Die schwierige Geschichte von Joanie und Bobby

Zu den 80. Geburtstagen von Joan Baez (9. Januar) und Bob Dylan (24. Mai). Wenn große Egos und unterschiedliche künstlerische Konzepte aufeinanderprallen. Seminare zum Thema bei der VHS Frankfurt am Main am 14. März und 2. Mai.

Bob Dylan und Joan Baez 1984, Copyright: http://www.commons.wikimedia.org

Es war wirklich schade um das Traumpaar des Folk. Das was sich da am 31. Mai 1984 im Stadion des FC St. Pauli ereignete, war nicht mehr und nicht weniger als die Wiederholung der Geschichte als Farce. Fast 20 Jahre nachdem Dylan und Baez musikalisch, menschlich und künstlerisch getrennte Wege gingen – was für viele eine Tragödie darstellte – war dieser Auftritt bei dem die eine klammerte, und der andere sich ständig entwinden wollte, nur noch von bizarrer, böser Komik.

Ich will an dieser Stelle die Umstände rund um die gescheiterte Reunion-Idee nicht noch einmal erzählen. Da haben die Zeit- und Augenzeugen Günther Amendt und Fritz Rau schon alles gesagt. Ich möchte im Jahr, in dem beide 80 Jahre alt werden, versuchen zu erklären, was da schief gelaufen ist und warum. Und da geht es mir nicht um Gossip oder übermäßiges psychologisieren. Nein, die künstlerischen Konzepte passten ab einem bestimmten Zeitpunkt einfach nicht mehr zusammen.

Dylan: Phantasiewelten, die  der Wirklichkeit zum Verwechseln ähnlich sehen

Als Dylan nach New York kommt, ergriffen von der Folkmusik von Odetta und Woody Guthrie, wird er durch Suze Rotolo politisiert und lernt Brechts Dramatik kennen. Aus der Woody Guthrie-Jukebox wird binnen ein paar Monate ein talentierter Singer-Songwriter. Seine Text sind poetisch, clever gebaut und schaffen Empathie für ihre Protagonisten. Bob geht es bis heute nicht darum, dass Geschichten wahr sind. Es geht ihm darum, dass man sie glaubt. Dass sie wahr sein könnten. Er versteht den Sänger nicht als musizierenden Erzähler echter und eigener Schicksale, sondern als singender Romancier und Lyriker, der Phantasiewelten so erschafft, dass sie der Wirklichkeit zum Verwechseln ähnlich sehen.

Authentizität ist keine künstlerische Kategorie. Daher ist auch sein Wille mit der Musik sich an die Spitze irgendeiner Bewegung zu stellen einfach nicht da. Er will als Künstler unabhängig, subjektiv und subversiv sein. Daher steckt auch in den Songs nach 1965 immer noch Gesellschaftskritik drin. Nur eben poetisch und nicht politisch-aktivistisch. Dass er dies mit immer neuen Masken macht, sich immer wieder neue Identitäten und Musikstile sucht ist, so Klaus Walter, „…die jüdische Kulturtechnik der Identitäts-Maskerade. Und im Zweifelsfall sagt er: nein Baby, ich bin nicht der, für den du mich hältst, ich ist ein anderer. Dylan betreibt Identitätsmaskerade“. (vgl. Judentum und Popmusik, http://www.faustkultur.de).

Baez: Die heilige Johanna der Folkmusik

Joan Baez stammt aus einer Quäkerfamilie. Zu deren Glauben gehört, dass jeder einzelne Mensch einen einzigartigen Wert hat, woraus sich die intensiven Bemühungen der Quäker verstehen lassen, Erniedrigung und Diskriminierung von Individuen und Gruppen zu verhindern (vgl. Wikipedia). So geprägt, entwickelt Joan Baez schon in jungen Jahren einen hohen moralischen Anspruch und ein starkes Engagement gegen das Unrecht in der Welt. Sie spielt wunderbar Gitarre, sie singt traumhaft klar, doch wie sie in „Diamonds and Rust“, ihrer Verarbeitung der Beziehung zu Dylan, zugibt: „My poetry was lousy you said“. Joan Baez ist keine große Songwriterin. Sie ist die Künstlerin der Interpretation. Während Dylan der Shakespeare ist, der seine eigenen Stücke schreibt, inszeniert, aufführt und darin mitspielt, ist Joan die Schauspielerin, die sich im Rollenfach der heiligen Johanna bestens eingerichtet hat, weil sie sich da immer selbst spielt.

Copyright: Ace Records

Doch um kein Mißverständnis entstehen zu lassen. Es ist eine große Lebensleistung von ihr, Songs unvergessen zu machen, indem sie sie in ihrer unnachahmlichen Weise interpretiert. Unzählige Songs hat sie auf diesem Wege veredelt. Besonders beeindruckend zuletzt noch Zoe Mulfords „The President Sang Amazing Grace“.

Joan Baez hat den moralischen Furor, der ihr die Kraft gibt, als singende politische Aktivistin dorthin zu gehen, wo es wehtut. Und sie hat die Autorität und die Glaubhaftigkeit dafür. Sie setzt ganz auf Authentizität. Und wird von ihrem Publikum dafür geliebt. Ihr Verständnis des Folk ist auf Pete Seegers Mitsingübungen gebaut. „Wir kämpfen zusammen und singen zusammen, denn das gibt Kraft zum Kampf“.

Doch Bob ist Poet, kein politischer Aktivist. Er kann das Songmaterial liefern, zu Waffen schmieden müssen sie andere. Wenn das überhaupt sinnvoll oder möglich ist. „With God On Our Side“ ist eine großartige, böse Analyse der amerikanischen Geschichte. Ein aufrüttelnder Protestsong ist er nicht.

So konnte das mit Joanie und Bobby in den bewegten Sixties einfach nicht klappen. Zwar versuchte Joan mit Songs und öffentlichem moralischen Druck Ende der 1960er/Anfang der 1970er Dylan wieder zum politischen Aktivismus zu locken, doch er ließ sie abblitzen.

1975: Wieder zusammen auf der Bühne

Umso interessanter die Wiedervereinigung 1975. Dylan – das Kapitel treusorgender Familienvater trat in den Hintergrund, seine Ehe mit Sara kriselte  – war er wieder bereit zu Neuem und verknüpfte es bei der Rolling Thunder Review mit einer Reunion mit seinen alten Weggefährten. Baez entdeckte erst ihre alte Liebe für Bobby wieder, dann genoss sie es, einmal nicht das Elend der Welt auf ihren Schultern zu tragen. Weder vorher noch nachher hat man Joan Baez so ausgelassen, humorvoll und sogar lasziv gesehen, wie auf dieser Tour. Wie persönlich nahe sie sich dabei gekommen sind, gehört ins Feld der Spekulation, dem ich mich nicht weiter zuwenden will.

Doch auch wenn ihre Wege sich wieder trennten, und Dylan nun plötzlich auf einem anderen, einem christlich-fundamentalistischen Dampfer unterwegs war, fanden sie wieder zusammen. Auch zu dem bis heute im Nachhinein überraschenden gemeinsamen Auftritt beim „Peace Sunday „1982 gibt es zu wenig belastbare Informationen über das warum. Sieht man die Bilder so merkt man, dass die Freude über den gemeinsamen Aufritt eher bei Joan liegt. Er bringt wieder seine für solche Auftritte typische Dosis Desorientierung hinein und am Ende ist es ein holpernder „so la la“-Auftritt.

Man kann diesen Gig von Dylan aber auch als Dokument des sich Lösens aus den Klauen allzu schneller evangelikaler Überzeugung deuten. Bob Dylan lässt sich in keine Schublade stecken, von keiner Kirche oder Sekte einengen. Wenn er zu einer Protestveranstaltung gehen will, dann tut er das. Wenn nicht, dann nicht.

War der 1982er Auftritt noch ganz charmant mit Dylans Tapsigkeit und Baez‘ Stolz auf und Nachsicht für Dylan, so ist das 1984er Debakel das endgültige Ende einer öffentlichen Beziehung. Bumm, aus!

Ihre Beziehung ist Geschichte, der gegenseitige Respekt bleibt

Copyright: A & M Records

Seitdem kein gemeinsamer Auftritt. Auch 2010 als Barack Obama im Weißen Haus die Songs der Bürgerrechtsbewegung spielen lässt, führt das nicht zu einer erneuten Reunion.

Ihre Beziehung, ihre gegenseitige künstlerische Befruchtung ist da aber schon längst Geschichte. So sehr, dass beide wieder in der Lage sind, respektvoll übereinander zu sprechen. So wie in der 2009er Baez-Doku „How Sweet The Sound“.

Zwei wichtige, ganz unterschiedliche Künstler sind 2021 80 Jahre auf dieser Welt. Sie haben ihr Gutes hinterlassen: Musik, Aufbruch, Haltung, aber auch Fragen und Rätsel. Mit zwei verschiedenen künstlerischen Konzepten, trotz derer sie sich doch immer wieder einmal getroffen haben.

Zwei Künstlerfiguren, zwei Idole. Alleine und zusammen. Alles andere ist das Leben, ist die Fiktion und alles dazwischen.

Die Volkshochschule Frankfurt veranstaltet zum Thema zwei Seminare, eins zu Joan Baez (14. März), eins zu Bob Dylan (2. Mai), Referent: Thomas Waldherr.
Info und Anmeldung Joan Baez: https://vhs.frankfurt.de/de/portal#/search/detail/144490
Info und Anmeldung Bob Dylan: https://vhs.frankfurt.de/de/portal#/search/detail/144491

Bob Dylan & Joan Baez in „How Sweet The Sound“

Bob Dylan & Joan Baez, Peace Sunday 1982: