Nina Simone

Black History Month I: Die große Grenzgängerin zwischen Jazz, Blues, Pop und Folk war eine tragische Heldin, hielt viel von Dylans Musik und spielte kongeniale Cover

Nina Simone 1965, Copyright: http://www.commons.wikimedia.org

Anlässlich des Februars als „Black History Month“, wie er in den USA und Kanada begangen wird, werde ich in diesem Monat in meinen Beiträgen wichtige afroamerikanische Künstlerinnen und Künstler vorstellen, die stets auch eine besondere Beziehung mit Bob Dylan verbindet. Zum Auftakt freut es mich sehr, hier endlich einmal der großen Nina Simone den Platz einzuräumen zu können, den sie verdient.

Aus armen Verhältnissen über Umwege zum Erfolg

Nina, die am 21. Februar 1933 in Tryon/North Carolina als Eunice Kathleen Waymon zur Welt kommt, stammt aus ganz ärmlichen Verhältnissen. Ihre Mutter ist Methodistenpredigerin, ihr Vater Handwerker. Da ist es schon ein wunderhafte Volte ihres Lebens, dass sie mit vier Jahren beginnt, Klavier zu spielen und ein Lehrer ihr Talent entdeckt und ihr hilft, ein Stipendium für das Musikstudium an der renommierten Juilliard School of Music in New York zu bekommen. Doch für ein armes, schwarzes Mädchen vom Land blieb der Weg zur klassischen Pianistin versperrt. So ging sie den Weg von vielen schwarzen Musikerinnen und Musikern, die gezwungen waren, in Nachtclubs Musik zu machen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Nina, die sich ihren Künstlernamen von der Schauspielerin Simone Signoret entlehnt, ist zäh, kämpferisch und voller Charisma. Ihre stets expressive Performance, ihre ungewöhnliche Repertoire-Mischung aus Jazz, Blues, Folk, Pop und Soul rücken sie schon bald in den Fokus von Plattenlabeln und 1957 macht sie ihre ersten Aufnahmen. Ihren ersten Hit hat sie 1958 mit einem Stück aus George Gershwins „Porgy and Bess“, mit dem Titel  “I Love You, Porgy”.

Mit dem Wechsel zur Plattenfirma „Philips Records“ beginnt ihre erfolgreichste Zeit. Sechs Alben nimmt sie in neu drei Jahren (!) auf: „Nina Simone In Concert“, „Broadway-Blues-Ballads“, „I Put A Spell On You“, „Pastel Blues“, „Let It All Out“, „Wild Is The Wind“ und „High Priestess Of Soul“.

Gesellschaftskritische Songs und Interesse an Bob Dylans Musik

Neben auch kommerziell erfolgreichen Hits wie „My Baby Just Cares For Me“, „Don’t Let Be Misunderstood“ oder „I Put A Spell On You“ und „One Night Stand“ veröffentlicht sie auch gesellschaftskritische Songs, die heute Klassiker sind: „Mississippi Goddam!“, „To Be Young, Gifted and Black“ oder „Sunday In Savannah“. Sie setzt sich aktiv für die afroamerikanische Emanzipation ein und begeistert sich für die Songs von Bob Dylan.

Bob Dylan sprach über Nina Simone in seiner legendären „MusiCares Speech“ von 2015: „Nina Simone. Ich habe sie in New York City im Nachtclub Village Gate getroffen. . Sie hat einige meiner Songs aufgenommen, die sie direkt von mir gelernt hat, als sie in einem Ankleidezimmer saß.“

1965 erscheint ihre Version von „The Ballad Of Hollis Brown“ auf dem Album „Let It All Out“. Ihr Album „To Love Somebody“ aus dem Jahr 1969 enthielt ihre Interpretationen von „Just Like Tom Thumbs Blues“, „I Shall Be Released“ und „The Times They Are A-Changin“. Zwei Jahre später nahm sie „Just Like a Woman“ auf. Mit ihrer Energie, und ihrem erdigen Gesang macht sie jeden Song  zu ihrem eigenen. Gerade auch bei „I Shall Be Released“ ist das zu erkennen, der sehr wohl religiös als auch gesellschaftspolitisch zur Lage der Schwarzen in Amerika gedeutet werden kann. Und vielleicht am stärksten bei ihrer Version von „The Ballad Of Hollis Brown“. Wo Dylans Performance abgeklärt über das Schicksal von Hollis Brown berichtet, schlüpft Nina Simone gleichsam in die Erzählung hinein und verschmilzt das mit ihrem eigenen Hintergrund, so dass der Song an Tiefe, Umittelbarkeit und Bitterkeit gewinnt und die Tragödie auf die Spitze getrieben wird.

In seiner Rede sagte Dylan dann weiter, er könnte „Oh, Lord, Please Don’t Let Me Be Misunderstood” aufnehmen, und spielte natürlich damit auf Ninas “Don’t Let Me Be Misunderstood an.

Copyright: RCA/Legacy

Resignation und Rückschläge

Doch Nina resigniert Anfang der 1970er und bezweifelt, dass sich die Lage für die Schwarzen in Amerika je verbessern wird. Auch privat muss sie Rückschläge erleiden Nachdem sie sich von ihrem Mann und Manager Andrew Stroud getrennt hatte – hier soll Gewalt in der Ehe ein Grund gewesen sein – kehrt sie 1974 den USA den Rücken. Sie hat eine Affäre mit dem Premierminister von Barbados, versucht in Afrika Fuß zu fassen und unternimmt Europatourneen. Sie wirkt immer zerrissener und zielloser, wird 1978 in den USA wegen Steuerhinterziehung festgenommen – sie hatte aus Protest gegen den Vietnam-Krieg keine Steuern bezahlt – und bekommt den Stempel „Schwierig“ auf die Stirn gedrückt.

1987 wird ihr 30 Jahre alter Hit “My Baby Just Cares For You” für einen Chanel-Parfüm-Werbespot benutzt nochmals zum großen Welthit. Doch die neue Aufmerksamkeit zahlt sich aufgrund ungünstiger alter Verträge so gut wie gar nicht für sie aus. Doch Musik von ihr wird für Filme und Remixe benutzt, sie bekommt Klassiker-Status. Ihr letztes reguläres Album erscheint 1993. In diesem Jahr lässt sie sich in der Nähe von Marseille nieder. Sie verabschiedet sich krankheitsbedingt um die Jahrtausendwende  von der Bühne und stirbt im Jahr 2003 im Alter von 70 Jahren.

Es ist keine durchgehend schöne Geschichte, dieses Leben von Nina Simone. Sie litt unter Rassismus – sie konnte keine klassische Pianistin werden, also spielte sie in Nachtclubs. Damit ihre streng religiöse Mutter das nicht bemerkte, nahm sie einen Künstlernamen an. Als schwarze Frau wurde sie bei Verträgen in der Plattenindustrie stets übervorteilt, hatte privates Pech in der Ehe mit ihrem Mann und Manager und verlor die Hoffnung auf afroamerikanische Emanzipation.

Vermächtnis

Doch was künstlerisch geleistet ist kaum hoch genug einzuschätzen. Sie hat unsterbliche Songs geschrieben und gesungen. Sie hat mit ihrer Performance und ihrem Rollenverständnis als Künstlerin die Tür geöffnet für viele weibliche, schwarze Künstlerinnen. Letztlich ist sie im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Sexismus und Musikindustrie unglücklich geworden. Aber als starke und energische Sängerin und antirassistische Kämpferin wird sie unvergessen bleiben.

Nina Simone – Mississippi Goddam:

Nina Simone – My baby just cares for me

Nina Simone sings Hollis Brown:

Nina Simone sings „I Shall Be Released“: