Wenn Weggefährten und Zeitgenossen gehen

In diesen Tagen sind neben Charlie Watts auch einige Folk- und Country-Größen von uns gegangen. Allesamt waren sie in irgendeiner Weise mit Bob Dylan verbunden. Eine Generation kommt an ihr Ende

Vor wenigen Tagen mussten wir den Tod von Charlie Watts beklagen. Vor ihm starben vor kurzem auch Tom T. Hall und Don Everly. Und vor knapp zwei Wochen verstarb Nanci Griffith. Wir haben die texanische Folk- und Countrymusikerin und ihr Verhältnis zu Bob Dylan Ende der vergangenen Woche an dieser Stelle gewürdigt.

Die Everly Brothers spielten auch Dylan-Songs

Phil und Don Everly, Copyright Wikimedia Commons

Mit Don Everly ist im Alter von 84 Jahren nun auch der zweite – nach seinem Bruder Phil im Jahr 2014 – der „Everly Brothers“ gestorben. Die mit Hits wie „Bye, bye love“ bekannt gewordenen Grenzgänger zwischen Country, Rock’n’Roll und Pop, deren Charakteristikum der wohlklingende Harmoniegesang war, würde auf den ersten Blick kaum jemand als wichtigen Einfluss für die Folk-Rock-Legende Bob Dylan bezeichnen. Und auch wenn in seinem Werk selbst nicht viel dafür zu sprechen scheint: Die Everlys faszinierten ihn und er die Everlys.

Ein Blick zurück auf 1969. Don erzählte aus diesem Jahr laut „Rolling Stone“ folgendes: „Es war alles sehr seltsam. Ich nahm LSD – das beste, Owsleys orangen Sonnenschein –, trug aber gleichzeitig Smokings. An einem Abend spielten wir eine Country-Show, dann am nächsten den Fillmore West, mit den Sons of Champlin oder so. Habe endlich auch das Bitter End gespielt. Habe dort Bob Dylan eines Abends getroffen. Wir waren auf der Suche nach Liedern und er schrieb damals „Lay Lady Lay“. Er hat Teile davon gesungen, und wir waren uns nicht ganz sicher, ob er es uns anbot oder nicht. Es war einer dieser ehrfürchtigen Momente. Wir haben den Song ungefähr fünfzehn Jahre später geschnitten.“

1984 nahmen sie also endlich „Lay, Lady, Lay“ auf und 1985, also diesmal nur zehn Jahre nach seinem Entstehen, spielten sie ihre Version von „Abandoned Love“ ein, der aus den „Desire Sessions“ stammt. Man kann sich vorstellen, wie stolz Dylan gewesen sein muss, als die Everlys seine Songs aufnahmen. Er selber hatte mit George Harrison von den „Beatles“ – auch begeisterte Fans der „Everly Brothers“ – 1970 im Studio den Everly-Hit „All I Have To Dream“ eingespielt, der aber erst im vergangenen Jahr auf dem Sampler „Bob Dylan 1970″ mit den Dylan/Harrison“- Sessions veröffentlicht wurde. Für ihn wie für seine Weggefährten wie eben den Beatler, Paul Simon oder Neil Young waren die Everlys prägend für das Verständnis des inneren Zusammenhangs von Folk, Country und Rock. Und so hat Dylan dann auch einmal über die Everly Brothers voller Wertschätzung gesagt: “We owe these guys everything – they started it all”.

Dylans harsche Tom T. Hall-Schelte

Tom T. Hall, Copyright Wikimedia Commons

„Wertschätzung“ ist jetzt nicht gerade die Vokabel, die einem bei Dylans Passagen über den kürzlich im Alter von 85 Jahren gestorbenen Tom T. Hall bei seiner MusiCares-Rede von 2015 einfällt. Im Gegenteil: Bob hält voll dagegen und kritisiert die Songwriter-Legende folgendermaßen:

„Manche mögen jetzt sagen, Tom sei ein großartiger Songwriter, und daran werde ich nicht zweifeln. Damals, während seines Interviews, hörte ich tatsächlich ein Lied von ihm im Radio im Tonstudio. Es hieß „I Love“. Und es sprach über all die Dinge, die er liebt. Ein Jedermanns-Song. Der Versuch, mit Menschen in Kontakt zu treten. Er versucht, dich glauben zu lassen, er sei genauso wie du und du bist genau wie er. Wir alle lieben die gleichen Dinge. Wir sind alle im selben Boot. Tom liebt kleine Babyenten. Langsam fahrende Züge und Regen. Er liebt große Pickup-Trucks und kleine Flüsse auf dem Land. Schlafen ohne Träume. Bourbon im Glas. Kaffee in einer Tasse. Tomaten an einer Rebe und Zwiebeln. Hören Sie, ich werde nicht einen anderen Songwriter herabsetzen. Ich werde das nicht tun. Ich sage nicht, dass das ein schlechtes Lied ist, ich sage nur, dass es vielleicht ein wenig überkocht ist.“

Und als er über über Kris Kristoffersons Song “Sunday Morning Coming Down” spricht, holt er erneut zum Schlag aus: „Dieser eine Song hat die Welt von Tom T. Hall in die Luft gesprengt. Es könnte ihn ins Irrenhaus geschickt haben. Gott bewahre, dass er jemals eines meiner Lieder gehört hat. Wenn ‚Sunday Morning Coming Down‘ Toms Käfig durcheinander gebracht und ihn in den Mülleimer geworfen hätte, hätte er sich bei meinen Liedern sicherlich das Gehirn aus dem Leib gepustet.“

Dylans Kritik im Kern richtig

Warum ist der gute Bob so auf Tom T. Hall losgegangen? Sein Vorgehen ist keinesfalls persönlich gemeint oder entspricht Bösartigkeit und Arroganz. Was er richtigerweise sagen will ist, dass Kristofferson und er in der Country Music eine ganz andere Sicht der Dinge im Songwriting etablierten. Hall konnte gut Geschichten erzählen und ist dafür zu Recht geehrt worden. Aber er durchbrach nie den Common Sense über den hart arbeitenden, im Grunde gottesgläubigen Südstaatlers, der aber auch trinkfest, handfest und bauernschlau ist. Und er, Tom T. Hall, war natürlich einer von ihnen. Die doppelbödige Lyrik, die kritische und distanzierte Sichtweise auf die Gesellschaft und die Verlorenheit des Individuums in der verwalteten Welt brachte Dylan erst in die Nashville-Welt ein. Er ebnete damit den Weg für die gebrochenen Schicksale, die verstörenden Geschichten und die Gewalt, die Kristofferson und die Outlaws zu Themen ihrer Songs machten. Tom T. Hall war gut, aber zu gefällig, während Dylan, The Band und die Outlaws wieder an die Songtradition des alten unheimlichen Amerikas anknüpften. Schade, dass Dylan sich hier ein bißchen zu sehr an der eigenen, guten Pointe berauschte und sich im persönlichen vergallopiert hat. Damit nahm er dem inhaltlichen Argument die Schärfe.

Charlie Watts, Copyright Wikimedia Commons

Freund der Rolling Stones

Charlie Watts war – das ist sehr oft gesagt worden – das Rückgrat und die Seele der Rolling Stones und vor allem der notwendige Ausgleich zwischen Jagger und Richards. Auch wenn Keith Richards und Ron Wood Dylan sicher näher standen (Live Aid 1985!) so verband ihn auch eine respektvolle Zuneigung zu Charlie. Dylan konnte mit ihm und dessen cooler Unaufgeregtheit sicher besser als mit dem immer zappeligen und extrovertierten Jagger. So gibt es sehr sympathische Bilder von Bob und Charlie hinter den Kulissen des Desert Trip-Konzerts von 2016.

Wie auch immer – rund um Bob Dylan sterben Weggefährten und Zeitgenossen. Da kommt eine Generation an ihr Ende. Und anhand des Todes dieser Künstler wird auch noch einmal deutlich, welche Kunst sie hervorgebracht haben. Wie prägend sie für die Musikgeschichte der letzten 50-60 Jahre waren. Dass Dylan noch am Leben ist und kreativ ist, beruhigt uns schon. Hoffen wir, dass diese Stimme noch sehr lange nicht verstummt. 

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