Trump ist eine Gefahr. Auch für Bob Dylans Amerika.
Seit 2009 betreibe ich diesen Blog über Bob Dylan und Americana. Immer wieder hat er auch der Selbstverständigung darüber gedient, wie ich auf dieses Land blicke. Ich habe darüber geschrieben, wie Bob Dylan meine Beschäftigung mit der amerikanischen Kultur beeinflusst hat. Der Kultur des anderen Amerika – also des gesellschaftskritischen Folks, der Rockkultur, der Beatniks, der Bürgerrechtsbewegung – aber auch all der weiteren Facetten von Amerika wie Entertainment, Kino, Literatur und Sport. Und natürlich der Geschichte dieses Landes, zu der Sklaverei und die Verbrechen an der indigenen Ureinwohnerschaft ebenso gehören, wie Zufluchtsort und Hoffnungsstätte für alle zu sein, die nach Gerechtigkeit, persönlichem Glück und Demokratie streben.
Bob Dylan war nie in wirklichem Sinne politischer Aktivist. Kurze Zeit fanden sein künstlerischer Ausdruck und die politische Bewegung der Stunde zusammen. Dann löste er sich davon. Ein unpolitischer Künstler ist er dennoch nie gewesen. Von „Maggies Farm“ bis „Workingman‘s Blues #2“ hat er immer wieder auch über gesellschaftliche Mechanismen, Machtverhältnisse und Entwicklungen geschrieben. Und dies immer wieder mit Empathie für die Menschen.
Bob Dylan ist als Sohn jüdischer Eltern in der jüdischen Diaspora in Minnesota groß geworden. Seine Großeltern sind Anfang des 20. Jahrhunderts vor antisemitischen Pogromen aus Russland geflohen. Zwei Jahrzehnte später wird Bobs Vater Augenzeuge des Lynchmordes an drei schwarzen Zirkusarbeitern in Duluth. Wir können davon ausgehen, dass das Thema in der Familie Zimmermann war. Die Jewish Community war vor Nation Of Islam und Black Panters – wegen der Palästinafrage ging man dann auf Distanz – quasi „natürlicher“ Bündnispartner der Black Community. Denn Rassismus und Antisemitismus tauchen stets zusammen auf und der Ku-Klux-Klan – Trumps Vater war Mitglied – ist seit jeher auch stark antisemitisch ausgerichtet.
So waren es vor allem auch jüdische Amerikaner, die den schwarzen Amerikanern im Entertainment die ersten beruflichen Chancen gaben. Und unter den weißen Aktivisten in der frühen Bürgerrechtsbewegung waren auch immer viele jüdischen Glaubens. Bob Dylan steht Zeit seines Lebens der Black Community nahe und pflegt die unterschiedlichsten Kontakte zu schwarzen Menschen.
Kritiker haben Bob Dylan vorgeworfen, keinen Anti-Trump-Song veröffentlicht zu haben. Das zeugt natürlich von einer beträchtlichen Nichtkenntnis des Künstlers. Dylan hat nie Interesse daran gehabt, direkte Protestsongs gegen einzelne Politiker zu schreiben. Songs wie „It’s Alright Ma“, „All Along The Watchtower“ oder „Hurricane“ – ungeachtet ihrer doch sehr unterschiedlichen Konkretheit – liefern – siehe oben – stattdessen einen guten Einblick in gesellschaftliche Verhältnisse. Und das poetisch mit Bildern, Vergleichen und Wendungen. Und nicht mit Zeigefinger-Lehrsätzen.
Auch wer heute genau hinhört bzw. in die Texte schaut, der findet auch in „Murder Most Foul“ oder „False Prophet“ Bilder und Andeutungen, die die Zeitläufte schildern. Und als hätte es noch eines Beweises bedurft, wo Dylan steht, hat er dem australischen Musiker Mike McClellan für seinen Trump-kritischen „Letter To America“ die Verwendung seiner Textzeile „It’s not dark yet, but it’s getting there“ gestattet.
Für Bob Dylan ist die Autonomie des Individuums und auch die des Künstlers ein hohes Gut. Er lässt sich weder zu Aussagen drängen, die man von ihm erwartet, noch möchte er Menschen direkt politisch beeinflussen. Aber auch Bob Dylan leidet an dem Horrorclown im Weißen Haus und hadert mit ihm. Denn dieser Präsident steht nicht nur dem anderen Amerika diametral gegenüber. Denn sein Amerika ist ein bigottes, engstirniges und rassistisches Amerika. Er und seine Freunde lehnen rundweg jegliches liberale und weltoffene Amerika ab. Trump steht für ein Amerika, dem in Hollywood stets zu viele Liberale den Ton angegeben haben, nach denen die Hexenjagd der McCarthy-Ausschüsse richtig war, nach denen es die Jim Crow-Gesetze heute noch geben würde und auch keinen New Deal und auch erst recht nicht die 1960er und 1970er Jahre.
Trump und seine Freunde wollen keine gleichen Chancen und Rechte für Weiße und Schwarze und People Of Color. Sie wollen die Rechte der Frauen wieder zurückdrehen. Einwanderung verhindern. Sie wollen keinen Klimaschutz. Sie vertreten die Interessen politisch rechtsextremer Superreicher, der alten Industrien und der evangelikalen Christen. Sie gewinnen den Rückhalt der Modernisierungsverlierer und der Abstiegsverängstigten indem sie die Karte der weißen angelsächsischen männlich geprägten Gemeinschaft spielen. Daher sind Trump und seine politische Bewegung die ganz reale faschistische Gefahr für Amerika. Und damit auch eine Gefahr für das Amerika, das wir schätzen und lieben, auch für das Amerika Bob Dylans.
Und daher haben wir am letzten Wochenende in Darmstadt die „Love Songs For The Other America“ gespielt. Wir alle – darunter einige US-Amerikaner im Künstlerkreis und im Publikum – hoffen und bangen mit Amerika. Wobei es scheinbar immer realer wird, dass dieser US-Präsident eine Abwahl nicht anerkennen wird. Dass er für Chaos sorgen wird, dass er ihm verpflichtete rechtsextreme paramilitärische Organisationen zur Gewaltanwendung ermuntern wird.
Es spricht also vieles dafür, dass mit Ablauf des Wahldatums die Verhältnisse in Amerika keineswegs geklärt sind. Dieser Präsident und die mit ihm verbundenen Interessensgruppen wollen das demokratische System in den USA und den Staat aushöhlen, damit sie ungestört und unkontrolliert ihre Profite im umwelt- und menschenverachtenden „Hire und Fire-Kapitalismus“ machen können und weiter die Botschaft verbreiten, dass Geld verdienen das beste Mittel sei, um von Gott geliebt zu werden.
Die weitere Entwicklung der USA wird uns alle, die wir mit Amerika verbunden sind, weiter beschäftigen. Ich werde auf diesem Blog daher – egal wie die Wahl am 3. November ausgehen wird – weiterhin immer wieder auch meine politischen Anmerkungen zur Lage des Landes machen. Das speist sich sowohl aus meinem Selbstverständnis als Musikjournalist und Politikwissenschaftler, als auch ganz einfach aus dem Fakt: Amerika ist ein Teil von mir geworden, daher habe ich immer ein Auge auf die politischen Umstände dort.
Mike McClellan – Letter To America: