Dylan und Lennon wie Heaven und Sky, wie Feuer und Wasser?

Über das schwierige Verhältnis zweier Protagonisten der Rock-Generation

Vom vermeintlichen kulturellen Antipodentum von Bob Dylan und Johnny Cash – die letztlich aber gar nicht so weit voneinander entfernt waren – war auch an dieser Stelle schon mehrfach die Rede Nun, da wir in diesen Tagen sowohl den 80. Geburtstag, als auch den 40. Todestag von John Lennon begehen, möchte ich hier einmal auf das schwierige Verhältnis von Lennon und Dylan eingehen. Über zwei Ausnahmekünstler, die sich nicht immer grün waren.

John Lennon und Bob Dylan, Copyright Wikimedia Commons

Für mich war Lennon immer der coolste Beatle. Wobei das auch der Charakterisierung der Figur in den Beatles-Filmen und deren deutschen Synchronisation geschuldet sein mag. Mitte der 1970er waren die Beatles bei uns Jugendlichen noch ziemlich präsent. In Kino und im Fernsehen liefen die beiden Beatles-Filme von Richard Lester aus den Jahren 1964 und 1965 und die Sprüche waren Thema auf dem Pausenhof. Und natürlich war auch ich geschockt von seiner Ermordung am 8. Dezember 1980. Dylan lernte ich erst nach den Beatles 1976/77 kennen, beeindruckte mich aber um so mehr und ziemlich nachhaltig (lol!) und über die besondere Beziehung von Lennon zu Dylan war mir damals auch nix bekannt.

Dylan beeinflusst Lennon

Erst später habe ich erfahren wie sich die Beiden bzw. Dylan und die Beatles gegenseitig beeinflusst hatten. Dylan musikalisch von den Beatles – er stöpselt 1965 ein! – Lennon im Songwriting von Dylan. War vorher „She Loves You, Yeah, Yeah, Yeah!“ angesagt, veränderte sich nun Lennons Songwriting. Er eignete sich das narrative des Folk an, erzählte Geschichten, die Texte wurden anspruchsvoller, tiefschichtiger. „Norwegian Wood“ von 1965 gilt gemeinhin als der erste Song dieser neuen Art. Typisch Dylan, dass er „Norwegian Wood“ 1966 mit „Fourth Time Around“ parodiert. Ganz nach dem Motto „Ich bin das Original!“

Doch als die Beatles in den Jahren 1966ff immer tiefgründiger und experimenteller wurden, als Lennon immer politischer wurde, da schlug Dylan den entgegengesetzten Weg ein. Sehr zum Missfallen seines Apologeten Lennon.

Lennon hat sich über die Jahre an Dylan abgearbeitet. Er bewunderte sein Songwriting und dass sein Publikum ihm zuhört. Er schrieb dylaneske Songs und schrieb enttäuschte Songs – in „God“ singt er „Don’t Believe Zimmerman“. Kurzum: Lennon führte sich fast auf wie ein vom Lehrer enttäuschter Musterschüler. Da hatte er sich von Dylan dazu anleiten lassen, tiefschürfende Songs zu schreiben und was machte der? Knödelte 1969 die vermeintlich konservative Countrymusik und veröffentlichte mit „Self Portrait“ eine Platte voller Coverversionen und oller Kamellen. In Interviews ließ er kein gutes Haar an Dylans Musik. Auch Dylans „New Morning konnte ihn nicht versöhnlicher stimmen.

Dylan enttäuscht Lennon

Dem Rolling Stone sagte er damals, „New Morning“ sei nichts Besonderes. Dass er aber sich möglicherweise so gefühlt habe, weil er zu viel von Dylan erwartet habe. Und meinte, er sich nicht mehr so für Dylans Musik interessierte wie früher. Lennon war wirklich tief enttäuscht.

Doch mehr noch: In diesen Jahren tummelte sich Lennon sogar im Umfeld von A.J. Webermann und dessen „Dylan Liberation Front“. Weberman war ein radikaler, abgedrehter, völlig auf Dylan fixierter Typ, der die „Dylan Liberation Front“ gegründet hatte und versuchte mit dem linksradikalen Aktivisten Jerry Rubin und eben John Lennon Druck auf Dylan auszuüben, wieder politisch aktiv zu werden. Sie sahen in dem Umstand, dass Dylan am 1. August 1971 am großen Benefizkonzert für Bangladesh teilgenommen hatte, einen Hinweis dafür, dass Bobby scheinbar doch wieder in die politische Spur zurückkam. Und sahen sich durch Dylans „George Jackson“ bestätigt.

Doch weit gefehlt: Der Protestsong „George Jackson“ blieb vorerst eine Ausnahme und Lennons Liebe zu Dylan kühlte sichtlich ab. Erst Recht, als Dylan seine Born Again-Erlebnis hatte. Zu „Gotta Serve Somebody“ sagte John, „Bob will wohl jetzt Kellner werden“. Haha, nicht schlecht! Er schrieb als Antwort „Serve Yourself“. Und durchaus nachvollziehbar ist auch seine Kritik über die angeblichen absoluten Wahrheiten, die Dylan in seinem Glauben jetzt gefunden hätte. Ja, Lennon war Atheist. Knut Wenzel hat es so schön benannt. Dylan steht für den Heaven, Lennon für sly. „Imagine there’s no heaven, above us only sky.“

Doch wie dachte Dylan über Lennon? Auf jeden Fall dachte er schon mal weniger über Lennon nach, als der über ihn. Die direkten alleinigen Begegnungen lassen sich an einer Hand abzählen. Die bekannteste Dylan-Lennon-Szene stammt aus „Eat The Document“, als beide aber so richtig stoned sich ein Taxi teilen. Selbst da scheint wenig Harmonie zu herrschen. Den Lacherfolg auf Kosten Dylans hat auch hier wieder Lennon, der sagt: „Leidest Du unter Augenschmerzen, grooviger Stirn oder lockigem Haar? Nimm, Zimdawn! Komm, komm, Junge, es ist nur ein Film. Reiß dich zusammen!“

Bob Dylan und John Lennon, Copyright: Wikimedia Commons

Dylans Lieblings-Beatle war George Harrison, auch so ein eher introvertierter Sinnsucher. Lennon war da zu forsch, zu cool, vielleicht zu sehr aufgesetzter Durchblicker. Er war ein großer Musiker wie Dylan, ließ sich von ihm beeinflussen, hätte aber die Fixierung auf ihn nicht nötig gehabt.

Dylan ehrt Lennon

Dylan wiederum schien sich Lennon nicht beeindrucken zu lassen. Dylan war Dylan, er machte, was er wollte. Aber er hatte immer Respekt vor Lennon. Als letztes Zeichen schrieb er „Roll On, John“ für ihn und wob einige Lennon-Textzitate ein. Doch es war – und das fiel schon beim ersten Hören auf – auch ein letztlich distanzierter Respekt. So wie er die Geschichte der Beatles erzählt – „From the Liverpool docks to the red light Hamburg streets/ Down in the quarry with the Quarrymen/ Playing to the big crowds, playing to the cheap seats“ zeugt das nicht gerade vom Willen an den Menschen Lennon heranzukommen. Er preist die Legende, er schreibt einen Folksong über eine Legende, nicht über einen Freund wie Tony Atwood auf „Untold Dylan“ nachgewiesen hat.

Heaven und Sky, Sinnsucher und Kritikaster, aber auch Feuer und Wasser? Nein, als Antipoden kann man Dylan und Lennon sicher nicht bezeichnen. Sie haben sich schließlich immer wieder mal in ihrer Musik getroffen. Themen wie Autonomie des Individuums, Menschlichkeit, Verlorenheit in der verwalteten Welt, Krieg und Gewalt war bei beiden präsent. Dennoch sind ihre Künstler- und Kunstkonzepte sehr verschieden.

Wer weiß, wie John Lennon sich noch entwickelt, welche Musik er noch hinterlassen hätte. Vor 40 Jahren hat man ihn erschossen. Rest In Peace, John Lennon!

„Roll On, John“ live: