The Wallflowers sind zurück

Jakob Dylan überzeugt mit Songwriting und erprobtem musikalischen Konzept

Copyright: New West Records

Ganz ohne Dylan geht es hier wohl doch nicht. Diesmal im Blickpunkt: Jakob Dylan. Fast zehn Jahre gab es keine neue Musik seiner „Wallflowers“. Die Band von Jakob Dylan hatte 2012 mit „Glad All Over“ ihr letztes Album veröffentlicht. Nun erscheint am 9. Juli das neue Album „Exit Wounds“.

Doch was hier als „Wallflowers“ auftritt, hat mit der Besetzung, die noch 2012 wenigstens in Teilen der Urbesetzung entsprach, nichts mehr zu tun. Dylan sieht das nicht als ungewöhnlich an: „Die Wallflowers waren immer für mich ein Vehikel, um großartige Rock’n’Roll-Platten zu machen“, sagt er. „Und manchmal lässt das Line up die Platte in die Tourneen übergehen, und manchmal nicht. Aber meine Absicht ist immer die Wallflowers-Platte zu machen, die ich machen möchte, mit den Musikern, die ich neben mir habe.“ Klare und ehrliche Sache: Die Wallflowers sind Dylans Projekt und er setzt es mit denen um, die er will.“

Die Wallflowers sind Jakob Dylan

Und ganz klar sind das Songwriting und der musikalische Ausdruck der Wallflowers, Dylans Schöpfung. Wenn er Rockmusik spielen will, dann trommelt er Musiker als „Wallflowers“ zusammen. Wenn er sich musikalisch anders ausdrücken will, dann spielt er die Solo-Karte wie bei seinem wunderbaren „Women + Country“ aus dem Jahr 2010. Oder bei seinem 2018er Filmpojekt zur Laurel Canyon-Szene und dem dazugehörigen Soundtrack, bei dem er mit vielen Künstlern zusammengearbeitet hat, klassisch und zeitgenössisch, von Neil Young und Eric Clapton bis hin zu Beck und Fiona Apple.

Mag sein, dass dieses Vorgehen als Individuum und unabhängiger Künstler zum Thema und Titel „Exit Wounds“ beigetragen hat. Dylan drückt es so aus: „Niemand ist heute derselbe, der er vor vier Jahren war. Das ist für mich das, was Exit Wounds bedeutet. Und es ist überhaupt nicht negativ gemeint. Es bedeutet nur, dass Du überall, wo Du hinwillst, auch an einen besseren Ort, Menschen und Dinge hinter Dir lässt, und Du denkst an diese Leute und an diese Dinge und trägst sie mit dir. Jene sind deine ‚Austrittswunden‘.“

Verlorene und verstörte Seelen

Die Songs von „Exit Wounds“ werden von vernarbten Seelen bevölkert, die „gewöhnlich rumpelten, und brüllten“, von „Nobodies, die Bier trinken“ und diejenigen, die „im Stich gelassen und ausgesperrt und gezwungen wurden durch das Feuer zu gehen“. Viele Bilder, die Dylan hier benutzt drücken Alleinsein, Verlorenheit und Verstörung aus. Dylan will wie alle Songwriter seine Songs nicht erklären und leugnet ganz gemäß der Familientradition auch jegliche politische Ausrichtung seiner Songs. Doch wer die Worte hört und die Bilder deutet, der merkt, dass Dylans Texte sehr wohl eine Reaktion auf die Lage in den USA zwischen Spaltung, Pandemie und Trump sind. Eben lyrisch und individuell und nicht politisch-programmatisch.

Musikalisch ist es bestes Wallflower-Format. Entpannter laid-back-Rock, mal mehr, mal weniger Roots-orientiert. Anspieltipps: „Maybe Your Heart’s Not In It No More“, „Roots And Wings“, „I Hear The Ocean (When I Wanna Hear Trains)“ und das großartige „Darlin‘ Hold On“ im Duett mit Shelby Lynne.

Jakob Dylan bereitet sich durch die Reinkarnation der Wallflowers wieder eine Rockbühne. Wohl wissend, dass er längst mehr und größer ist als die Wallflowers. Einer der interessantesten und komplexesten amerikanischen Singer-Songwriter.