„It is a shadowy world“

Warum Shadow Kingdom so ein treffender Titel für Bob Dylans Streaming-Konzert ist

Herr Dylan, hier im Halbschatten, (c) Sony Music

Bob Dylan im Schatten, Bob Dylan im Halbdunkel. Erfahrene, langjährige Dylan-Konzertgänger kennen das. Irgendwie fing das 1987 an. Damals sah ich Dylan in der Frankfurter Festhalle bei einem unfassbar uninspirierten Konzert, bei dem ein ausgebrannt wirkender Künstler den Eindruck machte, diesen Auftritt nur möglichst schnell hinter sich bringen zu wollen. Er spielte schlecht ausgeleuchtet im Halbdunkel und zwischen den Songs erlosch das Licht bis auf eine kleine Leselampe auf der Bühne dann sogar ganz. Ein typischer Fall von „da will einer auf der Bühne am liebsten gar nicht gesehen werden“, dachte ich mir damals.

Vier Jahre später Offenbach, Stadthalle. Die Bühne ist dunkel, die einzigen Lichtquellen sind zwei große Scheinwerfer, die von Beleuchtern gesteuert werden. Die spenden ein spartanisches weißes Licht. Dylan schwankt irgendwann aus dem Dunklen auf die Bühne. Auch an diesem Abend wird es nie richtig hell.

Bob Dylan als Schattenmann war auf der frühen Never Ending Tour immer ein Thema, bis irgendwann das Licht wieder einsetzte. Doch im übertragenen Sinn versteckt sich Dylan immer wieder gerne im Schatten. „It’s a shadowy world“, singt er in „Jokerman“. Dylan „verkleidet“ sich in der Öffentlichkeit mit Hoodie, Basecap und Sonnenbrille. Er will nicht gesehen werden, er will nicht fotografiert werden. „Cameras make ghosts out of people“, sagt der Bob. Wenn er sich denn fotografieren lässt, dann sitzt er gerne im Halbdunkel, lässt sich das Gesicht vom Hut verschatten, oder lässt das Licht nur an eine Gesichtshälfte. Daher war es durchaus sensationell, dass er sich beim Konzert in Stuttgart 2019 sogar von den Kameras filmen und auf die großen Screens an den Bühnenseiten übertragen ließ.

Bob Dylans Mysterien- und Schattenspiele sind also legendär. Auch in seinem Werk sind sie ein immer wiederkehrendes Motiv. Siehe im oben genannten „Jokerman. Vor allem auch in seinem Spätwerk sind die Schatten stets präsent. „Shadows are fallin‘ and I’ve been here all day“ lautet die erste Zeile seines epischen „Not Dark Yet“. In „Ain’t Talkin‘ (Just Walkin‘) führt der Weg, so Heinrich Detering, in eine „verschattete Transzendenz“, in eine „traumhafte Toten- und Friedhofswelt“. „Shadows In The Night“ hieß 2015 sein erstes Album mit Sinatra-Songs. Für den alten Dylan sind Schatten und Dunkelheit Vorboten des Todes.

Und man erinnert sich nur an das Cover der Single „False Prophet“ im letzten Jahr, als man den Schatten eines erhängten Mannes sehen konnte, der von vielen als der damalige US-Präsident identifiziert wurde.

Nun also „Shadow Kingdom“ am 18. Juli. Und auch hier ist der Name wieder Programm. Ich finde es jetzt nicht so schlimm 25 Dollar oder Euro für ein vorher aufgezeichnetes und nur in einem begrenzten Zeitraum im Internet zu sehendes Konzert zu bezahlen. Wirklich schade finde ich allerdings, wenn das Konzert wirklich durchgehend so schlecht ausgeleuchtet und „verschattet“ ist, wie es der Trailer befürchten lässt. Das wäre ärgerlich und sicher eine typische Prise Dylan-Humor. Denn dann ist der Titel „Shadow Kingdom“ wirklich wörtlich zu nehmen.

Doch die Freude auf neue „alte“ Musik von Dylan, die wird auch das nicht trüben. Schauen wir also  gespannt nach vorne.