Mal Freunde, mal Konkurrenten

Phil Ochs wäre in diesen Tagen 80 Jahre alt geworden. Ein talentierter und wichtiger Künstler, der sich auch selbst im Weg stand und tragisch endete. Das Verhältnis zwischen Dylan und ihm war kompliziert.

Phil Ochs, Copyright: Wikimedia Common

Die Helden der „Goldenen Greenwich Village Generation“ der 1960er kommen in die Jahre. 2021 feiern sowohl Joan Baez (9. Januar), als auch Bob Dylan (24. Mai) ihre 80. Geburtstage. Dieser Tage (19. Dezember) wäre Phil Ochs 80 Jahre alt geworden. Doch er starb bereits am 9. April 1976, er nahm sich das Leben. Es ist ohnehin mehr als überfällig, ihn an dieser Stelle einmal zu würdigen und über das nicht einfache Verhältnis der beiden Folkmusiker Ochs und Dylan zu erzählen.

Bob Dylan, Copyright Wikimedia Commons

Talentierter Folksänger

Kürzlich haben wir an dieser Stelle über das Verhältnis von Dylan und Lennon geschrieben, nun also diese Zeilen zur Beziehung zwischen diesen beiden Künstlern, die beide als befreundete Greenwich Village-Folkies begannen. Auch Ochs rieb sich an Dylan. Dylan selber, der von 1963 bis 1966 den Grundstein für seine Weltkarriere legte, urteilte sowohl sehr respektvoll, aber auch wohl ein kleines bisschen neidisch im „Broadside Magazine“ über Ochs: „Ich kann mit Phil einfach nicht mithalten. Und er wird immer besser und besser und besser.“

Denn auch Phil Ochs legte in den Jahren 1964 – 1966 den Grundstein dafür, warum er bis heute noch als einer der besten Songwriter seiner Generation gilt. Die Alben „All The News That’s Fit To Sing (1964)“, „I Ain’t Marching Anymore“ (1965) und „Phil Ochs In Concert“  (1966) waren voller starker politischer Lieder und heutige Songklassiker wie eben „I Ain’t Marching Anymore“ oder „Love Me, I’m A Liberal“. Aber auch seine eher nach innen gerichteten Songs wie „Changes“ und „When I’m Gone“ gehörten zum Besten, was die damalige Folkmusik zu bieten hatte. Dennoch schaffte er im Gegensatz zu Dylan den Durchbruch nicht. Manche behaupten, sein Manager Al Grossman, der auch Dylan betreute, hätte zu wenig für ihn getan. Ochs setzte sich zwar für Dylan ein, als der die Folkpuristen mit seiner Hinwendung zum Folk-Rock-Rock vor den Kopf stieß: „Musik zu spielen, bloß weil sie dem Publikum gefällt, heißt das Publikum nicht zu respektieren. Wenn das Publikum das nicht versteht, dann verdient es allerdings auch keinen Respekt.“ Aber er litt auch darunter, Dylan an sich vorbeiziehen zu sehen.

Als Sohn eines manisch-depressiven Vaters war auch Ochs wohl schon früh im Kampf mit diesen Dämonen. Wahrscheinlich rührt auch daher seine sehr starke, verletzte Enttäuschung über den ausbleibenden Ruhm, so dass er immer wieder in der Szene gegen den „Konkurrenten“ Dylan stichelte, wie der legendäre Musikjournalist Karl Bruckmaier in einem Porträt zu Ochs‘ 70. Geburtstag schrieb. So wurde Ochs langsam aber sicher zur tragischen Figur. Obwohl mit großen Talent ausgestattet, stand er sich immer ein bisschen selbst im Weg. Und hatte Pech: Als Dylan zum Rock ging, hoben ihn die Folkies an dessen Stelle auf den Schild. Aber da war der Zeitgeist bereits zu Dylan gewechselt und das Folkrevival am Ende.

Copyright: Elektrola Records

Legendär, die Szene als beide Protagonisten zusammenrasselten. Dylan spielte Ochs seinen Song „Sooner Or Later (One Of Us Must Know)“ vor und der reagierte mit der Kritik, dass Dylan in seinem Songwriting die Klarheit verlieren würde. Dylan soll wütend reagiert haben: „Du bist Journalist, kein Folksänger“. Ihn nervte Ochs mit seinem Beharren, tagespolitische Protestsongs zu schreiben. Ironie der Geschichte: Fast 10 Jahre später veröffentlichte Dylan mit „Hurricane“ einen epischen Protestsong, der der Inbegriff eines journalistisch-genau geschriebenen Liedes war.

Wie auch immer. Ochs hatte das Glück nicht gepachtet und dennoch schaffte er 1966 mit viel Eigeninitiative die Carnegie Hall zu füllen. Doch hohes Lampenfieber ließ das Konzert zum Desaster werden.

Ochs ließ daraufhin sein altes Leben und Frau und Kind in New York hinter sich und das Irrlichtern begann. So versuchte er, Folk und Pop zu verschmelzen und arbeitete mit Bands und Orchestern zusammen. Obwohl er versuchte, weg vom Folk sich kommerzieller hin zu orientieren, hatte er keinen Erfolg. Das größte Ereignis war da ein kleiner Hit, den Joan Baez‘ mit einem Cover von seinem Song „There But For Fortune“ hatte.

Politischer Aktivist

Phil Ochs, Copyright: Wikimedia Commons

Gleichzeitig blieb sich Ochs als politischer Aktivist treu, demonstrierte gegen den Vietnam-Krieg, war Mitbegründer der politisch linke  Youth International Party (Yippies) und engagierte sich für den linken demokratischen Präsidentschaftsbewerber Eugene McCarthy. Doch die Ermordung Martin Luther Kings und Robert Kennedys sowie die Wahl von Richard Nixon zum US-Präsidenten führten zu einer großen depressiven Krise.

Fortan versuchte er Anfang der 1970er sich mehr zur Countrymusik und zum frühen Rock’n’Roll hin zu orientieren. Möglicherweise war dies auch eine Reaktion auf Dylans Countrymusik und dessen Preisen des Landlebens. Er trat im Glitzeranzug auf und ließ sich von einer Band begleiten und mischte musikalisch Elvis Presley mit Merle Haggard. Letztlich auch ohne Erfolg. Was ihn seelisch noch weiter belastete. Er verfiel Depressionen und dem Alkohol, war aber weiter politisch aktiv, u.a. begeisterte er sich für Salvadors Allendes Chile und freundete sich mit Victor Jara an.

Trotz all seiner psychischen Schwierigkeiten schaffte er es, immer wieder einmal gute Songs zu schreiben wie „Here’s To The State Of Richard Nixon“, als der Präsident im Strudel des Watergate Skandals unterging. Ochs reiste zu der Zeit viel im Ausland umher und wurde 1973 in Tansania Opfer eines Raubüberfalls. Er behielt davon einen bleibenden Schaden an den Stimmbändern zurück. Für den Überfall machte Ochs die CIA verantwortlich. Nun war er aber nicht nur psychisch beeinträchtigt, auch physisch, seine Stimmvermögen war eingeschränkt.

Im selben Jahr putschte das Militär in Chile und sowohl Allende als auch Victor Jara kamen ums Leben. Wieder ein traumatisches Erlebnis für Ochs. Er organisierte ein großes Benefizkonzert für die Menschen in Chile, an dem am 11. Mai 1974 u.a. Pete Seeger, Arlo Guthrie und Bob Dylan teilnahmen. Und auch an der großen Kundgebung zum Ende des Vietnamkrieges am 30. April 1975 nahm er teil und sang mit Joan Baez sein „There But For Fortune“ und solo „War Is Over“.

Tragisches Ende

Doch trotz dieser Lichtblicke war Ochs bereits zu sehr den Depressionen und dem Alkohol verfallen. In diesem Sommer legte er sich eine neue Identität zu, begründet mit kruden Theorien. Ein weiteres Mal war es Bob Dylan, der ihn enttäuschte, als er ihn nicht mit auf seine Rolling Thunder Revue mitnahm, obwohl sie im Sommer 1975 wieder öfters aufeinander trafen. Aber es ging einfach nicht. Ochs war am Ende, psychisch derangiert und eine Gefahr für sich und andere, da er immer wieder Schlägereien provozierte.

Im Januar 1976 zog er zu seiner Schwester Sonny, eine bipolare Störung wurde bei ihm festgestellt und er dämmerte lethargisch vor sich. Am 9. April 1976 schließlich erhängte er sich.

Mit Phil Ochs starb einer der talentiertesten und wichtigsten amerikanischen Singer-Songwriter. Seine Geschichte ist tragisch und es ist wichtig, dass er und seine Musik nicht in Vergessenheit geraten.

Copyright: Disappear Fear

Sonia Rutstein würdigt Phil Ochs

Eine interessante Volte der Musikgeschichte ist wohl dabei, dass die Künstlerin, die vielleicht heutzutage mit am meisten dafür sorgt, dass Ochs nicht vergessen wird – Sonia Rutstein aka „SONiA disappear fear“ – eine Cousine von Bob Dylan ist. Ochs ist Ihr Held und ihre Songwriter-Inspiration. Sie veröffentlichte zum 4. Juli 2011 ein Album mit 10 Songs von Phil Ochs mit ihrer Band Disappear Fear unter dem Titel „Get Your Phil“. Phils Schwester Sonny Ochs hat SONiA als „einen der größten Interpreten von Phil Ochs“ bezeichnet.

Ihren Helden Phil Ochs ehrt sie nun auch an seinem 80. Geburtstag, am Samstag, 19. Dezember. Sie wird ab 19.15 Uhr EST (Sonntag, 20. Dezember, 2.15 Uhr MEZ) live auf Facebook streamen und über den Einfluss von Phil Ochs auf ihre eigene Arbeit sprechen. Fans können eine Live-Aufnahme eines seiner Songs im Studio miterleben. Zu SONiA stoßen zudem ihre Schwester Cindy Rutstein sowie Tony Correlli.

SONiA Disappear Fear – Tribute für Phil Ochs“ ist zu sehen und zu hören auf: https://www.facebook.com/disappear.fear

Phil Ochs: I Ain’t Marching Anymore:

Phil Ochs – There But For Fortune:

SONiA disappear fear sings Phil Ochs‘ „Changes“: