Memphis Minnie, Ma Rainey und Alicia Keys

Black History Month II: Eine der fast schon mythischen Figuren der afroamerikanischen Populärkultur ist die schwarze Bluessängerin. Erinnerungen an die großen Bluessängerinnen Memphis Minnie und Ma Rainey und wie Bob Dylan sie in einem Song mit der R&B-Queen Alicia Keys verknüpfte.

Ma Rainey, Copryright http://www.commons.wikimedia.org

Anlässlich des Februars als „Black History Month“, wie er in den USA und Kanada begangen wird, stelle ich in diesem Monat in meinen Beiträgen wichtige afroamerikanische Künstlerinnen und Künstler vor, die stets auch eine besondere Beziehung mit Bob Dylan verbindet. Heute: Memphis Minnie, Ma Rainey und Alicia Keys.

Bluessängerinnen Im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Sexismus und Klassismus

Die schwarze Bluessängerin ist eine prototypische Figur der afroamerikanischen Populärkultur. Leidend im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Sexismus und Klassismus erschaffen diese Sängerinnen große Kunst. Im wirklichen Leben werden sie oftmals zu tragischen Figuren.

Memphis Minnie lebte von 1897 bis 1973. Sie wurde arm als eines von 18 Kindern in Lousiana geboren und sie starb verarmt in Memphis, Tennessee. Dazwischen eine Karriere, die sich aus Talent und zäher Selbstbehauptung speiste. Um zu überleben eignete sie sich recht männliche Verhaltensweisen an, wie Tabak kauen oder Auseinandersetzungen mit Fäusten und Waffen. Zusammen mit ihren Fähigkeiten in Musik und Performance wurde sie so in den 1930er und 1940er Jahren zu einer der zentralen Figuren in der Blues-Szene in Chicago. Doch das extensive Leben fordert seinen Tribut. Ihre Gesundheit schwindet, sie kann nicht mehr auftreten und erleidet einen Schlaganfall. Sie ist auf Sozialhilfe angewiesen und stirbt nach einem weiteren Schlaganfall in einem Pflegeheim.

Memphis Minnie ehrt Ma Rainey

1940 widmet sie einen Song ihrem großen Vorbild Ma Rainey (geboren 1982 oder 1886), die als „Mutter des Blues“ gilt. Gertrude „Ma“ Rainey, geb. Pridgett, stammt aus Georgia und war eine der ersten professionellen Bluesmusikerinnen. Sie war die „Mutter“ der Bluesszene in den 1920 und 1930er Jahren in Chicago. Es war ihre Strategie, ganz mütterlich zu netzwerken, so dass viele bekannte Musiker mit Ihr befreundet waren. Ihre Performance war außergewöhnlich, so dass sie ziemlich gut verdiente. Sie war so geschäftstüchtig, dass sie, als sie 1935 nach Georgia zurückging, dort zwei Theater führte. Sie starb 1939 als reiche Frau an einem Herzinfarkt. Für damalige Verhältnisse eher ungewöhnlich, denkt man an ihre Kollegin Bessie Smith, mit der sie auch eine romantische Verbindung gehabt haben soll. Bessie starb 1937 nach einem Verkehrsunfall wegen der unzureichenden medizinischen Versorgung von Schwarzen. Eine schwarze Bluessängerin, die in den 1930er Jahren reich wird, das hat tatsächlich Seltenheitswert.

Memphis Minnie singt über Ma Rainey:

Memphis Minnie, Copyright http://www.commins.wikimedia.org

„I was thinking about Ma Rainey wonder where could Ma Rainey be

I been looking for her even been ’n old Tennessee

She was born in Georgia traveled all over this world

And she’s the best blues singer peoples I ever heard

When she made Bo Weavil Blues I was living way down the line

Every time I hear that record I just couldn’t keep from crying“

Bob Dylan ehrt Alicia Keys

Von diesen Versen ließ sich Bob Dylan – ganz typisch für seine Arbeitsweise in späteren Jahren – inspirieren, als er 2006 seinen Song „Thunder On The Mountain“ veröffentlicht und die damals 25-jährige R&B-Queen Alicia Keys dort mit diesen Zeilen namentlich erwähnt:

I was thinkin‘ ‚bout Alicia Keys, couldn’t keep from crying

When she was born in Hell’s Kitchen, I was living down the line

I’m wondering where in the world Alicia Keys could be

I been looking for her even clear through Tennessee

Alicia Keys wurde 1981 in New York als Alicia Augello Cook geboren. Aufgewachsen im damals recht gefährlichen Viertel Hell’s Kitchen, wurde sie weitgehend von Ihrer Mutter alleine aufgezogen. Nicht unbedingt die beste Sozialprognose für ein farbiges Mädchen. Doch anstatt wie andere in einer Drogenkarriere oder in der Prostitution zu enden, wie sie selbst gesagt hat, beendet sie die High School als Klassenbeste und bekommt ein Stipendium für eine Elite-Uni, wendet sich jedoch rasch ihrem großen Traum – der Musik – zu. Bereits mit ihrem Debütalbum steigt sie zum erfolgreichsten R&B-Act des Jahres 2001 auf und bleibt bis heute in einer einzigartigen Erfolgsspur.

Der düstere Song „Thunder On The Mountain“ handelt vom Mensch zwischen Gut und Böse und allem dazwischen und von der Hoffnung auf Erlösung. Alicia Keys stammt wie die frühen Bluessängerinnen Ma Rainey und Memphis Minnie aus wenig begüterten Verhältnissen, konnte sich aber in einem schwierigen Umfeld durchsetzen und mit der Musik dort hinauskommen. Dylan zeigt damit mehr als – wie so mancher alte weiße Mann vielleicht unterstellen mag – erotisches Gefallen an der damals 25-jährigen Keys. Nein, er stellt sie auf eine Stufe mit den großen Bluessängerinnen und sein Blick gilt der erfolgreichen Künstlerin, die ihren Weg aus der Misere fand. Sie steht für den alten Sänger gleichsam für die Hoffnung auf Erlösung.

Dylans Gespür für afroamerikanische Lebenslagen

Alicia Keys, Copyright http://www.commins.wikimedia.org

Dylan hat wie üblich natürlich selber nie erklärt, wie oder warum Keys zu einem wichtigen Teil von ‚Thunder On The Mountain‘ wurde. In einem Interview mit dem  Rolling Stone sagte er einmal, dass er nach einer Grammy Awards-Show mit Keys zu sich gesagt habe: „Es gibt nichts an diesem Mädchen, das ich nicht mag.“

Einige Jahre später revanchiert sich Alicia Keys mit einer besten der Dylan Cover-Versionen überhaupt. Sie wählt für die 2013er Dokumentation über die Muscle Shoal Studios in Alabama mit „Pressing In“ einen von Dylans Gospelsongs aus, den er dort für das Album „Saved“ aufgenommen hat. Sie macht daraus ein energiereiches Gospel-Soul-Stück.

Im letzten Jahr hat sie ihr siebtes Album veröffentlicht, auf dem in Zeiten von Polizeigewalt und Pandemie auch wieder gesellschaftskritische Töne angeschlagen wurden.

Dylan hat das Gespür die Lebenslagen der afroamerikanischen Lebenslagen. Farbig zu sein bedeutet eine lebenslange Hypothek. Memphis Minnie und Bessie Smith sind an Rassismus und Klassismus zugrunde gegangen. Ma Rainey und Alicia Keys sind mit diesem Druck einigermaßen fertig geworden und haben sich gesicherte Existenzen aufbauen können. Sie sind Sinnbilder afroamerikanischer Hoffnung und stehen für Dylan somit für die Hoffnung auf Erlösung.

Memphis Minnie sings Ma Rainey:

Bob Dylan sings Thunder On The Mountain

Alicia sings Bob Dylan’s Pressing On:

Alicia Keys & Patti Smith: