Dylan und die Päpste. Anmerkungen anlässlich der Wahl des neuen Papstes
Ich bin schon mit etwa 19 oder 20 Jahren aus der Kirche ausgetreten, aber wie das so ist. So ganz lösen kann man sich Katholizismus nicht. Und bis Wojtyla war es ja auch ganz okay. Der progressive Aufbruch durch Johannes XXIII., der auch von Paul VI. fortgesetzt wurde. Wie progressiv Katholizismus sein kann, habe ich im Religionsunterricht in Grundschule und Gymnasium sowie im Kommunionsunterricht gelernt. Doch dann kam nach dem kurzen Interregnum durch Johannes Paul I., dem „lächelnden Papst“, der nach nur 33 Tagen unter mysteriösen Umständen starb, eben Karol Wojtyla alias Johannes Paul II. Doch während Johannes Paul I. sich wirklich inhaltlich auf seine Vorgänger beziehen wollte, war Wojtylas Namenwahl ein Etikettenschwindel. Der polnische Anti-Kommunist war die kirchliche Entsprechung des neokonservativen Zeitgeists eines Ronald Reagan, einer Maggie Thatcher oder eines Helmut Kohls. Dabei konservativ auf populäre, nicht auf elitäre Weise. So dass Karol Wojtyla von vielen gar als „Menschenfischer“ gesehen wurde. Dabei war er es, der 1985 dem Befreiungstheologen und sozialistischen Politiker Ernesto Cardenal das Priesteramt entzog.
In solchen Fragen war Wojtyla stramm rechts. Kein Wunder, denn seine rechte Hand in Sachen Kirchenpolitik war schließlich der rechtsabgedrehte klerikal-autoritäre Kardinal Josef Ratzinger, oder auch „Ratz-Spatzl“ genannt. Jedenfalls vom legendär-schrägen bayerischen Musiker Georg Ringsgwandl. Der übrigens – und so langsam tasten wir uns zu Bob Dylan vor – die schönste Coverversion von „Gotta Serve Somebody“ ever geschrieben hat. „Nix Mitnemma“ ist im Gegensatz zum devoten und servilen Bob-Original wunderbar subversiv. Und gefällt mir auch besser als das Original. Sorry, hier kann ich aus meinem Herzen keine Mördergrube machen.
Die Päpste in Bob Dylans Werk: Fundstellen
Dieser Bob Dylan ist gläubiger Mensch und das darf er auch sein. Umso schöner, dass seine eifernden Predigen über den Gott der Rache lange, lange vorbei sind und er heutzutage ganz weise, seine Gottesliebe in feiner Lyrik in seine Songs einfließen lässt. Der Papst war tatsächlich immer wieder mal ein Thema in seinem Oeuvre. So kann man die Zeile „You know, it’s not even safe no more In the palace of the Pope” von “Infidels” 1983 durchaus als durch den Tod Johannes Paul I. inspiriert ansehen. Die zwei Attentate binnen eines Jahres auf Johannes Paul II. waren es wohl eher nicht, denn die fanden außerhalb des Papstpalastes statt. In Bob Dylan’s 115th Dream tritt er selbst als „Pope of Eruke“ auf und im Song „In The Garden“ wird Petrus genannt, der immerhin später als erster Papst angesehen wurde.
Offensichtlichste Verbindung Dylans zum Papsttum ist natürlich sein Auftritt vor Johannes Paul II. beim Eucharistischen Weltkongress 1997 in Bologna. Der „Menschenfischer“ wusste, wie er Dylans Bedeutung für diese gemeinsam theologische Selbstverständigung von Geistlichen, Ordensleuten und Laien nutzen konnte. Ganz anders „Ratzl-Spatzl“. Der weltfremde Dogmatiker hatte keinerlei Beziehung zur populären Musik und rieb sich an Dylans Image als progressive Leitfigur.
Dylan spielt vor dem Papst und Ratzinger wollte es verhindern
„‚Es gab Gründe, skeptisch zu sein und das war ich‘, schreibt Papst Benedikt XVI. in seinem Buch Johannes Paul II: Mein geliebter Vorgänger. 1997 heißt Benedikt noch Joseph Ratzinger und ist Kardinal. „In gewisser Weise bin ich auch heute [2007] noch skeptisch.“ So äußert der Rockmusikhasser in dem Buch seine Zweifel darüber, ob es richtig gewesen sei, den „sogenannten Propheten“ Dylan auf die Bühne zu lassen. 1997 möchte Kardinal Ratzinger das Konzert sogar aktiv verhindern und spricht sich gegen Dylans Auftritt aus. Zum Glück hat er damals noch nicht allzu viel zu sagen — und zum Glück sieht der amtierende Papst das Ganze ein wenig anders.“ (Timon Menge im Magazin The Circle“). Dylan greift das scheinbar einige Jahre später im Song „False Prophet“ auf.
Bob & Bob: Kirchen-Papst und Songwriter-Papst
Und jetzt also der erste amerikanische Papst. Und was für einer! Leo XIV. ist ein fortschrittlicher, weltoffener und an der katholischen Soziallehre orientierter Geistlicher. Robert F. Prevost stammt einer katholischen Familie mit französischen, italienischen, spanischen und kreolischen Wurzeln. Und besitzt neben der US-amerikanischen auch die peruanische Staatbürgerschaft. Steht also für das Amerika, das Trump eliminieren will. Schwierige Sache für „the orange brain“. Er und Vance geben nach außen ihre Freude über den Landsmann kund, in der MAGA-Bewegung aber knirscht es. Ein linker Marxist, der schon Trump und Vance kritisiert hätte, heißt es sinngemäß in den entsprechenden Kanälen. Diese Wahl war auch ein Zeichen der katholischen Kirche gegen die unchristliche Politik des MAGA-Amerika.
Zum Tod von Franziskus zirkuliert eine Aussage von Dylan, deren Echtheit umstritten ist. Wird er sich zu seinem Vornamensvetter Robert, der ja von seinen Freunden nur Bob genannt wurde, äußern? Und wird Leo XIV. den größten lebenden amerikanischen Künstler in irgendeiner Form würdigen? Wir werden sehen und freuen uns über einen Papst, der ein amerikanischer Gegenentwurf zum dreisten Donald ist.



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