Der „Bob-Track“ des Lebens

Die Musik von Dylan begleitet das Leben und öffnet tausend weitere Welten

Bob Dylan, Copyright Walter Steffek

In diesen Vorgeburtstagszeiten, in denen ich an Vorträgen und Beiträgen für verschiedene Veranstaltungen und Medien arbeite, stelle ich mir auch immer wieder die Frage: In welcher Weise war Dylan für Dich im Leben bedeutend? Die Antwort: Immer sehr und auch immer anders.

Um dies konkret dazustellen, komme ich zurück auf den Soundtrack meines Lebens, über den ich anlässlich meiner Berufung in die Jury der „Liederbestenliste“ der deutschsprachigen Musik nachgedacht habe. Denn zu der Zeit, als ich Dylan entdeckte, da entdeckte ich auch Hannes Wader und Bernies Autobahnband, Georg Danzer und etwas später Wolfgang Ambros. Letzteren nicht nur wegen seiner österreichischen Dylan-Adaptionen, sondern auch wegen „Schiefoan“ und „Zwickt’s Mi“. Danach BAP und in den 1990ern Ringsgwandl, aber nicht nur wegen „Nix Mitnemma“.

Songs für viele Lebenslagen

Soll heißen, auch neben Dylan gab es immer auch andere Musik für mich. Doch seine hat mich immer wieder in meinem Leben in besonderer Weise berührt. „Hurricane“ faszinierte mich 1976/77 komplett: Text, Haltung, Stimme, Musik. In seiner christlichen Phase blieb ich dabei, weil Songs wie „I Believe In You“ oder „Precious Angel“ auch Liebessongs für Frauen waren bzw. sein konnten. „I and I“ faszinierte mich, weil der junge Erwachsene sich damals einsam und zerrissen fühlte. „License To Kill“ war ein tolles Anti-Kriegslied. Anfang der 1990er sorgten Songs wie „Born In Time“ – den Song fand ich so romantisch, der ging mir nicht mehr aus dem Ohr- und die Live-Konzerte für eine neue, verstärkte Hinwendung. Weitere Songs, die mich mein Leben lang begleiten sind „Simple Twist Of Fate“ (Budokan-Version), Mr. Tambourine Man (Budokan) oder auch „Black Diamond Bay“, das er noch nie live gespielt hat.

Die gesellschaftlichen Hintergründe von Bob Dylan erforschen

Als Typ war er natürlich in seiner Anfangszeit ein „Role Model“. Aufmüpfig, lässig, frech. So wie ich damals nie war. Später dann setzte eine Distanz ein. Man liebt die Musik und Dylan gehört zum Leben, aber man emanzipiert sich mit der Zeit ein bisschen vom Vorbild oder „Role Model“. Respekt für Werk und Künstler steht dann immer mehr im Mittelpunkt. Heute bin ich 57 und Dylan 80. Er ist ein wohlsituierter älterer Herr, der seinen Beruf bzw. seine Berufung – Musiker, Songwriter, Maler etc. – bis ins hohe Alter ausüben kann. Vater und Großvater mit einem großen Haus in Malibu. Seine Nachkommen sind zu einem Großteil wiederum kreative Menschen. Soweit, so gut. Es reicht mir, dies zu wissen.

Also weniger Spekulation um persönliches Leben, aber auch keine reine Textexegese und obsessives Fahnden nach zitatquellen um Songs technisch zu dekonstruieren. Dies ist nicht das Dylan für mich so spannend macht. Viel spannender und mittlerweile am spannendsten empfinde ich zwei Dinge. Da sind zum einen die gesellschaftlichen Hintergründe und Wirkungen und zum anderen die musikalischen Wurzeln seines Werkes.

Dylan als Tor zur Americana-Welt

Was hat dieser Künstler mir für Welten eröffnet: Amerika und Americana! Bob Dylan ist ja nicht aus dem luftleeren Raum gekommen, sondern hat aus einem musikalischen Erbe schöpfen können. Dem „alten, unheimlichen Amerika“ wie es Greil Marcus genannt hat: Folk, Blues, Old Time, Bluegrass, Country. So richtig klar wurde mir das zur Jahrtausendwende mit „O Brother Where Art Thou?“. Immer mehr verliebt ich mich in diese Musik, schrieb für country.de und meinen Blog über Americana. Und so kam es, dass meine Konzertreihe, die in Darmstadt 2014 startete eine Americana-Reihe wurde. Ich wollte einen musikalischen Kontinent durchstreifen, mich nicht auf den Dylan’schen Mikrokosmos beschränken. Ich finde es bis heute reizvoll, wenn Künstler, die eben keine Dylan-Cover-Künstler sind, sich Dylan-Songs aneignen. So wird in meiner Reihe jeder Act gebeten, einen Dylan-Song im Konzertprogramm zu haben.

Bob Dylan & Black America

Zu den unbestrittenen musikalischen Wurzeln von Bob Dylan gehört der Blues. Dass er aber auch eine Affinität zu Soul, Jazz und Rap besitzt, verstand ich erst so richtig, als ich nach afroamerikanischen Musikbezügen in seinem Werk forschte. Dies hatte seinen Ursprung in den Carolina Chocolate Drops. Die schwarze Old Time Band spielte im Vorprogramm von Dylan und faszinierte mich. Über die Entstehung des Blues als Phänomen der gesellschaftlichen Hintergründe in den US-Südstaaten lernte ich viel von Florian Pfeil bei den gemeinsamen „Politik und Musik“-Seminaren. Und so erfuhr ich eben, dass die Verbindung von Bob Dylan zur Black Community viel mehr ist als der Blues und die Bürgerrechtslieder Anfang der 1960er Jahre. Es ist viel mehr und es geht tiefer.

Mehr dazu in meinem neuen Buch „Bob Dylan & Black America“. Jetzt überall wo es Bücher gibt. Am besten in der Buchhandlung des Vertrauens oder direkt beim Verlag:
https://tredition.de/autoren/thomas-waldherr-36760/bob-dylan-black-america-paperback-151883/

Bob Dylan & Eric Clapton: Born In Time 1999

Bob Dylan live with The Winston Marsalis Band 2004