Bob Dylan, der Maler

Bereits sein ganzes künstlerisches Leben malt und zeichnet der Singer-Songwriter auch. Vier Ausstellungen seiner Bilder sind in Deutschland noch bis Ende Oktober zu sehen.

Vor den Ausstellungsräumen im Schloß Hohenstein

Als Dylans Songtexte erstmals zwischen zwei Buchdeckel gepresst wurden, hieß das Werk „Writings And Drawings“. Und in der Tat, seine ganze Karriere über hat der Singer-Songwriter gezeichnet und gemalt. U.a. die Cover von The Band’s „Music From Big Pink“ und seinem eigenen „Self Portrait“. 1994 hatte er unter dem Titel „Drawn Blank“ einen Band mit Zeichnungen herausgegeben. Doch richtig wahrgenommen wurde seine Malerei erst seit 2007, als erstmals in Chemnitz seine Bilder veröffentlicht wurden. Ingrid Mössinger, damalige Direktorin der Kunstsammlung Chemnitz, hatte sich für Dylans Werke begeistert, und sich unerschrocken daran gemacht, Dylans Management davon zu überzeugen, eine Auswahl von Dylans Bilder ausstellen zu dürfen.

Mittlerweile sind während der Jahre einige Ausstellungen mit Dylans Werken veranstaltet worden. Dylan malt flüchtige Ansichten, malt Porträts, malt Blicke und Ausblicke auf Häuser und Landschaften. Seine Bilder und Zeichnungen sind mal abstrakter, mal gegenständlicher. Dylan changiert in seiner malerischen Ausdrucksweise, so wie er seine Musik und sogar seine Texte immer wieder verändert.

On The Road

Als der Schreiber dieser Zeilen von den vier Ausstellungen in Köln, Fulda, Coburg und Heilbronn mit dem Titel „On The Road“ erfuhr, die noch bis Ende Oktober zu sehen sind, war schnell die Entscheidung gefallen, sich Dylans Bilder einmal näher anzuschauen. Die Wahl fiel auf Coburg, hier waren wir noch nicht gewesen. Und es hat sich gelohnt: Coburg ist ein schönes Städtchen und die Ausstellung in Schloss Hohenstein ist klein, aber fein. Wir wurden sachkundig geführt, ein Film zum Einstieg zeigt die Bandbreite Dylans als bildender Künstler. Und auch wenn wir keine Experten für bildende Kunst oder gar Kunstsammler sind – auch das einer der Hintergründe dieser Ausstellungen – so hat uns die Malerei immer einmal eingefangen. Wie auch Dylans Bilder.

Wer denkt, dass diese Bilder Dylans in ihrer Verfasstheit und ihren Inhalten ähnlich komplex sind wie seiner Lieder, der irrt sich. In einem Beitrag anlässlich seiner Ausstellung „The Beaten Path“ in der Halcyon Gallery im Jahr 2016 schrieb er: „Ich wollte die Dinge möglichst einfach halten und nur das behandeln, was man auf den ersten Blick sehen kann…Es gibt keine Fantasiewelten, keinen religiösen Mystizismus oder doppeldeutige Inhalte. Der Betrachter muss sich bei keinem der Bilder fragen, ob es sich um ein reales Objekt oder ein Fantasiegebilde handelt. Wenn der Betrachter den Ort besucht, von dem das Bild stammt, würde er oder sie genau dasselbe beobachten. Diese Gemeinsamkeit verbindet uns alle.“ (Vice Magazine, 15.11.16)

Diners, Tankstellen, Motels, New Yorker Brücken

Diese Bilder bilden auch den Grundstock der Ausstellung „On The Road“. Alle diese Bilder bzw. die Skizzen, die ihnen zugrunde liegen, sind bei Dylans ewiger Konzertreise quer durch die USA entstanden. Er hat den Blick für das traditionelle Americana im Landschaftsbild oder in der Stadt und Kleinstadt. Da gibt es keine Amazon-Hauptquartiere oder modernistische Hochhäuser. Stattdessen sehen wir Diners, Tankstellen, Motels, die Manhattan Bridge und die Brooklyn Bridge. Klassiker für Dylan als Kind seiner Generation.

Under The Bridge, Copyright Bob Dylan (aus der Ausstellung „On The Road“ in Schloss Hohenstein)

So wie seine Songs eher Gemälde sind – man erinnere sich an das Südstaatenpanorama „Blind Willie McTell“ – so erzählen auch seine eine Bilder keine Geschichten. Sie sind Schnappschüsse in verschiedensten Farben, die möglicherweise mit Stimmungen zu tun haben. Diese Bilder würden, wären sie nicht von Bob Dylan, Songwriter-Legende und Nobelpreisträger, sicher nicht so gehypt, von Relevanz als Darstellung des klassischen Amerika wären sie aber allemal.

Der Geist der amerikanischen Mobilität

Sie verströmen diesen Geist der immerwährenden amerikanischen Mobilität. Dylan verbringt bzw. verbrachte einen großen Teil seines Lebens auf der Straße, auf dem Weg von Konzert zu Konzert. Abseits der Metropolen und Küstenränder hat er den Mittleren Westen, die Südstaaten und den Südwesten immer wieder bereist. Was er eingefangen hat, die oben genannten Objekte, sind immer wiederkehrende Einrichtungsgegenstände dieser amerikanischen Landschaften.

Doch diese amerikanische Mobilität, wie sie schon von John Steinbeck beschrieben wurde, hat sich schon immer nicht nur als positive Utopie, sondern mehr als purer Überlebenskampf dargestellt. Von Steinbecks „Früchte des Zorns“ bis Frances McDormands „Nomadland“ führt eine gerade Linie. Und mitten drin Bob Dylan mit „Hollis Brown“ und „Tangled Up In Blue“. Wer nicht sterben will oder einsam bleiben will, wer nach Arbeit oder nach der Liebe sucht, der muss sich bewegen. Amerika zwingt einen dazu, sich für das Glücksversprechen abzustrampeln. Denn irgendwie geht es immer darum, einen Job zu erledigen. Wer da nicht mithalten kann, hat oftmals Pech gehabt.

Dylan zeigt uns, was zu sehen ist

Dylan erledigt den Job des Malers auf elegante, unprätentiöse Weise, in dem er nicht in die Falle des „Was will uns der Künstler sagen“ tritt, sondern das zeigt, was vermeintlich zu sehen ist. Das auch dies mitunter komplex und von Mensch zu Mensch verschieden sein kann, legt er ganz bewusst zur Seite und betont die verbindende Gemeinsamkeit der Beobachtung. Gleichzeitig ist er weit entfernt von der Beschönigung, wie sie der naiven Malerei innewohnt.

Darum lohnen sich all die Bildbände und Ausstellungen. Wer sich mit Amerika ernsthaft und tief beschäftigen will, der sollte sich nicht nur seinen Songs beschäftigen. Auch seine Bilder sind ein relevanter Beitrag zur amerikanischen Selbstverständigung.

Mehr zu den vier Ausstellungen: https://bobdylan2021.de/