Frühling in New York

Die nächste Ausgabe von Bob Dylans Bootleg-Series beleuchtet die erste Hälfte der 1980er Jahre. Es gibt einiges Gutes zu entdecken.

Copyright: Columbia/Legacy/Sony Music

Die 1980er waren das Jahrzehnt von Ronald Reagan und Michael Jackson. Neoliberalismus traf sich mit Hedonismus. Bob Dylan hatte es von den äußeren Umständen schon schwer in dieser Zeit, gehört zu werden. Doch zu allem Überfluss verlor er seinen künstlerischen Kompass, trudelte mehr und mehr ziellos dahin.

Das dies nicht von Anfang an so war, und dass Bob Dylan gerade auch in der ersten Hälfte der 1980er auch richtig gute Musik machte, dies dokumentiert die Bootleg Series Vol 16, „Bob Dylan – Springtime in New York“, die am 17. September als 2-CD und 5-CD-Box erscheint. Die Abkehr vom einengenden evangelikalen Glauben führte zu freieren Geisteshaltungen und Dylan war wieder offen für andere Themen. Mit Spannung werden daher auch die Liner Notes zum Album erwartet, die der Musikjournalist Damien Love beigesteuert hat.

Viele interessante Outtakes

Schon bei den Proben zur Herbsttournee 1980 gliedert Dylan wieder seine älteren Songs aus der Vor-Born Again-Zeit wieder ein. Auf dieser Zusammenstellung sind davon u.a. „Senor“ und „To Ramona“ vertreten. „Shot Of Love“ ist dann das Album, das christliche mit weltlichen Inhalten mischt. Jesus-Hymnen wie „Property Of Jesus“ neben einem Song über Lenny Bruce, einem bösen, subversiven, anzüglichen Comedian, das schafft auch nur Dylan. Aber das Album hat mit „In The Summertime“ und „Every Grain Of Sand“ zwei der schönsten Dylan-Songs ever vorzuweisen. Und auch die Outtakes haben Format: „Angelina“ ist wieder vertreten, aber auch „Let It Be Me“ und „Was It Worth It?“.

„Infidels“ steht für Selbstbespiegelung und Liebesschmerz – „I And I“, Don’t Fall Apart On Me Tonight“, Sweetheart Like You“ – vor allem aber auch mit der Beschäftigung mit dem Reagan-Amerika. In Dylan-Art wohlgemerkt. „Jokerman“, „Union Sundown“ und „License To Kill“ sind Songs über Lüge, Täuschung und Blendung (Reagan als Jokerman, der große Kommunikator und Verkäufer), der USA in der globalen Wirtschaft, und den immerwährenden amerikanischen Kriegen. Dass dann aber „Jokerman“ auch Züge von Papa Legba und Dylan selbst, also zwei weiteren Trickstern trägt, zeigt in welchem Kontext Dylan gesellschaftliche Fragestellungen verhandelt. Das kann man als unkonkret verwerfen, öffnet aber weitaus mehr den Geist und ist daher eindeutig subversiver, als nur politische Argumentationszusammenhänge zu vertonen. Und mit „Neighborhood Bully“ war auch eine entscheidene Parteinahme für den Staat Israel auf dem Album.

Man darf auf die Outtakes wirklich gespannt sein, insbesondere freuen sich viele auf eine technisch gute Aufnahme von Julius And Ethel. Der Song ist eine Rehabilitierung des kommunistischen jüdischen Ehepaares Rosenberg, das 1953 wegen angeblicher Rüstungsspionage für die Sowjetunion trotz massiver internationaler Proteste hingerichtet wurde. Aber auch hier bleibt Dylan textlich im Vagen, Kryptischen. Schade, hier hätte man sich einen Song á la Hurricane vorstellen können, aber der Dylan dieser Zeit konnte sich nicht dazu aufraffen. Also bescheinigen wir ihm guten Willen für den Song und finden es richtig, dass dieser Song nicht auf das Album kam. Die große Fehlentscheidung war ja stattdessen Blind Willie McTell. Das großartige Panorama des amerikanischen Südens sollte noch ein paar Jahre im Archiv verharren müssen, bis es 1991 bei der Premiere der Bootleg Series dann veröffentlicht wurde. Nun ist es, zum Jubiläum „30 Jahre Bootleg Series wieder mit dabei.

Another Side of Empire Burlesque?

Von der großartigen Europatournee 1984 hat es leider nur ein Song in die Zusammenstellung geschafft, „Enough Is Enough“. Und vom denkwürdigen Auftritt mit The Plugz bei Letterman leider nur „License To Kill“. Empire Burlesque war dann schon die erste Platte an der sich die Geister schieden. Das Ding war von Arthur Baker völlig überproduziert worden. Auch hier Vorfreude auf die Alternate Takes, die hoffentlich vermitteln, was möglich gewesen wäre. Denn „Tight Connection To My Heart“, „Clean „Cut Kid“ oder „I’ll Remember You“ sind gute Songs. Und nicht umsonst entfaltet der am einfachsten produzierte Song, „Dark Eyes“, die stärkste Wirkung auf diesem Album.

Am 10. Juni 1985 erschien Empire Burlesque, das von Januar bis März aufgenommen wurde und damit endet der musikalische Rückblick. Nicht enthalten in dieser Bootleg Series-Ausgabe sind die Ereignisse im zweiten Halbjahr mit dem Live-Aid-Desaster vom 13. Juli und dem Phoenix-gleichen Auftritt mit Tom Petty & The Heartbreakers bei Farm Aid am 22. September. Die wirkliche Schaffenskrise der 1980er fand ja dann nach Dylans triumphaler 1986er-Tour mit Tom Petty statt. Platten wie „Knocked Out Loaded“, „Down In The Groove“ und „Dylan & The Dead“ waren fade Angelegenheiten, die Europatour 1987 eine harte Prüfung für jeden Fan.

In diesem Sinne zeigt uns diese neue Sammlung, dass man über Dylans 1980er nicht pauschal urteilen sollte. Es gibt doch einige Perlen zu entdecken.