Julius and Ethel

Endlich haben wir eine offizielle Veröffentlichung: Dylans Song gegen die politische Paranoia in den USA der 1950er Jahre

Ethel und Julius Rosenberg, Copyright Wikimedia Commons

Endlich gibt es neben den vielen anderen aus den Archiven geborgenen Schätzen der Infidels-Sessions, auf „Springtime in New York“ – der neuesten Ausgabe der Bootleg Series –  nun auch eine offizielle Veröffentlichung von „Julius and Ethel“.

Julius und Ethel Rosenberg wurden 1951 wegen Rüstungsspionage für die Sowjetunion der Prozess gemacht. Ihnen wurde unterstellt, maßgeblich zum Bau von sowjetischen Atombomben beigetragen zu haben. Letzteres konnte nie bewiesen werden. Spioniert hatten die bekennenden Kommunisten wohl schon, aber der Inhalt der Anklage, die Art des Prozesses und der „Beweisführung“ und dann erst Recht das Todesurteil führten zu weltweiten Protesten. Unter anderem setzten sich Papst Pius XII., Jean-Paul Sartre, Albert Einstein, Pablo Picasso, Fritz Lang, Bertolt Brecht und Frida Kahlo für die beiden ein. Dennoch wurde das Urteil am 19. Juni 1953 vollstreckt.

Opfer der antikommunistischen Umtriebe

An beiden wurde ein Exempel statuiert. Sie waren die einzigen US-amerikanischen Zivilisten, die während des Kalten Krieges wegen Spionage angeklagt wurden. Sie sind bis heute die einzigen, die in den USA in Friedenszeiten wegen Spionage hingerichtet wurden. Sie waren Opfer des Höhepunktes der antikommunistischen Umtriebe in den USA in den 1950er Jahren. Hinter der präsidialen, jovialen, väterlichen Fassade des Kriegshelden Dwight D. Eisenhower herrschte die hässliche Fratze der Verfolgung und Zerstörung vermeintlicher Kommunisten durch Senator Joseph McCarthys Ausschüsse, die zu einem vergifteten Klima in den USA führten und die andere Seite der Medaille des heile Welt-Klischees zwischen Doris Day und Familienidyll in den Suburbs waren.

Dylan interessiert sich wieder für die Welt

Dreißig Jahre später greift Dylan die Geschichte auf und spielt im Rahmen der „Infidels“-Sessions den Song „Julius and Ethel“ ein. Das Album war die Abkehr von monothematischer Gottespreisung und fundamentalistischer Bekehrung. Der Freigeist Dylan ließ sich einfach nicht in einer Kirche oder Sekte einsperren. Dylan ist ein gläubiger Mensch und auch durchaus spirituell empfänglich. Aber er ist gleichzeitig eben auch an der Welt und ihren Widersprüchen interessiert. Und das beweist er wieder auf „Infidels“.

Und so spießt er die Geschichte dieser beiden Opfer der antikommunistischen Paranoia in den USA in diesem Song auf. In Dylans Riesen-Oeuvre sind Geschichten über konkrete Menschen eindeutig in der Minderheit. In seiner Frühzeit hat er Songs über Emmett Till, Hattie Caroll, den Mörder von Medgar Evers oder Davey Moore gesungen. Später dann über George Jackson, Rubin „Hurricane“ Carter und auch über Sara. 1981 folgt Lenny Bruce und 1983 dann Julius and Ethel. Doch er veröffentlicht das Lied nicht.

Musikalisch ist er ein hübscher, treibender Rocksong. Inhaltlich ergreift er Partei für die beiden. „They were never proven guilty beyond a reasonable doubt“ singt er. Oder

Endlich ist Julius and Ethel im Rahmen der Bootleg Series offiziell erschienen, Copyright: Columbia Records, Legacy

„The people thought they were guilty at the time,
Some even said there hadn’t been any crime“

Und auch hier findet er wieder ein paar treffende Wortbilder, um die Zeitläufte zu beschreiben, zeigt, dass er das noch immer beherrscht:

„Eisenhower was president, Senator Joe was king,
Long as you didn’t say nothing, you could say anything“

und

„Someone said the 50s was the age of great romance,
I say that’s just a lie, it was when fear had you in a trance“

Dylans Statement gegen Reagans Amerika

Dylan ist ein Kind der 1940er und des New Deal. War Teil der linken Folkszene, kannte die Geschichte von Pete Seeger, der von den McCarthy-Ausschüssen auf die schwarze Liste gesetzt wurde. Evangelikaler Spuk hin, nostalgische Anwandlungen im Spätwerk her – Dylan war nie ein Konservativer, ist keiner und wird auch keiner mehr werden.

Mit diesem Song beweist er dies überdeutlich. Die „heile Welt“ der 1950er Jahre ist nicht seiner. Er war auf der Seite der Beatniks, der Folkies, der Schwarzen, war auf der „falschen Seite“ der Eisenbahngleise geboren. So war auch diese Song im Grunde ein Statement gegen Ronald Reagans konservatives Roll-Back.

Es ist schade, dass „Julius and Ethel“ nicht auf „Infidels“ – die Platte hätte ja eigentlich den viel treffenderen Titel „Surviving In A Ruthless World“ heißen sollen – kam. Möglicherweise hätte das noch einmal zu einer anderen Wahrnehmung Dylans durch die Öffentlichkeit geführt.

Warum er den Song nicht veröffentlicht hat, weiß man nicht. Dylan, die ewige Sphinx. Um so schöner, dass wir ihn jetzt haben. Ein Beispiel mehr dafür, dass Dylan auch in den 1980ern etwas zu sagen hatte.

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