es tat. Andererseits: Dass er, der sich stets als großer Renegat inszeniert hat, ein Album veröffentlicht und in kleinen Fußnoten alle Bezugspunkte zur Literatur und Songlyrik der letzten 200 Jahre auflistet, wäre auch schwer vorstellbar. Er wollte immer außerhalb der Gesellschaft stehen, also passt diese Art von Raubrittertum gut zu ihm.“
Mal streng, mal voller Wertschätzung
Bei der Verleihung des Literatur-Nobelpreises 2016 war ihre Strenge schon wieder verflogen und sie äußerte sich in der „Observer New Review“ schon wieder sehr wertschätzend. Sie kontert den Vorwurf der Misogynie, in dem sie sagt: „Meine Mutter hielt Dylan immer für etwas frauenfeindlich, aber das sehe ich anders. Ich sehe in seiner Musik eine ganze Reihe weiblicher Charaktere – von Göttinnen und Königinnen über verehrte Frauen bis hin zu Frauen, die benutzt und missbraucht werden. Ich fände es toll, wenn andere Songwriter mit ähnlicher literarischer Neigung den Nobelpreis gewinnen könnten. Wie Lucinda Williams. Ihre Arbeit hat eine literarische Dimension, die den Song vom bloßen Popsong zu etwas viel Tieferem erhebt.“
Und erklärt zur Auszeichnung für Dylan: „Ich freue mich riesig für Bob Dylan und finde es sehr angemessen, dass er für die literarische Exzellenz seines Werks gelobt wird. Die Auszeichnung würdigt ihn als Schöpfer „neuer poetischer Ausdrucksformen innerhalb der großen amerikanischen Songtradition“, und genau das hat er getan. Er wird nicht als Musiker geehrt, sondern für die Tiefe und Breite seiner Vision und die Eloquenz der Sprache, mit der er sie zum Ausdruck bringt. In seinen Liedern findet er jedes literarische Mittel: Charakter, Erzählweise, Stil.“
“Chambermaid” und „I Want You”
Nun ist Suzanne Vega nach einigen Jahren Pause mit neuem Album wieder da. „Flying with Angels“ heißt es und es enthält mit „Chambermaid“ ein Stück, das man als so etwas wie ein „Spin Off“ von Dylans „I Want You“ bezeichnen kann. Über „Chambermaid“ sagt Vega: „In meiner Adaption von Bob Dylans ‚I Want You‘ stelle ich mir vor, was die Figur der Chambermaid über ihre eigenen Bestrebungen und ihre Beziehung zu dem großen Mann selbst sagen würde.“ In einem Interview für den Mannheimer Morgen hat sie auch noch hinzugefügt, dass sie Dylan einer ihrer Helden sei und sie ihn um die Erlaubnis gebeten habe, die Melodie von „I Want You“ benutzen zu dürfen: „Ich habe Bobs Melodie gestohlen, wofür er mir eine Freigabe erteilen musste. Das hat er.“
Der Song erzählt, wie sich die Chambermaid in Dylan hineindenkt, von ihm träumt, aber dann doch irgendwann den Job quittiert, weil es letztendlich doch nur Träume von einer realen Annäherung sind. Auch wenn sie ihm einen Kuss rauben konnte. Aber er gibt ihr in seinen Träumen den wichtigen Hinweis, doch selber das Schreiben anzufangen. Ein schöner, spielerischer Song, der zeigt, dass Suzanne Vega auch ohne die großen Hits eine verlässliche Größe in der Musikwelt ist. Wer will, kann sie im Herbst live im Konzert erleben. Sie spielt im Oktober in München, Hamburg, Berlin, Luxemburg, Offenbach und Köln.


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