Neu im Kino: Black Power Back Again?

„Get Out“, „Black Klansman“, „Queen & Slim“ (Notizen zum schwarzen Amerika, Teil 2)

Seinen Höhepunkt hatte das schwarze Kino Anfang der 1970er Jahre mit den „Blaxploitation-Filmen“. Neben dem Klassiker „Shaft“ waren es Werke wie „Straße ins Jenseits“ oder „The Bus is Coming“, die erstmals in größerem Umfang Geschichten aus schwarzer Perspektive mit schwarzen Darstellern erzählten, die auch von Weißen gesehen wurden. Vor diesen Filmen mit ihren schwarzen Helden waren Afroamerikaner im weißen Mainstream-Kino auf die Rolle der freundlich bis debilen Gehilfen, Schaffner oder Butler beschränkt. Professionell produzierte schwarze Filme für schwarzes Publikum gab es durchaus, erreichte aber darüber keine Zuschauer. Bekanntestes Beispiel hierfür ist vielleicht der Western wie „Two Gun Man from Harlem von 1938.

Doch die Blaxploitation-Welle ebbte irgendwann Ende Anfang der 1980er ab. Dabei war mit der erstarkenden Bürgerrechtsbewegung und der stärkeren Akzeptanz von Farbigen in der US-Gesellschaft in den 1960er Jahren der Boden bereitet für schwarze Schauspieler wie Sidney Poitier, der lange Jahre der einzige wirklich große afroamerikanische Hollywood-Star war. Lou Gossett Jr. oder Yaphet Kotto rangierten da eher im Mittelfeld der Hollywood-Mimen, während Eddy Murphy im Reagan-Amerika der 1980er dann wieder alle Klischees bediente und in der schon seit den Minstrel Shows tradierten Kasper-Rolle für Schwarze zum Hollywood-Hanswurst wurde. Es blieb dabei: Schwarze Themen und Schwarze Darsteller waren im Mainstream-Kino Nebensache.

Spike Lee
Erst in den 1990er Jahren gelang es u.a. durch den Regisseur Spike Lee schwarze Perspektiven ins Mainstream-Kino zu überführen. Sein Film „Malcolm X“ von 1992 ist ein Klassiker was schwarze Geschichtsschreibung im Kino angeht. Die Hauptrolle spielt Denzel Washington, der neben Morgan Freeman, Samuel L. Jackson, Jamiee Foxx und Forest Whitaker die Gilde der Nr.1.-Stars der afroamerikanischen Schauspielergilde anführt.

Doch während Washington und Freeman immer öfter die Hauptrollen in Actionfilmen oder Thrillern besetzten, die reine Unterhaltungsfilme darstellten, ist eine Renaissance schwarzer Themen erst in den letzten Jahren wieder festzustellen. Und zwar als Reaktion einer immer größer werdenden Rassenspaltung und rassistisch orientierter (Polizei)-Gewalt. „Black Lives Matter“ wurde zur starken Stimme und seit 2017 ist eine ganze Reihe von Filmen entstanden, die das schwarze Amerika in den Mittelpunkt rücken. Drei Beispiele seien hier genannt.

„Get Out“ (2017) ist eine der ungewöhnlichsten, schrägsten, dabei aber auch schärften, tiefsinnigsten und intelligentesten Behandlungen des Themas Rassismus in der Filmgeschichte. Das Werk von Regisseur Jordan Peele nutzt das Genre des Horrorfilms um einen Einblick in Geschichte und Gegenwart des Zusammenlebens von Schwarz und Weiß in den USA. Laut dem „Guardian“ beschäftigt geht der Film ein auf „gemischtrassige Beziehungen, die Eugenik, den Sklavenhandel, schwarze Männer, die im Horrorfilm zuerst sterben, den Vorort-Rassismus und die Polizeigewalt, die an Schwarzen verübt werde“. Insbesondere das Grundmotiv – junge schwarze Männer verlängern das Leben von alten Weißen – nimmt eine der Grundlagen des Rassismus auf. Der schwarze Mann wird als Bedrohung wahrgenommen, weil man seine körperliche Stärke und seine Potenz fürchtet. Man dichtet ihm etwas Animalisches an. Wenn also hier Schwarze gekidnappt und benutzt werden, weil man ihnen eine Vitalität unterstellt, die einem nutzen kann, dann ist diese Furcht die Erklärung dafür. Gleichzeitig sind die Weißen aber davon überzeugt, dass die die überlegene, intelligentere Rasse darstellen. Neu an diesem Film für Hollywood ist – so sind sich die Kritiken einig – dass erstmals ein Horrorfilm aus der Perspektive eines Schwarzen dargestellt wird, eine gemischtrassige Beziehung ausführlich dargestellt wird und ein Schwarzer brutale Gewalt gegen Weiße ausüben darf, ohne dafür bestraft zu werden.

„Black Klansman“ (2018) ist vom Genre her eine turbulente Krimikomödie, erzählt aber eine ebenso wahre wie unglaubliche Geschichte vom ersten schwarzen Kriminalpolizisten von Colorado Springs, der als verdeckter Ermittler sich per Telefon in den Ku-Klux-Klan einschleust. Die Story wird noch schräger, da der weiße Kollege, der in nun in den Treffen mit dem Klan darstellt, ein Jude ist. Die beiden großen Feindbilder des Klans hebeln die Rassisten aus und am Ende zerstört sich die örtliche Klan-Gruppe im wahrsten Sinne des Worts selbst. Vordergründig bestes Hollywood-Kino nutzt Regisseur-Altmeister Spike Lee dazu, zu zeigen, dass der Klan keineswegs Geschichte ist. Im Gegenteil er scheint mächtiger denn ja, da er nun sich mit dem amtierenden Präsidenten verbunden fühlt und ihn unterstützt. Von Spike Lees Können, die Hollywood-Muster für seine Geschichten sowohl zu nutzen, als auch zu überschreiten ist ein stilbildend für alle neueren schwarzen Filmemacher. Für Jordan Peele ebenso wie für George Tillman Jr. und seinem Streifen „The Hate U Give“ von 2018, den wir im vergangenen Jahr an dieser Stelle bereits besprochen haben: https://cowboyband.blog/2019/03/04/the-hate-u-give/ .

Ein politisches Roadmovie
Aktuell ist gerade mit „Queen & Slim“ ein schwarzes Roadmovie der besonderen Art angelaufen. Die Regisseurin Melina Matsoukas ist zwar keine Schwarze hat aber einen griechisch-kubanischen Hintergrund, kann sich also in der Rolle der „Alien“ in einer weißen angloamerikanischen Gesellschaft hineinversetzen. Zudem stammt das Drehbuch von der Afroamerikanerin Lena Waithe. Legendär ist Matsoukas Musikvideo zu Beyoncés Song „Formation“, das auf mehreren Ebenen Bilder und Erzählungen des schwarzen Amerikas ineinanderwebt.

Wer aber nun gedacht hätte, „Queen & Slim“ wäre ähnlich schnell und rasant geschnitten und erzählt, der irrt sich. Matsoukas Roadmovie ist ein episches. Sie nimmt sich viel Zeit, die Geschichte zu erzählen. Sie lässt auch einige Hollywood-Stilmittel aus. So sind die Dialoge nicht aufs witzig sein angelegt und die Typen, die das Pärchen unterwegs trifft, übertreffen sich nicht in ihrer Schrägheit. Es ist als Film weniger ein flottes R&B-Musikvideo als eine lange Mörderballade aus schwarzer Perspektive.

Unterlegt mit viel Soulmusik gehen die Hauptdarsteller Daniel Kaluuya – er spielte auch bei „Get Out“ die Hauptrolle und Jodie Turner Smith – auf eine Reise durch das heutige Amerika. Unterwegs treffen sie angepasste und unangepasste Schwarze, aber auch weiße, die eher aus rechts-libertärer Perspektive nicht mit dem Staat zu tun haben wollen. Ausgelöst wird das Drama durch die alltägliche Gefahr für Schwarze, die von Polizeikontrollen ausgeht. Die war schon der Auftakt der Geschichte bei „The Hate U Give“ und nun auch hier. Weiße Polizisten werden scheinbar aus Eskalation trainiert und sind immer in Gefahr überzureagieren. Hier im Film ist der Cop offen rassistisch und wird von Countrystar Sturgill Simpson gespielt. „Queen“ erschießt in einem Gerangel den Cop und die Flucht beginnt.

Renaissance der Black Power?
Am Ende werden die beiden Protagonisten – verraten durch einen schwarzen Drogensüchtigen – von einer Gruppe von Polizisten geradezu hingerichtet. Dass die beiden am Anfang nicht auf die staatliche Justiz geben – wohl gerade weil Queen Anwältin ist – und am Ende die Opfer völlig überdrehter und entmenschlichter Polizeigewalt sind, entspricht der Lebensrealität der afroamerikanischen Community. Wohlfeile Kritik an der angeblich problematischen Aussage des Films geht an den gesellschaftlichen Zuständen des Films völlig vorbei. Hier wird nichts beschönigt, hier wird gezeigt wie ganz normal Rassismus und Gewalt gegen Schwarze in den USA ist. Es ist ein politischer Film, der die Botschaft von „Black Lives Matter“ und die Tradition der „Black Panther“ aufgreift. Deren Gruß sieht man inmitten des Films, aber vor allem am Ende wenn mit ihm die schwarze Trauergesellschaft ihren Kampfeswillen ausdrückt. Black Power back again?

Auch wenn uns das Thema „Rassismus und Gewalt in den USA“ immer nur begegnet, wenn es nach einer Ermordung durch Polizisten zu großen Unruhen kommt, schwelt das Thema weiter vor sich hin. Man darf gespannt sein, wenn das wieder ansteigende afroamerikanische Selbstbewusstsein auf eine durch Wahlen bestätigte Trump-Administration träfe. Die USA sind mehrfach gespalten: Schwarz und Weiß, Arm und Reich, Küstenstreifen und „Fly-Over-Country“, Silicon Valley und Rust Belt. Eine Wiederwahl Trumps würde die Spaltungen nicht nur vertiefen, sondern sie würden weiter als Mittel der Politik benutzt. Wohlwissend um alle möglichen Konsequenzen.

Schlagwörter: , , , ,


%d Bloggern gefällt das: