Als Bob Dylan gegen den Krieg lärmte

Vor dreißig Jahren: Bob Dylans Grammy-Aufritt am 20. Februar 1991 im Jahr seines 50. Geburtstages war bizarr, aber wohlkalkuliert, seine Konzert-Auftritte in dieser Zeit – wie beispielsweise in Offenbach im Juni – in besonderer Weise dramatisch. Nun wird Bob Dylan 80 Jahre alt und die Volkshochschule Darmstadt ehrt ihn bereits am 14. Mai.

Wir erinnern uns: Die 1980er Jahre waren nicht Dylans Jahrzehnt. Es war die Zeit von Ronald Reagan und Michael Jackson und Dylan legte merkwürdige Platten und grauslige Konzerte hin. Zwar waren „Oh Mercy“ und die „Traveling Wilburys“ wieder hörenswerte Produktionen, aber schon „Under The Red Sky“ war von der Kritik wieder nicht gut aufgenommen.

So war das öffentliche Wahrnehmung Bob Dylans und seine Rezeption auch im Folgejahr 1991 nicht die beste. Und das in seinem Geburtstagsjahr. Der ewige Sänger der protestierenden Jugend aus den 1960er Jahren wurde 50! Wie alt! Und er sah auch noch älter aus. Das Beste waren da noch die großartigen ersten drei Teile der Bootleg Series, das aber auch wieder für viele bedeutete: Ja, früher war Dylan noch gut.

Dylans bizarrer Grammy-Auftritt

In dieser vorherrschenden  Sichtweise war klar, dass Dylans Aufritt bei den Grammys im Februar 1991 ebenfalls vorschnell als desaströs bewertet wurde. Wir erinnern uns: Mitte Januar 1991 ziehen im zweiten Golfkrieg die USA mit ihren Verbündeten in den Krieg gegen den Irak. Im öffentlichen Leben der USA, insbesondere im Musik- und Showbusiness war Kritik am Krieg nicht gerne gesehen. Gleichzeitig war man bei der Recording Academy in Los Angeles, die die Grammys vergibt, wohl Dylan in seinem Geburtstagsjahr wohlgesonnen und sprach ihm einen Grammy für sein Lebenswerk zu. Mit zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal 50 Jahren!

Also trat ein wie schon beim Live Aid Desaster sichtlich überwältigt grinsender Jack Nicholson auf und lobhudelte über „Uncle Bobby“ und nannte Dylan „a riot“. Und Dylan fegte nach der Ansage mit seiner Band tatsächlich durch seinen Auftritt so wie ein „riot“ durch die Straßen fegt. Sein hingeknüppeltes „Masters Of War“ war seine Antwort auf die Operation „Desert Storm“. Er wollte, dass das so klingt. Nölig, weil er das immer noch singen muss, weil die Umstände sich immer noch nicht geändert haben. Und laut und krachig, um das Gala-Publikum zu verstören.

Doch war nur der erste Streich. Wer jetzt gedacht hätte, Dylan würde sich bei allen insbesondere seinen Eltern bedanken, der irrte sich. Dylan wirkte wie eine Mischung aus Buster Keaton, Charlie Chaplin und Woody Guthrie und spielte den ungelenken Hillbilly, der überall seine möchte in diesem Moment  – nur nicht auf der Bühne. Er tänzelte von einem Bein aufs andere, schaute mal stoisch, mal verwirrt und hielt ständig seinen Hut auf dem Kopf fest, als würde er im Sturm stehen. Und dann setzte er an:

„Nun, mein Vater, hat mir nicht viel hinterlassen. Sie wissen, er war ein sehr einfacher Mann. Aber was er mir sagte, war das. Er sagte:“ Mein Sohn…“ Es folgte eine lange Pause, Dylan schien zu grübeln, und um Worte zu ringen. Das Gala-Publikum lachte nervös. „Er sagt so viele Dinge, wissen sie“. Entspanntes Lachen, denn die Pointe kam genau auf den Punkt, ehe Dylan fortfuhr: „Er sagt, du weißt, dass es möglich ist, in dieser Welt so beschmutzt zu werden, dass dein eigener Vater und deine eigene Mutter dich verlassen und wenn das passiert, dann wird Gott immer an deine Fähigkeit glauben, deine Wege zu verbessern. “ Abtritt.

Kein Dank, keine versöhnliche Geste. Dylan hatte wieder einmal gezeigt, dass er sich nicht in vorgegebene Rahmen pressen lässt. Klar, dass es wieder viele gab, die sich über seinen Auftritt lustig machten oder ihm den Respekt vor diesem Preis absprachen. Etwas Ähnliches sollte sich da dann fast 25 Jahre später bei der Verleihung des Nobelpreises wiederholen. Dylan ist kein Mann für Preise und Festakte. Bestenfalls nimmt wer sie stoisch hin- so wie Überreichung der Medal Of Freedom durch Präsident Obama – oder er schickt wie beim Nobelpreis gleich Patti Smith als Vertretung.  

1991: Der Anfang neu entfachter Dylan-Begeisterung

Dieser Grammy-Auftritt war ein Akt ungebrochener Souveränität. Ebenso wie seine Konzerte in diesem Jahr, die ebenfalls viele ratlos hinterließen. Für den Schreiber dieser Zeilen war das Jahr 1991 aber das Jahr, in dem die Dylan-Begeisterung neu entfacht wurde. Denn Dylans Konzerte von 1991 – ich sah das am 19. Juni in Offenbach – bleiben in Erinnerung, weil jedes eine Art „Tour de Force“ war. Dylan wurde scheinbar auf die Bühne geschubst, war schwankend unterwegs und nutzte die ganze Bühnenbreite. Wenn man wie wir in Offenbach in der ersten Reihe stand, hatte man das Gefühl, er könne uns jeden Moment von der Bühne herunter in die Arme fallen. Dann ließ er die Band ewig das Intro zu New Morning spielen, bevor er endlich ans Mikro fand. Und dann dieser traurige Blick. Und das erste Drittel des Konzerts war überhaupt nicht gut. War da wirklich Alkohol im Spiel? Erst mit „Wiggle Wiggle“ schien er wirklich alles abgeschüttelt zu haben und fand zu guter Form, die dann mit einer großartigen Performance von „Don’t Think Twice, It’s Alright“ zu einer prächtigen Form wurde. Als hätte jemand den Schalter umgelegt. Am Ende war es dann ein zu Recht ein umjubeltes Konzert.

Doch es stellte sich hier die Frage, ob das nicht auch Inszenierung war. Dylan spielt uns in seinem Geburtstagsjahr den ausgebrannten und abgehalterten Rockstar vor. Nur um Ende scheinbar wieder die Oberhand über sein eigenes Konzert zu reklamieren und auch zu gewinnen. Dylan bleibt ein Trickster. Bot immer noch genug Stoff zum Nachdenken. So war ich erneut angefixt, entdeckte die Dylan-Welt neu und stieg in die Never Ending Tour ein.

Volkshochschule Darmstadt feiert Dylan bereits am 14. Mai

Nun, dreißig Jahre später, plane ich Veranstaltungen zum 80. Geburtstag von Bob Dylan. Ich habe schon seinen 70., seinen 75. und einige Geburtstage dazwischen mit Veranstaltungen gefeiert. Diesmal freue ich mich, Teil und Kooperationspartner einer Bob Dylan-Veranstaltung der Volkshochschule Darmstadt am Freitag, 14. Mai, zu sein. Mit dabei sind dann in der Bessunger Knabenschule u.a. Dan Dietrich, Klaus Walter und Martin Grieben. Mit Multimedia-Vorträgen und viel Livemusik wollen wir wieder uns einmal auf die Spuren des Phänomens Bob Dylan begeben. Wir gehen momentan weiterhin davon aus, dass zu diesem Zeitpunkt Veranstaltungen mit beschränkter Zuschauerzahl und Hygienekonzept wieder möglich sind. Alles weitere wird dann zu gegebenem Zeitpunkt kommuniziert.

Weitere Infos und Anmeldung zu dieser Veranstaltung unter:
http://www.darmstadt.de/vhs (Rubrik Kultur / Musik)

Die Grammy-Verleihung an Bob Dylan 1991: