Bob Dylans Philosophie des modernen Songs

Was wir darüber wissen und was wir (vielleicht) zu erwarten haben

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Das war wieder ein grandioser Aufschlag in der Dylan-Welt. Mitten in der Nacht zum Mittwoch (9. März) teilte www.bobdylan.com mit, dass der Song-Großmeister am 8. November ein neues Buch herausgibt. „The Philosophy Of Modern Song“. 60 Essays, die Dylan seit 2010 über das Songwriting und über berühmte Kolleg:innen geschrieben hat.

Natürlich sind wir alle elektrisiert. Haben wir uns doch den Vol.2 der Chronicles erhofft. Das kommt jetzt erstmal nicht, vielleicht auch nie mehr. Das wäre ja auch wieder richtig dylanesk. Aber was kommt ist, eben auch großartig. 60 Essays auf die ich mich freue. Denn wenn das an die MusiCares Speech und die Nobelpreisvorlesung anknüpft, dann können wir uns auf erhellende, bildreiche und witzige Texte freuen.

Denn dort, genauso wie in den Liner Note zu den Tribute-Alben für Jimmie Rodgers oder Hank Williams, in Würdigungen von Johnny Cash oder anderen, hat Dylan stets mit feinen Worten die Künstler gefeiert und ihren kreativen Prozess anschaulich dargestellt. Oder eben auch niedergemacht, wie damals beim MusiCare den armen Tom T. Hall. Da kannte er nix.

So sagte Dylan in der Vergangenheit beispielsweise über…

Jimmie Rogers
The most inspiring type of entertainer for me has always been somebody like Jimmie Rodgers, somebody who could do it alone and was totally original. He was combining elements of blues and hillbilly sounds before anyone else had thought of it. (Jimmie Rodgers Tribute 1997)

Leonard Cohen:
“When people talk about Leonard,” Dylan said, “they fail to mention his melodies, which to me, along with his lyrics, are his greatest genius.“ (The New Yorker, Oktober 2016)

Hank Williams:
„I became aware that in Hank’s recorded songs were the archetype rules of poetic songwriting.“ (Chronicles Vol 1)

 Nina Simone:
“Very strong woman, very outspoken and dynamite to see perform. That she was recording my songs validated everything that I was about. Nina was the kind of artist that I loved and admired.” (MusiCares Speech 2015)

Neil Young:
„Neil is very sincere, if nothing else. He’s sincere, and he’s got a God-given talent, with that voice of his, and the melodic strain that runs through absolutely everything he does. He could be at his most thrashy, but it’s still going to be elevated by some melody.“ (Rolling Stone Interview 2007)

 Johnny Cash:
„I Walk the Line” played all summer on the radio, and it was different than anything else you had ever heard. The record sounded like a voice from the middle of the earth. It was so powerful and moving. It was profound, and so was the tone of it, every line; deep and rich, awesome and mysterious all at once. “I Walk the Line” had a monumental presence and a certain type of majesty that was humbling. Even a simple line like “I find it very, very easy to be true” can take your measure. We can remember that and see how far we fall short of it.“ (Bob Dylans Statement zum Tod von Johnny Cash, 2003)

Diesmal also Texte von Little Richard bis zu Frank Sinatra, von Elvis Presley bis zu The Clash, von Nina Simone bis zu Elvis Costello. Da wird er keinen verreißen, oder doch? Man kann aber schon sehr gespannt sein, wie er die Songs und das Songwriting dieser Künstler:innen beschreiben wird.

Ebenso darf gespannt sein, wer nicht drin vorkommt. Wird Joni Mitchell erwähnt? Neil Diamond? Merle Haggard?

Deutsche Ausgabe erscheint zeitgleich

„Naheliegende Reime können leicht zu einer Falle werden, eine Silbe zu viel kann einen guten Song um seine Wirkung bringen, und Bluegrass hat mehr mit Heavy Metal gemeinsam, als es auf den ersten Blick scheint. Es ist Bob Dylan persönlich, der hier die Philosophie des modernen Songs darlegt und dafür Werke wie „Long Tall Sally“, „Strangers in the night“ oder „London calling“ unter die Lupe nimmt“, schreibt der Verlag Ch. Beck, bei dem das Buch zeitgleich auf Deutsch erscheint, auf seiner Website. (https://www.chbeck.de/buehnen/bob-dylan-die-philosophie-des-modernen-songs/)

Auch über das Titelbild wird heftig gerätselt. Anstatt bekanntermaßen geachtete Songwriter wie Leonard Cohen, Carole King oder Neil Young abzubilden, sehen wir drei Helden des frühen Rock’n’Roll und des Rockabilly. Little Richard, der der Welt das lautmalerische „Awopbopaloobop Alopbamboom!“ schenkte und dann Priester wurde, das barfüßige One Hit Wonder Alis Lesley (klingt fast wie Elvis Presley) aka „The Barefoot Rockabilly Angel“ und Eddie Cochran, der 1960 bei einem Autounfall ums Leben kam und wegen seines „Summertime Blues“ unsterblich geworden ist.

Das könnte zum einen zeigen wie weit er den Begriff Song dehnt, zum anderen aber auch beweisen, dass Dylan auch hier wieder die US-Populärmusik und ihre Vielfältigkeit im Blick hat.

Wie schön, dass uns Dylan nun bis November Zeit gibt, zu spekulieren und zu rätseln. Es gibt in diesen Zeiten so viel Ernstes mit dem man sich beschäftigen muss. Gut, dass uns der Picasso des Pop auch einfach mal was Zerstreuendes an die Hand gibt.

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