All Along The Watchtower oder Bob Dylan in China

Manches ändert sich einfach nie. „Judas!“, „Verrat“, „Ausverkauf“ hagelt es wieder einmal von mancher Seite. Bob Dylan kennt das seit fast 45 Jahren. Er fordert es genauso rigoros hinaus, wie er es ignoriert. Er weiß warum. Denn welche Bedeutung hätte Dylan heute noch, hätte er nicht seine Wandlungen erfahren und seine Haken geschlagen?

Nun hat Dylan wieder eine Todsünde begangen. Ist in das Land mit dem alle westlichen Staaten prächtige Geschäfte betreiben, und das globalpolitisch eine immer wichtigere Rolle einnimmt, gereist, um dort Konzerte zu geben. Hat Lieder wie „Blowin’ In The Wind“ oder „The Times They Are A Changin“, echte Zeitdokumente der sechziger und siebziger Jahre, nicht gespielt. Auf die Hymnen der Friedensbewegung, die sich beispielsweise 1987 so gut von der DDR-FDJ vereinnahmen ließen, verzichtete er.

Die chinesischen Zensoren sollen diese Lieder im Blick gehabt haben, als sie die Setlists vor den Konzerten sehen wollten. Gespielt hat er in dem Land in dem die kommunistische Parteidiktatur als Schutzmacht des Kapitalismus und seiner neureichen Oligarchien fungiert aber stattdessen dies:

“There must be some way out of here,” said the joker to the thief
“There’s too much confusion, I can’t get no relief
Businessmen, they drink my wine, plowmen dig my earth
None of them along the line know what any of it is worth”
All along the watchtower, princes kept the view
While all the women came and went, barefoot servants, too

Ist das etwa kein treffender Kommentar für die Lage in China? Wo wenige den Reichtum anhäufen und Menschenrechte verletzt werden. Wo Ausbeutung und Verdummung der Landarbeiter die Regel und das Leben von Bergarbeitern kaum etwas wert ist.

Dylans Songs, seine Poesie über Leben, Liebe und den Lauf der Welt atmen auch ohne politische Parolen den Geist der Befreiung und der Erlösung des Individuums, sind also subversiv wie Kunst sein muß.

Der Mann und seine Haken lassen sowohl die Zensoren, als auch die anti-Dylan- Affekthandlungen ins Leere laufen. Zurück bleibt die Ohnmacht vor soviel Dummheit, wie sie sich beim Dylan-Bashing wieder einmal offenbart hat.

Hört ihm doch einfach mal zu.

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