Leadbelly & Bob Dylan

Black History Month: Neben den schwarzen Bluesmen waren für Bob Dylan auch die afroamerikanischen Songster ein wichtiger Einfluss. Einer der wichtigsten von Dylans Afro American Folk Heroes war Leadbelly.

Leadbelly und Bob Dylan, Copyright: Wikimedia Commons

Immer noch ist es weit verbreitet, dass Blues und Jazz alleine für die  afroamerikanische Musiktradition stehen würden. Dabei wird übersehen, dass es eine lange Tradition der afro-amerikanischen Songster gibt. Die Songster-Tradition ist älter als die der Blues-Musik. Sie beginnt kurz nach dem Ende der Sklaverei und dem Bürgerkrieg, als afroamerikanische Musiker in der Lage sind, zu reisen und Musik zu machen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die vorwiegend schwarzen, aber auch weißen Songster  teilen das gleiche Repertoire und spielen eine Vielzahl von Volksliedern, Balladen, Tanzmelodien, Reels und Songs aus Minstrel Shows.

Die Songster

Es gab Songster, die alleine spielten und sich an der Gitarre begleiteten, aber auch solche, die mit Banjo und Geige begleiten ließen. Die Übergange zu den String Bands der Old Time Music sind fließend. Oftmals spielten Songster zur Unterhaltung bei fahrenden Medicine Shows

Auch nachdem sich der Blues ab Anfang des 20. Jahrhunderts herausbildete und populär wurde, verschwand die Songster-Tradition nicht. Die Vorstellung des einsamen, archaischen Bluesmen ist eine romantisierende, mythisierende Legende. Viele Bluesmusiker waren Songster und Unterhaltungsmusiker und spielten sich durch viele Genres der Unterhaltungsmusik. Umherziehende, in den Westen abwandernde Sänger und singende Cowboys waren an der Entstehung der Cowboysongs beteiligt. Sie beeinflussten sowohl den frühen Blues als auch später die Songs der bekannten weißen Cowboysänger ab den 1930er Jahren.

Erst die durch die Plattenindustrie vorgenommene Segregation in weiße Country & Western Music und schwarze Race Records ließ die Songster-Tradition gegenüber Jazz und Blues in den Hintergrund treten. Der bekannteste und wichtigste Songster der klassischen Folk-Ära war ohne Zweifel der Musiker Hughie Ledbetter alias Leadbelly.

Leadbellys enormer musikalischer Einfluss in der Folkszene

Entdeckt von Folklorist John Lomax, brachte er viele wichtige Songs in die US-Folkszene ein, wie beispielweise „Good Night, Irene“, der durch die Weavers um Pete Seeger ein Hit wurde. Oder „Rock Island Line“, „Black Betty“ und Alberta. Allesamt wurden auch sie Hits in den Versionen weißer Musiker. Und er konservierte durch seine Aufnahmen eine ganze Reihe von schwarzen Cowboysongs, war der Missing Link von den realen schwarzen Cowboys zu den weißen singenden Cowboy wie Gene Autry, Will Rogers, Tex Ritter oder die „Sons Of The Pioneers“.

Er verbrachte seine frühen Jahre auf den schummrigen, gewaltbeladenen  Gassen der Rotlichtviertel von Shreveport und Dallas und war zweimal wegen Gewaltverbrechen im Gefängnis. John Lomax holte ihn aus der Gewaltspirale hinaus. Leadbelly ging mit ihm nach New York und lernte dort Woody Guthrie und Pete Seeger kennen. Er spielte mit ihnen, seine Songs fanden Eingang in den Folk-Song-Kanon, jedoch schlug sich das für Leadbelly finanziell nicht nieder. Ihm ging es wie vielen schwarzen Musikern seiner Zeit. Er versuchte Ende der 1940er Jahre sein Glück in Paris, erkrankte jedoch an einer unheilbaren Störung des motorischen Nervensystems und starb 1949 in New York.

Er erlebte das Folk-Revival der frühen 1960er, das auch schwarze Songster wie Mississippi John Hurt, Brownie McGhee oder Peg Leg Sam wieder einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein rückte, nicht mehr, hatte aber dennoch ungeheuren Einfluss auf deren wichtigen Vertreter wie eben Bob Dylan.

Leadbelly als wichtiger Einfluss auch für Bob Dylan

„Und jemand – jemand, den ich noch nie zuvor gesehen hatte – gab mir eine Leadbelly-Platte mit dem Song „Cottonfields“ darauf. Und diese Platte hat mein Leben auf der Stelle verändert. Versetzte mich in eine Welt, die ich nie gekannt hatte. Es war, als wäre eine Explosion losgegangen. Als wäre ich in der Dunkelheit gegangen und plötzlich wäre die Dunkelheit erleuchtet. Es war, als würde mich jemand anfassen. Ich muss diese Platte hundert Mal gespielt haben“, sagt Bob Dylan in seiner Nobelpreis-Vorlesung.

Was Dylan an diesem Song fasziniert haben mag? Das fragen sich viele Dylan-Fans. Sicher der Ausdruck, die Stimme und die Performance von Leadbelly. Das war etwas anderes als der Rock’n’Roll von Elvis oder Little Richard. Da klang archaisch, fröhlich und sentimental zugleich. Der Song hat auch nicht die Sklaverei zum Thema, sondern die Situation der „Sharecroppers“, die rechtlich gesehen als Kleinpflanzer und Baumwollpflücker nicht mehr versklavt waren, aber de facto in Abhängigkeit eines Großgrundbesitzers waren. Diese Situation, die zur Armut führte, prägte das Leben von Leadbellys Eltern und seine Jugend.

Trotzdem blickt Leadbelly sentimental darauf zurück. Er schrieb es 1940, als er in New York lebte und sich nach einigen Krisen im Verhältnis zu John Lomax – da waren schon Spannungen zwischen dem weißen Bildungsbürger und dem Afroamerikaner aus ärmlichen Verhältnissen – endgültig einen Namen in der dortigen Folkszene gemacht hatte. So wie ihm erging es nicht wenigen Afroamerikaner:innen in der Zeit der „Great Migration“. Man zog nach Norden, um vor Armut und Rassismus zu entfliehen und hing doch noch voller Sentimentalität am Süden.

Leadbelly mit Akkordeon, Copyright Wikimedia Commons

Leadbellys Spuren in Dylans Werk und Wirken

Dylan zollte Leadbelly in seinem „Song To Woody“ auf seinem Debütalbum 1962 Tribut, als er ihn als einen der Gefährten von Woody Guthrie erwähnte. Man kann davon ausgehen, dass Dylan zu der Zeit schon alles was es von Leadbelly auf Platte zu hören gab auch gehört hatte. Der Mann und vor allem auch sein Outlaw-Mythos als ehemaliger Strafhäftling fasziniert ihn. Er leiht sich – so wie es seine Art ist und in der Folkmusik selbstverständliche Tradition – Musik und Motive von Leadbellys „We Shall Be Free“ für sein „I Shall Be Free“ aus, sowie der es von einem Spiritual aus dem 19. Jahrhundert gemacht. Dylans lernt für seine Folkmusik viel vom Songster Leadbelly.

Und sieht sich selber in ihm. Als Dylan 1980 seine Fans mit Gospelmusik verschreckte, erzählte er wie zur eigenen Rechtfertigung über den in der linken Folkszene anerkannten Leadbelly, der sich vom Gefängnisinsassen zum Folkhero wandelte,  folgende Geschichte (zitiert aus der New York Times, 20. Februar 2015):

„Im Jahr 1980, als Bob Dylan einen Großteil seines Publikums mit dem Schreiben und Singen von Gospelsongs verblüffte, stand er auf der Bühne des Warfield Theatre in San Francisco und sprach über den als Lead Belly bekannten Folksänger. Er erklärte, Lead Belly sei ein Gefangener in Texas gewesen, der von einem Musikwissenschaftler entdeckt und nach New York gebracht worden sei.

‚Zuerst hat er nur Gefängnislieder und solche Sachen gemacht“, sagte Mr. Dylan. „Er war einige Zeit aus dem Gefängnis entlassen worden, als er beschloss, Kinderlieder zu machen, und die Leute sagten: ‚Oh, warum hat sich Lead Belly verändert?‘ Einige Leute mochten die alten. Einige Leute mochten die neuen. Einige Leute mochten beide Songs.‘

„Aber er hat sich nicht verändert“, schloss Mr. Dylan mit Nachdruck. „Er war derselbe Mann.“

Abseits aller obskuren Benutzung von Leadbelly für seine eigene Rechtfertigung, hat Dylan hier aber einfach Recht. Leadbelly war derselbe Mann. Nur hatte er jetzt die Möglichkeit, abseits des ewigen Kreislaufs von Armut, Rassismus und Verbrechen ein neues Leben aufzubauen.

Copyright: Folkways Recording

Direkte Coverversionen von Leadbelly-Songs lassen sich in Dylans Werk auch finden. Wie auch übrigens bei seinem Bruder im Geiste Johnny Cash mit „Rock Island Line“, „I’ve Got Stripes“ (Original „On A Monday“) und „Cotton Fields“. Angetan hat es Dylan wohl „In The Pines“ (aka „Where Did You Sleep Last Night“), das u.a. er bei seinem ersten großen Soloauftritt 1961 in der Carnegie Chapter Hall, 1969 an der Southern Illinois University in Edwardsville, IL sowie 1990 im Toad’s Place Concert spielt. 1967 sind bei den Basement Tapes-Aufnahmen auch Leadbelly-Songs mit dabei. 1988 nimmt er am Folkways-Album-Projekt „A Vision Shared. A Tribute To Woody Guthrie and Leadbelly“ teil, singt aber mit „Pretty Boyd Floyd“ einen Guthrie-Song. Aber schließlich schwebt auch Leadbellys Vermächtnis über den „Selbstverständigungs-Alben“ „Good As I Been To You“ und  „World Gone Wrong“.

Leadbelly- eine amerikanische Kulturgröße

In diesem Sinne erinnern wir an Leadbelly im Black History Month. An einen, der in einem Atemzug mit afroamerikanischen Kulturgrößen wie Louis Armstrong, Maya Angelou oder Aretha Franklin genannt werden muss und für eine weitere amerikanische Kulturgröße prägend war.

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