Populär sein reicht nicht

Ein neues Buch zeichnet den Weg von Joan Baez als politische Aktivistin nach

Beide feiern in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag. Der eine- Bob Dylan (24. Mai) – mit großem Medienecho und einer wieder einmal großen Welle von Buchneuveröffentlichungen, die andere – Joan Baez (9. Januar) – eher im Hintergrund, die medialen Wellen sind ungleich kleiner. Denn während Bob Dylan fortwährend Musikgeschichte schreibt – 2016 Literatur-Nobelpreis für einen Songpoeten, 2019 neues Album, 2020 bis zur Absage durch Corona weitere Konzerttouren geplant – hat sich Joan Baez bereits 2019 für immer von den großen Bühnen verbschiedet.

Copyright: ibidem-Verlag

Interpretin und Aktivistin, keine Songwriterin

Joan Baez ist eine wichtige musikhistorische Figur, da sie als musikalische Repräsentantin einer ganzen Generation für den politischen Veränderungswillen in den 1960er Jahren steht. Im engeren Sinne hat sie musikalisch wenig Bleibendes hinterlassen. Sie ist auch nie eine große Songwriterin gewesen. Gerade mal eine Handvoll von ihr selbst geschriebene Songs haben wirklich überdauert wie „Diamonds & Rust“ (über Bob Dylan), „Sweet Sir Galahad“ (über Richard Farina, den tödlich verunglückten Mann ihrer Schwester Mimi) oder „A Song For David“ (über ihren Ehemann David Harris, der als Anti-Kriegs-Aktivist in den USA im Gefängnis saß). Stattdessen war sie aber eine große Interpretin mit großer Stimme und großem Charisma. Und vor allem: Sie war und ist mit großer Glaubwürdigkeit, Integrität und Vehemenz ausgestattet, mit der sie für ihre politischen Ziele eintritt. Diese besondere, im Grunde fast einzigartige Mischung aus musikalischer Künstlerin und politischer Aktivistin trug sie durch die Jahrzehnte ihrer Karriere und schuf ihre historische Bedeutung.

Und nun endlich, im Jahr ihres 80. Geburtstages, ist die längst überfällige systematische Darstellung ihres Lebens als politischer Aktivistin in Buchform erschienen. Eines der wenigen neuen Bücher über sie in diesem Jahr. Dem österreichischen Auto Markus Jaeger gebührt der Verdienst dies angegangen zu sein. „Popular Is Not Enough. The Political Voice Of Joan Baez“ heißt das im Stuttgarter ibidem-Verlag auf Englisch erschienene Werk.

Eine politische Lebenslinie

Also endlich mal eine Darstellung, die sie nicht auf die „Queen Of Folk“ oder auf ihre komplizierte Verbindung mit Bob Dylan reduziert, sondern sachlich und kenntnisreich von ihren Wurzeln in Quäkertum und Pazifismus über die Einflüsse von Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Henry David Thoreau und Ira Sandperl bis hin zu ihren Aktivitäten insbesondere gegen Kriege und für die unter ihnen leidenden Menschen in aller Welt eine politische Lebenslinie zieht.

Dabei wird auch nicht verschwiegen, dass sie Teile ihrer Karriere in der Tat als Nostalgie-Nummer verbringen musste und sie in den Reagan-Jahren in den 1980ern in den USA zeitweise keine Plattenfirma unter Vertrag nahm. Umso stärker hat sie sich dann nach dem Fall des Eisernen Vorhangs für die unteilbare Freiheit engagiert. Sie war auf der Seite der Freiheitsbewegungen gegen den Poststalinismus in Polen und der Tschechoslowakei ebenso wie in Lateinamerika im Kampf gegen Militärdiktaturen und politischer Reaktion.

Weiterhin kritisch

Jaegers Buch schließt denn auch nicht bei der sattsam bekannten Geschichte aus den 1960ern, sondern zeigt uns auch die jüngsten politischen Aktivitäten. Gegen die Kriegspolitik von George W. Bush, die sogar zu Auftrittsverbot führte und ihre Opposition zu Donald Trump, die u.a. mit „Nasty Man“ zu einem der ersten frechen und bösen Protestsongs gegen den orangefarbenen Autokraten führte.

So ist ein unschätzbar wichtiges Werk entstanden, der frische Einblicke in ihr Leben und ihrer Karriere während 60 Jahren USA- und Weltgeschichte gewährt. Es soll ja Dylan-Fans geben, die mit dem Aktivismus von Baez auf Kriegsfuß stehen. Gerade jenen sei dieses Buch empfohlen. Dass Dylan und Baez zwei unterschiedliche künstlerische Konzepte haben, die beide ihre Berechtigung haben und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, habe ich hier an dieser Stelle vor wenigen Wochen bereits vermerkt. Hier also die spannende Geschichte einer dezidiert politisch-aktivistischen Musikerin. Respekt vor Joan Baez, Respekt aber auch vor dem Autor, diese Geschichte endlich aufgeschrieben zu haben.

Popular Is Not Enough: The Political Voice Of Joan Baez: A Case Study In The Biographical Method, Stuttgart 2021, 260 Seiten, 34,90 Euro.