The Story of Bobby and Vickie

Die schwarze Jazz-Sängerin Victoria Spivey ermöglicht Bob Dylan frühe Aufnahmen als „Sideman“ im Plattenstudio/ Zusammenspiel mit seinem Idol Big Joe Willliams

Thomas mit dem Bild von Bobby und Vickie, Foto: Cowboy Band Blog

An dieser Stelle habe ich jüngst einiges zum 50 Jahre alten Album „New Morning“ geschrieben. Nur ein wichtiges Thema fehlte, so die Meinung von manchem Leser: Victoria Spivey. Die Frau, die auf der Rückseite des Plattencovers mit dem jungen Dylan zusammen abgebildet ist. Er schaut pausbäckig und scheinbar schüchtern in die Kamera, während sie fast schon mütterlich stolz auf ihn blickt. Fotografiert hat hier Len Siegler und irgendwie fiel das Bild 1970 Dylan in die Hände und in der typischen Dylan-Manier sagte er später, dass er „New Morning“ nur wegen des Bildes in Angriff genommen hätte. Er musste Musik produzieren, um dieses Bild als Umschlagbild veröffentlichen zu können. Typisch alter Verwirrkopf!

Da ich bei meinem „New Morning“-Artikel nun einen anderen Schwerpunkt hatte, mich aber das Thema selber interessiert, da es in meinen derzeitigen Forschungsschwerpunkt passt, erzähle ich hier also nun nachträglich die Geschichte von Victoria Spivey und Bob Dylan.

Bobby weckt mütterliche Instinkte

Als der junge Bobby Anfang 1961 im Winter nach New York kam, da war er nicht nur ein wissensdurstiger, lerneifriger junger Folksänger, sondern auch ein Typ, der wohl alle mütterlichen Instinkte bei Frauen abrief. Er wirkte zwar stets voller wilder Energie, aber dabei auch stets etwas scheu und unbeholfen. Das sprach später nicht nur Suze Rotolo und Joan Baez an, sondern bereits vorher auch die Jazz- und Bluessängerin Victoria Spivey.

Spivey, 1906 geboren, war damals Mitte Fünfzig und empfänglich für Bobbys Charme. Sie lernten sich 1961 im Greenwich Village in Gerde’s Folk City kennen. Da war Vickie, wie Dylan sie nannte gerade wieder in die Öffentlichkeit zurück gekehrt, nachdem sie einer großen Karriere auf Tonträgern, Bühnenshows und film Anfang der 1950er den Rücken gekehrt hatte und einen Kirchenchor leitete. Im Zuge des Folkrevivals wurde sie wieder entdeckt und sie belebte ihre Karriere neu. Man kann sich gut vorstellen, welch besonderen Status Victoria in der linken Künstlerszene des Village innehatte.

Für Dylan wiederum, der Musik und insbesondere alte Blues- und Folk-Aufnahmen gerade aufsog, war die Bekanntschaft und das Vertrauensverhältnis zur mütterlichen Freundin  Victoria Spivey natürlich eine große Sache. Und in diesem menschlichen Verhältnis spielte die Hautfarbe überhaupt keine Rolle. Lassen wir die beiden doch einmal über einander in eigenen Worten erzählen, so wie man es in Michael Grays Bob Dylan-Enzyklopädie lesen kann: „Er war das süßeste Kind, das du jemals treffen möchtest. Nur ein Bündel nervöser Energie. Er würde sagen, ‚Mütter, diese Mütter, diese Mütter, die immer versuchten, meine Aufmerksamkeit zu erregen‘. Er war eine Puppe. Ich war damals so stolz auf ihn, weil er wirklich ein Talent hatte, das gerade bereit war zu explodieren. Und hat es geschafft! Nur ein paar Jahre später war er auf dem Weg, ein Weltidol auf seinem Gebiet zu werden“, schwärmte Vickie 1965 über ihn.

Und noch 1985 dankte Dylan seiner Förderin:  „… oh Mann, ich habe sie geliebt … ich habe so viel von ihr gelernt, dass ich es nie in Worte fassen könnte.“

Mit Spivey und Big Joe Williams im Studio

Copyright: Doxy Records

Bob Dylans erste Studioaufnahmen sind datiert auf den September 1961, als ihn Carolyn Hester ins Studio einlud. Im November 1961 nahm er dann sein Debütalbum auf. Doch die Sessions im Februar und März 1962 erweiterten seinen musikalischen und kulturellen Horizont sicher noch ein bisschen mehr. Beide Male spielte er Mundharmonika. Am 2. Februar nahm er mit Folkstar Harry Belafonte den Song „Midnight Special“ auf und nur einen Monat später fand er sich im Studio mit seiner  Freundin Vickie sowie einem seiner Blues-Idole, Big Joe Willams, wieder. Die nahmen mit Roosevelt Sykes und Lonnie Johnson das Album „Three Kings and the Queen“ auf. Dylan nahm am 2. März an den Sessions teil und aufgenommen wurden:

1. Sittin’ On Top Of The World (Big Joe Williams)

2. Wichita (Big Joe Williams)

3. Big Joe, Dylan And Victoria (Big Joe Williams)

4. It’s Dangerous (Victoria Spivey)

Dylan sang hier auch noch zusätzlich Background Vocals ein. Die ersten beiden Songs erschienen auf dem Spivey-Album „Three Kings and the Queen“ im Oktober 1964, Nummer drei du vier erst auf „Three Kings and the Queen – Volume 2“ im Juli 1972. Die Platten sind vom Label Doxy Records vor ein paar Jahren auf Vinyl wieder veröffentlicht worden.

Copyright: Doxy Records

Für Dylan eine der besten Platten unter seiner Beteiligung

Und Big Joes und Little Bob harmonierten prächtig, wie sich Vickie erinnerte: „Und haben die gut zusammen gespielt! Als wären sie 50 Jahre zusammen! ‚Komm schon Big Joe Little Junior, spiel deine Harp!‘ Auf diese Weise gab Big Joe Bob stolz das Stichwort, bei einem der Titel „abzuheben“. Ja, das war Bob, bevor die Dame Fortuna ihn für sein großes Talent belohnte.“

Und auch Dylan ist der Meinung, dass eine der besten Aufnahmen gewesen sei, an denen er jemals beteiligt war. Und er sagt in seiner typischen Art, fast schon ungläubig: „Ich denke, eine der besten Platten, an denen ich jemals teilgenommen habe, war die Platte, die mit Big Joe Williams und Victoria Spivey aufgenommen wurde. Das ist eine Platte, die ich von Zeit zu Zeit höre, und es macht mir nichts aus, sie anzuhören. Es wundert mich, dass ich dort war und das getan habe. “