Bob Dylans Reise durch die Südstaaten

Auf seiner Frühjahrstour, die am 3. März beginnt, besucht er den „Birthplace Of American Music“ ebenso wie einen Landstrich, in dem noch immer Rassismus und Sklaverei allgegenwärtig sind

Photo Credits: Sony Music, William Claxton
Photo Credits: Sony Music, William Claxton

Von 2010 bis 2019 haben wir mehrmals die US-Südstaaten bereist. Stets auf den Spuren der Musik dieses Landstrichs: Blues, Country, Bluegrass, Gospel und Soul. Wir haben allerlei Musik-Museen besucht: Bluesmuseen entlang des Mississippi Deltas, das Country Hall Of Fame & Museum in Nashville, Sun Records and Stax in Memphis. Johnny Cashs Kindheitsort Dyess, Arkansas und das Earl Scruggs Museum in Shelby, North Carolina. Und wir haben die großen Musiktempel gesehen, die, jeder für sich, große Musikgeschichte geschrieben haben.

Aber gleichzeitig waren diese Touren auch Reisen zu dem Grauen, das auch untrennbar mit den US-Südstaaten verbunden ist: Sklaverei, Rassismus und Gewalt. In den Bluesmuseen wurde stets auch die Geschichte der schwarzen Baumwollpflücker:innen erzählt, die vor Rassismus, Armut und Gewalt über den Highway 61 gen Norden geflohen sind. Wir sahen die ärmlichen, windschiefen Cabins im Mississippi-Delta, sahen in Atlanta Martin Luther Kings Boyhood Home, in Memphis das Motel in dem er ermordet wurde und besuchten das Rosa Parks-Civil Rights Museum in Montgomery, Alabama.

An all das musste ich denken, als ich Bob Dylans aktuelle Tourpläne für März/April diesen Jahres sah. Denn Dylan hat sich für diese Tour, dem zweiten Abschnitt seiner Rough And Rowdy Ways- World Tour 2021-2024 wohl ganz bewusst die geschichtsträchtigen Orte im Süden ausgesucht. Er bereist die Orte der Bürgerrechtsbewegung und er bereist Städte, die wichtig für die Musikgeschichte waren. Ein klares Statement des „Historikers“ Dylan, der sich schon in jungen Jahren ausführlich mit dem Amerikanischen Bürgerkrieg beschäftigte, eng mit der afroamerikanischen Community und ihrer Kultur verbunden ist, und über die Jahre immer mehr in seinem Werk das zerrissene Amerika vereint.

Grund genug, sich verschiedene Stationen von Dylans-Südstaatenreise einmal anzusehen. Eine Auswahl, ohne Anspruch auf Vollständigkeit.

Lubbock

Nach den Auftaktkonzerten in Phoenix und Tucson, Arizona, und Albuquerque, New Mexico, startet die eigentliche klassische Südstaaten-Tour am 8. März in der Buddy Holly Hall in Lubbock, Texas. Buddy Holly war für Dylan ein wichtiger Einfluss. Ihn hatte er noch kurz vor dessen Unfalltod im Konzert in Duluth gesehen. Sein Geist soll schließlich, so Dylan, bei den Aufnahmen von „Time Out Of Mind“ anwesend gewesen sein.

San Antonio

Passend zu „Rough And Rowdy Ways“ – zieht die Karawane weiter nach San Antonio, Texas. Im dortigen legendären „Majestic Theater“ spielte 1929 Jimmie Rodgers, der Vater der Country Music („My Rough And Rowdy Ways“!) und kam erst nach 18 Vorhängen wieder von der Bühne. Wie sagte Dylan so schön über ihn: „His is the voice in the wilderness of your head“. Aber damit nicht genug, Jimmie Rodgers begegnen wir später noch eindringlicher. San Antonio bzw. mit seinem englischen Namen St. Antone findet Erwähnung in Dylans Rough And Rowdy Ways-Song „I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You“. Den alten Charley Pride-Hit „Is Anybody Goin‘ To San Antone“-Hit nahm Dylan übrigens 1972 zusammen mit Doug Sahm auf.

Shreveport

Von Texas geht es nach Louisiana. Das Municipial Auditorium war die Spielstätte der legendären Louisiana Hayride Show, die es für ein paar Jahre schaffte, in Sachen Bedeutung und Publikumszuspruch der Grand Ole Opry in Nashville auf den Fersen zu sein. Hier spielte Elvis vor seinem Durchbruch und Hank Williams nachdem ihn die Opry wegen seiner Trunksucht gefeuert hatte. Als wir vor gut 10 Jahren da waren, war das Auditorium nichts als ein trister Baukörper in einer verlassenen Ecke der Stadt. Nur eine Elvis-Statue erinnerte an die musikhistorisch enorme Bedeutung des Gebäudes. Shreveport war damals eine der wenigen Städte im Süden, die ihre Musikgeschichte nicht zelebrierten.

New Orleans

Weiter geht es an den Golf von Mexiko. Das Saenger Theatre in New Orleans ist das ehemalige Flaggschiff der Saenger Theater-Imperiums.  Julian und Abe Saenger waren deutschstämmige amerikanische Juden, deren Theater sowohl Vaudeville-Theaterstätten als auch Kinopaläste waren. Im pulsierenden New Orleans der 1920er Jahre war ihr Theater der Ankerpunkt. Sie waren die Prinzipale der feierwütigen Stadtgesellschaft. Doch Prohibition, Mafia und Weltwirtschaftskrise machten dem Imperium bereits Ende der 1920er wieder den Garaus.

Montgomery

In Montgomery, Alabama, wird sowohl Rosa Parks, als auch Hank Williams, gedacht. Der einen für ihren Mut, der den Montgomery Bus Boycott auslöste und Initialzündung für die Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King Jr. wurde, dem anderen wegen seiner unvergleichlichen Bedeutung für die Country Music.

Nun verdient die Williams-Familie mit dem Nachlass von Hank Sen. sehr gutes Geld. Umso ärgerlicher, dass das Hank Williams Museum nicht anderes ist als eine lächerliche, ungeordnete Devotionaliensammlung. Es gibt so viele wunderbare Musikmuseen in den USA, dieses gehört ganz sicher nicht dazu.

Das Rosa Park Museum dagegen ist eine anschauliche Reise durch die afroamerikanische Geschichte. Didaktisch gut aufbereitet und ausstellungstechnisch auf der Höhe.

Nashville, Tennessee, Broadway

Nashville

Natürlich das Ryman Auditorium, ehemaliger Sitz der Grand Ole Opry und Mother Church of Country Music. Nashville ist „Music City USA“. Und das nicht nur für Country Music. Heute wird alles Mögliche an Musik hier produziert, wenn auch öffentlich natürlich das Country Image mit Ryman, Opry, dem Country Hall Of Fame & Museum und den Honky Tonks am Broadway die Stadt prägt. Dass sie aber auch über lange Jahre eine Metropole der schwarzen Musik war, und dass den Begriff „Music City“ für Nashville erstmals Queen Victoria zu Ehren der schwarzen „Fisk Jubilee Singers“ verwendete, ist leider vergessen gegangen. Untergegangen zusammen dem schwarzen Viertel der Stadt, das voller Kultur und Musik war, aber einem gigantischen Straßenbauprojekt zum Opfer fiel. Die Eröffnung des National Museum Of African American Music mitten auf dem Broadway gegen Ryman Auditorium und Bridgestone Arena ist eine späte Genugtuung für schwarze Community der Stadt.

Atlanta
Auch hier in der Stadt Martin Luther Kings hat sich Dylan einen geschichtsträchtigen Auftrittsort ausgesucht. Das Fox Theatre ist ein weiterer der wenigen noch existierenden großen Filmpaläste der 1920er Jahre. Es steht unter Denkmalschutz und wird für verschiedene kulturelle Zwecke genutzt. Prince, neben Dylan der bedeutendste musikalische Sohn Minnesotas spielte hier 2016 sein letztes Konzert vor seinem Tod.

Savannah

Von Atlanta reist Dylan nach Savannah, Georgia und tritt dort im Johnny Mercer Theatre auf. Johnny Mercer war der Komponist von „Moon River“, seine Songs hatten sowohl Billie Holiday als auch Bing Crosby im Repertoire. Savannah spielte im Bürgerkrieg eine wichtige Rolle. Die Stadt war der Endpunkt von Nordstaaten-General Shermans „Marsch ans Meer“. Sein Feldzug durch Georgia war davon gekennzeichnet mit großer Härte eine Taktik der „verbrannten Erde“ anzuwenden, um die weiße Bevölkerung zu zermürben und ihren Widerstand zu brechen. Dylan erinnert an Sherman in seinem Rough And Rowdy Ways-Song „Mother Of Muses“:

„Sing of Sherman, Montgomery and Scott
And of Zhukov, and Patton, and the battles they fought
Who cleared the path for Presley to sing
Who carved the path for Martin Luther King“

Asheville

Am 2. April wird der Dylan-Tross dann Asheville, North Carolina erreichen. Gespielt wird im Thomas Wolfe Auditorium, benannt nach dem Autor des amerikanischen Buchklassikers „Schau Heimwärts Engel“.

Birmingham

Auch Birmingham, Alabama, steht stellvertretend die janusköpfigkeit des Südens. Es ist eine alte Stahlstadt, die auch schon als „Pittsburgh des Südens“ bezeichnet wurde. Sie ist aber auch in den 1950er und 1960er Jahren eine Metropole der Rassentrennung und des Ku Klux Klan. Zahlreiche Bombenattentate des rassistischen Geheimbunds brachten der Stadt den Spitznamen „Bombingham“ ein. Aber aus ihr stammen auch bedeutende Musiker:innen wie Sam Lay, Odetta oder Emmylou Harris. Letztere hat mit dem Song „Boulder To Birmingham“ der Stadt und dem Country-Rock-Pionier Gram Parsons ein Denkmal gesetzt. Dylan selber hat die Stadt in Songs mindestens zweimal erwähnt. In der Budokan-Version von Going Going Gone singt er

„Now from Boston to Birmingham
Is a two day ride
But I got to be going now
‘Cause I’m so dissatisfied“

Und auch Birmingham findet Erwähnung in „I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You“.

Meridian

Über Mobile, Alabama („To Be Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again“ ) geht es dann weiter nach Meridian, Mississippi. Heimatort von Jimmie Rodgers. Hier in Meridian, dem früheren Eisenbahnknotenpunkt und wichtigen Drehscheibe für den Warenumschlag der Farmer, lernte der „Singin‘ Brakeman als Eisenbahner von den schwarzen Bahnarbeitern den Blues. Hier gibt es ein Jimmie Rodgers Museum und ein jährliches Jimmie Rodgers-Festival. Auf seinem eigenen Plattenlabel „Egypt Records“ hat Dylan 1997 ein Tribute-Album für Jimmie Rodgers veröffentlicht. Mit „Rough And Rowdy Ways“ hat er sich direkt auf ihn bezogen. Auf dem Innenteil des Covers des Albums ist ein Foto zu sehen, das Rodgers zusammen mit der Carter Family am Rande der Louisville Sessions 1931 zeigt. Bei diesen Sessions entstand der legendäre Track „Jimmie Rodgers visits The Carter Family“, welcher das Vorbild für Dylans 2003er Aufnahme von „Gonna Change My Way Of Thinking“ mit Mavis Staples ist.

Memphis

Die andere, große Musikmetropole in Tennessee, schon nahe am Mississippi-Delta. Sie steht für Blues und Beale Street, für Sun Records und Stax. Für Rock’n’Roll, für Soul. Aber auch für den Tod von Martin Luther King, der dort 1968 im Lorraine Motel auf dem Balkon erschossen wurde. Ausgerechnet dort, wo weiße und schwarze Musiker des Stax-Labels immer noch nach den Plattenaufnahmen zusammen kamen, was sonst im segregierten Süden schwer möglich war. Heute ist hier das National Civil Rights Museum. Bob Dylan tritt hier im Orpheum Theatre in der Main Street auf. Ebenfalls ein traditionsreiches Vaudeville und Lichtspiel-Theater.

Woody Guthrie Center in Tulsa, Oklahoma. Copyright: Cowboy Band Blog

Tulsa

Dass Dylan wenige Wochen vor Eröffnung des Bob Dylan Centers Tulsa, Oklahoma, besucht, lag wohl wirklich auf der Hand. Die philanthropische George Kaiser Family Foundation fördert seit Jahren für das Kultur- und Geistesleben des ansonsten verschlafenen Ortes. Im Tulsa Arts District finden sich in unmittelbarer Nähe zueinander künftig der Woody Guthrie Center, der Bob Dylan Center und Cain’s Ballroom, die Geburtsstätte des Western Swing. „Take Me Back To Tulsa“ heißt einer der großen Hits von Western Swing-Legende Bob Wills.

Nach dem Western Swing war es dann der Tulsa Sound von J.J.Cale, der die Stadt auf die musikalische Landkarte brachte. Der legendäre Schlagzeuger Jim Keltner, der immer wieder mit Dylan zusammengespielt hat, stammt aus Tulsa. Auch der Gitarrist Steve Ripley, der 1981 in Dylans-Tourband war, gehörte zur Musikszene von Tulsa.

Doch auch Tulsa ist eine Stadt des Südens, deren Geschichte vor rassistischer Gewalt überschattet ist. 1921 fand hier ein großes Massaker an der afroamerikanischen Bevölkerung statt. Ein ganzes Stadtviertel – der Greenwood District – wurde völlig vernichtet und 300 Menschen ermordet. Eine Katstrophe, die fast hundert Jahre verdrängt und aus dem öffentlichen Gedächtnis gestrichen wurde.

Statement für ein vielfältiges Amerika

Über Little Rock geht die Tour dann weiter nach Oklahoma City, wo sie endet. Es ist eine ebenso denkwürdige wie logische Tour. Dylan nimmt nun scheinbar auf diese „World Tour“ alles nochmal in Angriff was liegen geblieben und ihm wichtig ist. Auch diese Reise kann durchaus als ein Statement für ein geeintes, vielfältiges Amerika verstanden werden.

Die Tourdaten

03/03/22   March 3 – Phoenix, Arizona @ Arizona Federal Theatre
March 4 – Tucson, Arizona @ Tucson Music Hall
March 6 – Albuquerque, New Mexico @ Kiva Auditorium
March 8 – Lubbock, Texas @ Buddy Holly Hall of Performing Arts & Sciences
March 10 – Irving, Texas @ Toyota Music Factory
March 11 – Sugar Land, Texas @ Smart Financial Centre
March 13 – San Antonio, Texas @ Majestic Theatre
March 14 – San Antonio, Texas @ Majestic Theatre
March 16 – Austin, Texas @ Bass Hall
March 18 – Shreveport, Louisiana @ Municipal Auditorium
March 19 – New Orleans, Louisiana @ Saenger Theatre
March 21 – Montgomery, Alabama @ Montgomery PAC
March 23 – Nashville, Tennessee @ Ryman Auditorium
March 24 – Atlanta, Georgia @ Fox Theatre
March 26 – Savannah, Georgia @ Johnny Mercer Theatre
March 27 – North Charleston, South Carolina @ North Charleston PAC
March 29 – Columbia, South Carolina @ Township Auditorium
March 30 – Charlotte, North Carolina @ Ovens Auditorium
April 1 – Greensboro, North Carolina @ Steven Tanger Center
April 2 – Asheville, North Carolina @ Thomas Wolfe Auditorium
April 4 – Chattanooga, Tennessee @ Tivoli Theatre
April 5 – Birmingham, Alabama @ BJCC Concert Hall
April 7 – Mobile, Alabama @ Saenger Theatre
April 8 – Meridian, Mississippi @ MSU Riley Center
April 9 – Memphis, Tennessee @ Orpheum Theatre
April 11 – Little Rock, Arkansas @ Robinson Center
April 13 – Tulsa, Oklahoma @ Brady Theatre
April 14 – Oklahoma City, Oklahoma @ Thelma Gaylord Performing Arts Theatre

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