Einfach zurück in die Zeit vor Trump wird nicht reichen, um die Spaltung der USA zu bekämpfen – Darmstädter Americana-Reihe bleibt dem anderen Amerika verbunden
Seit Frühjahr 2016, seit dem Auftritt von SONiA Disappear Fear während des US-Vorwahlkampfs hat sich die Darmstädter Americana-Reihe gegen Donald Trump positioniert. Erst recht mit dem großen Konzert „Love Songs For The Other America“ am Vorabend der Inauguration von Trump oder der Neuauflage kurz vor der jetzigen Wahl. Aber auch mit den weiteren Auftritten von SONiA oder den großen Tribute-Abenden für Woody Guthrie, Pete Seeger und Bob Dylan oder dem Konzert von Tim Grimm – die Americana-Reihe war und ist auf Seiten des „anderen Amerika“. D.h. wir haben uns nicht nur gegen Donald Trump positioniert, sondern auch gegen die strukturellen Ursachen, die zu seiner Präsidentschaft geführt haben.
Die Wahl Joe Bidens, so hat es Alexandria Occasio-Cortez sinngemäß gesagt, habe für das „Überleben“ der Demokratie in den USA gesorgt. Doch die enormen Widersprüche und die diversen Spaltungen im Land, die sich in den letzten Jahrzehnten in fast schon bizarrer Weise entwickelt haben, haben auch die Demokraten mit zu verantworten. Die Reagonomics, die vollständig mit der Tradition von „New Deal“ und „Great Society“ gebrochen hatten, wurden von den demokratischen Präsidentschaften nie grundsätzlich in Frage gestellt. Im Gegenteil. Clinton – wie Blair und Schröder auch – erkannten den Neoliberalismus als bestimmende Kraft an. Und noch in der Finanzkrise machte Obama die Böcke aus der Wall Street zu seinen Gärtnern. All das hat auch zu einer Entfremdung der blauen Wählerschaft von ihrer Partei beigetragen. Die Demokraten waren hip an der West- und Ostküste, doch die Leute im Rust Belt, im Heartland, im Süden – die überließ man ihrem Schicksal.
In diese offene Flanke drang Trump 2016 ein und auch 2020 hat er hier weiterhin Stimmen bekommen. Sicher, einem Großteil der Trump-Anhänger geht es gut, die fühlten ihre Interessen und Privilegien sind bei Trump als „Geschäftsmann“ bestens aufgehoben. Es gibt aber auch welche, die sind schon im sozialen Abstieg begriffen oder haben Angst vor ihm, die haben Trump als denjenigen identifiziert, der ihnen helfen will. Natürlich will er das nicht. Diese Menschen, seine Anhänger, sind für ihn nur Verfügungsmasse, um Macht ausstrahlen zu können. Er gibt ihnen Hass, keine Hoffnung. Und pflanzt ihnen ein, wer alles schuld an ihrer Misere sei: Die Latinos, die Demokraten, die Medien, die Schwulen, die Antifa, die zickigen Frauen.
Der US-Kapitalismus und das politische System der letzten 40 Jahre haben Gewinne privatisiert, den Reichen Steuern geschenkt, Silicon Valley und Wall Street immer gieriger werden lassen und die Betroffenen des industriellen Strukturwandels im Regen stehen lassen. Mangelnde soziale Perspektiven, Bildungsarmut, Drogenseuchen, fundamentalistischer Glauben und Verschwörungserzählungen haben beträchtliche Teile des armen weißen Amerika zu willfährigen, instrumentalisierbaren Handlangern der rechtskonservativen, demokratiefeindlichen Kreise werden lassen.
Die Versöhnung, die jetzt vonnöten ist, muss konkrete Infrastrukturangebote – in grünen Technologien? – für die abgehängten Regionen beinhalten. Sie muss die Besserverdienenden und Konzerne an ihre Verantwortung erinnern, muss Konzernmacht einhegen und den öffentlichen Sektor wieder ausbauen. Es braucht einen Green New Deal. Und der muss gut kommuniziert werden. Die Aufgabe ist umso schwerer, da man in diesem Moment des Sieges nicht so recht weiß, wohin die Republikaner und Trump wirklich wollen.
Ein hartes Stück Arbeit liegt vor Joe Biden, Kamala Harris und den Demokraten. Und das können sie nur – und das sei der Parteiführung ins Stammbuch geschrieben – wenn sie geschlossen agieren und die Gründe für den Niedergang exakt analysieren. Amerika muss sich verändern, wenn es bleiben will. Schluss mit zentralen Lebenslügen und Anknüpfen an die positiven Traditionen des Landes – Franklin D. Roosevelts New Deal! – sind die Gebote der Stunde.
Ein Etappensieg ist erreicht. Trump ist abgewählt. Die Americana-Reihe wird weiterhin die Love Songs für das andere Amerika spielen. Amerika bleibt der Sehnsuchtsort, bleibt unser musikalisches Zuhause. Americana unsere Lieblingsmusik. In diesem Sinne wird es zu gegebener Zeit auch Neues zur Americana-Reihe geben.