Endlich wieder ein Buch über Bob Dylan!

Stefan Kutzenberger kluges und lustiges Buch „Jokerman“ ist eine Statement zur Lage zwischen Verschwörungstheorien und der US-Präsidentschaftswahl

Wenn ich ehrlich bin, bin ich ein bisschen müde geworden über all die vielen Dylan-Bücher. Immer wieder erscheinen Biographien, die das altbekannte in ewig alten Phrasen wiederkäuen. Dann gibt es die fleißigen Vielschreiber, die zu jedem Dylan-Song ein Buch herausbringen und solche, denen vor Begeisterung ganz klar die Distanz zum Forschungsgegenstand fehlt. Das sind dann Dylanianer, keine Dylanologen.

Lesen über Dylan
Im Moment sind eigentlich die einzigen, die ich wirklich mit Erkenntnisgewinn zu Bob Dylan lese, die Herren Greil Marcus und Elijah Wald. Und am überdrüssigsten bin ich eigentlich Clinton Heylin, der uns Zeile für Zeile wichtig zuzuraunen scheint; „schaut mal her, was ich über Dylan weiß, das weiß nur ich“ und mit dieser Methode ganze Schaffensperioden so zuschneiden will, dass sie stromlinienförmig und widerspruchslos sich ins Werk des großen Künstlers einfügen. Als würde das zum „Unstimmigsten aller Menschen“ (der kluge Günter Amendt) passen, geschweige denn ihm angemessen sein.

Und dann gibt es in den letzten Jahren den Hang, Dylan-Romane herauszubringen. Zum Buch „Catfish“ Rolling Stone-Autor Maik Brüggemeyer schrieb ich seinerzeit, nachdem ich ihn gelobt hatte für seinen Respekt vor Dylan und seinen Kenntnisreichtum: „Seitenlang gießt er Songtexte, Interviewpassagen und sonstige Dylan-Zitate in Dialogform. Was am Anfang noch interessant, vielversprechend und frisch wirkt, wird mit der Zeit überstrapaziert. Dylan-Fans kennen diese Zitate, andere nicht. Die wundern sich nur. Und die Dialoge sind nur selten lebendig, am Ende wirken sie durchaus auch mitunter gezwungen und ermüdend, hat der Autor den Bogen überspannt.“ Oder ich denke an Liaty Pisanis bizarres Werk „Der Spion und der Rockstar“.

Positiver stimmte mich dagegen Markus Berges‘ „Die Köchin von Bob Dylan“. Ich urteilte:“…Berges führt Dylan als netten, sonderlichen alten Herrn in den Roman ein, ohne ihn der Lächerlichkeit preis zu geben. Der Respekt des Songwriters Berges vor einem Säulenheiligen seiner Zunft und viel echte Empathie für die unermüdlich tourende bald 75-jährige Musiklegende lässt Berges Schilderungen von Dylan und seinem Leben auf der Tour zu kleinen, wunderbaren Miniaturen werden, die einen guten Kontrast zum tragischen Leben von Jasmin Nickenigs Großvater Florentinius Malsam abgeben…Berges gelingt hier das Kunststück, in einer Sprache, die in ihrer Menschlichkeit und Wärme für die Figuren an den großen Joseph Roth erinnert, das tragische Leben des deutschstämmigen Ukrainers Florentinius zwischen Stalinismus, Nazismus und Krieg so zu erzählen, dass es realistisch und berührend ist, dass es Grausamkeiten nicht ausspart, aber auch sich nicht daran weidet.“

„Jokerman“…
Nun also eine neue fiktive Erzählung rund um Bob Dylan. „Jokerman“ von Stefan KutzenbergerUnd sie funktioniert gut. Weil sie eben das Dylan-Universum nur zum Ausgangspunkt einer klugen und lustigen Auseinandersetzung mit Verschwörungstheorien und dem orangefarbenen Bewohner des Weißen Hauses nimmt. Und spielerisch und ohne falschen Respekt mit den großen Dylan-Mythen jongliert. Mit seiner Dichtkunst und der Textauslegung mit ihren oftmals bildungsbeflissenen Querverweisen, mit seinen Fans und mit deren-„Geheimgesellschaften“. Kutzenberger tut dies so erfrischend, so gescheit und lustig, dass dieser Roman ein einziges großes Lesevergnügen ist.

Zum Inhalt lesen wir auf der Seite des Piper-Verlages: „Sein Name ist Kutzenberger, Stefan Kutzenberger. Der melancholische Österreicher hat den Auftrag, die Welt zu retten, denn er ist der Jokerman. Schuld daran ist kein Geringerer als Bob Dylan, auch wenn der gar nichts davon weiß. All die Menschen, die das Werk des Musikers und Literaturnobelpreisträgers seit Jahrzehnten wie eine heilige Schrift deuten, haben den Jokerman auserkoren, die Wiederwahl eines der bizarrsten Tyrannen unserer Tage ins Weiße Haus zu verhindern. Mit Verve und Witz zeigt dieser Roman, wie Verschwörungsszenarien entstehen und sich so gut wie alles erklären lässt mit einer „wahren“ Lehre. Ein entlarvender Spiegel der Gegenwart, eine literarische Entdeckung und ein Riesenspaß – weit über die schicksalhaften US-Wahlen am 3. November hinaus.“

…sticht Trump?
Und mit einem bizarren Showdown, denn am Ende steht Kutzenberger Trump mit einer Giftspritze in der Hand gegenüber.“ Dies verriet bereits Ende letzten Jahres die Wiener Zeitung. Denn da war der Roman wohl schon in weiten Teilen fertig gestellt. Ob Dylan davon wusste, als er das Bild vom Skelett mit Spritze und Trump-Schatten zu seiner Album-Auskopplung „False Prophet“ veröffentlichte? Die Bob Dylan-Geheimgesellschaft wird es wissen…

Mehr wird hier aber nicht verraten, denn dieser Roman verdient viele Leser. Man geht aus diesem Buch fröhlicher und (lebens-)klüger hinaus, als man hineingegangen ist. Was man eben heutzutage nicht von vielen Bob Dylan-Büchern sagen kann…

Piper-Verlag, 22 Euro, ISBN-13: 978-3827014245

Schlagwörter: , ,