Sonny & Brownie, Taj & Ry und … Bob!

Anlässlich der Veröffentlichung des Albums „Get On Board“ von Taj Mahal und Ry Cooder: Zur Bedeutung von Sonny Terry und Brownie McGhee für die klassische Folk- und Bluesmusik und für Bob Dylan

Copyright: Folkway Records

Der Blues fächert sich bekanntermaßen auf in drei regionale Hauptlinien. Dem (Mississippi) Delta Blues, der in seiner archaischen Country-Blues-Form oftmals als das Synonym für Blues überhaupt wahrgenommen wird. Dem Piedmont Blues, benannt dem Gebirgszug im Südosten der USA, bei dem Fingerpicking und Ragtime-Verwandschaft typisch sind. Und dem Texas Blues, der keine regionalen musikalischen Besonderheiten aufweist, aber für eine starke Bluesszene steht.

Sonny und Brownie

Sonny Terry und Brownie MgGhee lernen den Blues in North Carolina, also im Piedmont Blues-Gebiet. Der eine Harmonika-Spieler, der andere Gitarrist, gehörten sie zu den wichtigsten Bluesmusikern seit den 1940er Jahren. Nach dem Tod des legendären Blind Boy Fuller 1941 – er wird als „King of Piedmont Blues“ bezeichnet und von der Bedeutung her mit der Delta Blues Legende Robert Johnson vergleichbar – wollte dessen Manager J.B. Long den jungen Brownie McGhee zu dessen Nachfolger aufbauen. Er ließ ihn erstmals 1942 bei einem Konzert von Paul Robeson mit Sonny Terry, der zuvor auch mit Blind Boy Fuller gespielt hatte, zusammen auftreten. Fast vierzig Jahre sollten die beiden fortan als Duo gemeinsam spielen.

Während das Folk Revival erst Anfang der 1960er einige Bluesmusiker wiederentdeckte, die seit der Great Depression in den 1930ern nicht mehr einem größeren Publikum zugänglich waren, waren Sonny und Brownie in dieser Zeit durchgehend als Berufsmusiker aktiv und mischten munter in den 1940ern in der Folkszene mit Woody Guthrie und Pete Seeger mit. Auch auf einem der beiden einzigen existierenden Bewegtbildschnipsel von Woody Guthrie wirken die beiden mit. Die drei singen zusammen John Henry, den Song über den legendären Bahnarbeiter.

Taj & Ry: Get On Board

Copyright: Nonesuch Records

Kein Wunder, dass sie für die Folk-Kids der 1960er so interessant waren. So auch für die jungen bluesbegeisterten Ry Cooder und Taj Mahal. 1962 sah der 15-jährige Ry die beiden im Folkclub „Ash Grove“ in Los Angeles und spürte, dass die beiden was ganz besonderes waren. Ry gründete dann mit einem ebenfalls jungen Blueser, der sich Taj Mahal nannte, die Gruppe „Rising Sons“, die Mitte der 1960er nur ein Jahr existierte, bevor sie auseinanderfiel. Die beiden blieben aber über die Jahre in Kontakt. Nun haben erstmals seit ihren Aufnahmen für die Rising Sons, die erst Anfang der 1990er erstmals veröffentlicht wurden, wieder zusammen ein Studio betreten und ein gemeinsames Album aufgenommen, das vor wenigen Wochen veröffentlicht wurde.

„Get On Board“ heißt der Longplayer und zollt schon mit dem Titel den Bluesvorbildern Respekt. Denn „Get On Board“ heißt auch ein Album, das Sonny Terry und Brownie McGhee 1952, also vor siebzig Jahren zusammen mit Coyal McMahan bei Folkways Records veröffentlicht haben. Wobei der Untertitel „Negro Folksongs“ heute sicher keine Anwendung mehr finden würde.

Auf dem 2022er Album, das auch optisch dem alten Vorbild nachempfunden ist sind denn auch einige Titel vertreten, die schon auf dem Originalalbum waren: „The Midnight Special“, „Pick A Bale Of Cotton“ und „I Shall Not Be Moved“. Das Album ist ein wunderbares Zeugnis der Freude an dieser Musik und des Zusammenspiels der alten Blues-Haudegen Ry Cooder und Taj Mahal.

Bobby Zimmerman entdeckt Sonny & Brownie

Copyright: Columbia Records

Ein ganz früher Einfluss waren Sonny Terry und Brownie McGhee auch für den jungen Bob Dylan, als der noch Robert Zimmerman hieß. Der, so geht die Geschichte, hörte damals das Album „Get On Board“ 1960 bei seiner damaligen Freundin Bonnie Beecher in Minneapolis. Er hatte sicher auch ein Auge auf sie geworfen, weil sie eine stattliche Sammlung obskurer alter Blues und Folkplatten hatte. Und diese Platten hörte er bei Bonnie und sog diese Musik auf wie ein Schwamm. Und als er dann 1961 ins Greenwich Village in New York kam, da gehörten sie zu der dortigen Musikszene und er nahm Songs von ihnen in sein Repertoire auf. Sie sollten ihn seine ganze Karriere über auf die ein oder andere Weise begleiten. 1978 verpflichtete er die beiden als Teil des Vorprogramms für sein legendäres Open Air-Konzert in Nürnberg, 1985 erwähnte er sie ausdrücklich als Teil der alten Musik- und Boheme-Szene im Village in den Liner Notes zu „Biograph“. Und als er 1992 mit „Good As I Been To You“ sich selbst mittels alter Folksongs wiederfindet, da ist mit „Step It Up And Go“ auch ein Titel von Sonny und Brownie dabei. Und Trivia: Als die beiden 1973 das Album „Sonny & Brownie“ aufnahmen, da wirkte auch Dylans spätere Sängerin und Freundin Clydie King mit.

Bob und Ry

Bob wiederum ist auch mit Ry Cooder, wenn auch nicht so eng – befreundet. Bob würde ihn nur alle 10 Jahre mal anrufen, hat Ry Cooder einmal zu dem Musikjournalisten Andreas Waechter gesagt. Und in der Tat, gemeinsame Aufnahmen oder Auftritte haben Seltenheitswert. Und doch wissen beide einander zu schätzen. So spielten sie auf Wunsch Bobs zusammen mit Van Dyke Parks 2009 in einem Theater in Los Angels für das TV Special „The People Speak“ eine schöne Version von Woody Guthries „Do Re Mi“ ein. 1994 standen sie in Japan zusammen auf der Bühne beim „Great Music Experience“ und spielten „Ring Them Bells“. Und 2018 in Ostende hat Cooder im Konzert sogar einen Scherz auf Kosten Dylans gemacht. Er bewarb den Merchandising-Verkauf im Foyer und hob hervor, dass Dylan ein großer Anhänger und Experte des „Merch“-Verkaufs sei. Die Baby Doll T-Shirts seien immer als erstes ausverkauft, habe ihm die Singer-Songwriter-Legende mit auf den Weg gegeben, erzählte Cooder schmunzelnd.

Bedeutende amerikanische Musiker

Alle drei – Ry Cooder, Taj Mahal und Bob Dylan sind auf ihre eigene Weise bedeutende amerikanische Musiker. Bob Dylan ist der Singer-Songwriter-Papst, Nobelpreisträger und Vater des Americana. Ry Cooder ist musikalischer Weltenbummler und Innovator, der immer wieder Grenzen überwunden hat und doch ganz klar in Blues, Folk und Country geerdet ist und Taj Mahal ist selber mittlerweile ein großer, alter Bluesman. Und alle drei wissen, dass sie ohne die Wegbereitung durch Künstler wie Sonny und Brownie nicht da wären, wo sie heute sind.

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