Patti sings Bob

Bei ihrem Konzert in Frankfurt zeigt sich Patti Smith unverändert kraftvoll und voller Lust an der Performance und an der Verbreitung ihrer Botschaft. Und sie zollt mit zwei Songs ihrem Freund Bob Dylan Tribut.

Patti Smith auf der Bühne der Jahrhunderthalle Frankfurt, Foto: Cowboy Band Blog

Da ist sie wieder: Die Punk-Poetin, Rock-Schamanin, Schriftstellerin, Lyrikerin und Fotografin Patti Smith. Nun 75 Jahre alt. Aber kein bisschen müde. Wieder auf Tour. Und Kritik und Publikum sind begeistert. Auch an diesem Sonntagabend in der Frankfurter Jahrhunderthalle ist sie voller Lust am Singen, Tanzen, performen. Sie singt sich durch alle Stationen ihrer Karriere und wird nie müde, ihre Botschaft, ihr Anliegen zu verbreiten: „Ihr habt die Kraft etwas zu verändern. Seid mutig und geht an gegen an die großen Konzerne, gegen Umweltzerstörung und anderes Unrecht.“

Zwei Dylan-Songs

Mit im Gepäck hat sie auch zwei Dylan-Songs. „The Wicked Messenger“, den sie auf ihrem Comeback-Album „Gone Again“ 1996 erstmals aufnahm. Ende 1995 hatte ihr Dylan nach Fred „Sonic“ Smiths Tod geholfen, den Weg zurück ins Musikbusiness zu finden. Sie spielte als Support Act bei seinen Konzerten und sie sangen ein wunderschönes Duett von Dylans „Dark Eyes“.

„Wicked Messenger“ wird zu einem der Höhepunkte des Konzerts. Er kommt in einem Arrangement daher, dass die apokalyptische Stimmung des Liedes betont. Man möchte die schlechte Botschaft nicht hören. Daraus folgt, dass die Warnung nicht befolgt wird. Wie aktuell das ist, hat ja erst kürzlich der großartige Film „Don’t Look Up“ auf böse und gleichzeitig humorvolle Art gezeigt. Hier bei Patti stehen die tragischen Töne im Mittelpunkt. Man will sich nicht stören lassen, einfach so weiter machen. Und so wird aus dem Song ein Gewitter mit Endzeitstimmung.

Man möchte die schlechte Nachricht nicht hören

Ja, man will sich nicht stören lassen. So wie man es in Sachen Klimaschutz und sozialer Gerechtigkeit seit langem tut. Trotz massiver Warnungen von Experten, NGOs, Betroffen-Organisationen: Die politische Klasse ist in ihrer Eingefahrenheit, Phantasielosigkeit und Beschränktheit nicht in der Lage gegenzusteuern, obwohl die Probleme sichtbar sind. Ein von Menschen gemachtes Wirtschaftssystem das auf massenhafter Produktion und privater Profitaneignung beruht, wird von ihnen als natürlich und unveränderbar angesehen. Auch von denen, die es sozial etwas erträglicher machen wollen, oder denen, die als Partei sich Umwelt und Klima auf die Fahnen geschrieben haben. Ganz zu schweigen von den Parteien, die seit jeher die Interessen der Profiteure vertritt. Wenn sich da nichts dran ändert, schlittern die westlichen Gesellschaften in die Klimakatastrophe und es kommt gleichzeitig zu schweren sozialen Verwerfungen. Die Folgen sind große Legitimationskrisen der Demokratien und die Gefahr des Autoritarismus.

„The Wicked Messenger“ ist denn auch ein zentraler Song für Pattis Botschaft des Abends. „Kämpft, mischt Euch ein!“ Auch wenn erstmal keiner zuhören will.

Einer der Höhepunkte: Patti rezitiert Allen Ginsberg, Foto: Cowboy Band Blog

Neue Kraft für eine alte, traurige Geschichte

Der zweite Dylan-Song ist das traurige „One Too Many Mornings“ über das Ende einer Liebe. Über Zwei, die sich geliebt haben, aber jetzt einfach nicht mehr zusammenkommen. Pattis kraftvolle, ausdrucksvolle, aber eben nicht im herkömmlichen Sinne „schöne“ Stimme ist genau das richtige für die ungeschönte Geschichte, die hier erzählt wird. Als Dylan-Fan hat man den Song schon so oft gehört, aber Patti schafft es, ihm neue Kraft zu geben. Der Song erreicht die Herzen des Publikums. Zweimal nennt sie danach den Namen des Songwriters, als wollte sie sagen, „hört gut hin, wer solche großartigen Lieder schreibt“.

Patti lässt auf Bob nichts kommen, die beiden stehen sich sehr nah, das hat ja spätestens auch ihre Vertretung für Bob beim Nobelpreis 2016 gezeigt. Seine Kunst ist ein wichtiger Einfluss, ein wichtiger Antrieb. Wunderschön die Szenen, die im Scorsese Film über die Rolling Thunder Revue zu sehen sind, als Bob und Patti in einem Club im Greenwich Village unter der Treppe sich ganz intensiv im Gespräch austauschen. Man sich vorstellen, wie die beiden wichtigen Songwriter-Größen über Musik und Lyrik parlieren, diskutieren, debattieren. Bob wollte Patti gerne bei der Rolling Thunder Revue dabei haben, aber irgendwie klappte das nicht. Sie wäre genau richtig dort gewesen und hätte der Tour gleichzeitig diesen leider vorhandenen Hauch der 1960er-Nostalgie genommen.

Zwei Ausnahmekünstler

Mit Nostalgie haben aber anno 2022 weder Dylans noch Smiths Konzerte irgendetwas zu tun. Auch wenn Patti bei der Songauswahl bei den Greatest Hits bleibt, während Bob nur die neuesten Songs spielt. Beide beweisen Zeitlosigkeit. Dylan, indem er sie ohnehin zum Thema macht, weil er die zentralen Menschheitsfragen immer wieder neu verschlüsselt zum Gegenstand seiner Songs werden lässt. Smith, indem sie die Überlebensfragen der Menschheit immer wieder klar an- und ausspricht und dabei stets human und voller Achtsamkeit gegenüber dem Individuum bleibt.

Patti Smith und Bob Dylan: Zwei Ausnahmekünstler voller Respekt füreinander.

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