Dylans aktuelle Kunst ist groß, dunkel und meisterhaft und „Shadow Kingdom“ das Scharnier zwischen RARW-Album und Tour
Endlich ist es soweit: Bob Dylan veröffentlicht am 2. Juni die Musik des legendären Streaming-Filmes „Shadow Kingdom“ vom Juli 2021 auf CD, auf Vinyl und digital. Zudem wird am 6. Juni der Film kaufbar als Stream und Download.
Eine gute Sache, auch wenn so mancher Zeitgenosse wieder was zu mosern hatte. Es ist aber halt jetzt eine offizielle Veröffentlichung Dylans mehr, die ein Dylan-Fan einfach haben muss. Zudem eine mit recht aktueller Musik. Denn vieles, was sich bei „Shadow Kingdom“ andeutete, entfaltete sich während Dylans Nach-Pandemie-Touren zur vollen Pracht.
Die Zeit steht still
„Shadow Kingdom“ ist so typisch Dylans Alterswerk, mehr geht nicht. Die Zeit steht still, ein Juke Joint (oder Honky Tonk) ist dunkel, schattig und altmodisch verraucht und zugleich modern divers besucht. Dylan, der Arrangeur, arbeitet an seinen Songs mittlerweile so respektvoll und sorgfältig, als wären die live gespielten Hau-Weg-Fassungen aus den frühen 1990er Jahren aus einem anderen Leben. Dazu ist er mit seiner verjüngten Stimme wieder in der Lage, variabler und prononcierter zu singen als viele Jahre lang.
Alte Songs neu interpretiert
„Watching The River Flow“, „Most Likely Go Your Way (And I’ll Go Mine)“, „I’ll Be Your Baby Tonight“, „When I Paint My Masterpiece“ und „To Be Alone With You“ sind die Songs von „Shadow Kingdom“ aus dem imaginären „Bon Bon Club“, die sich auch in seinem aktuellen Bühnenprogramm, sei es in Berlin oder in Tokyo, wiederfinden. Sie stehen für seine derzeitigen künstlerischen Hauptmotive: Die Autonomie und Unabhängigkeit des Individuums und der schmale Grat zwischen romantischer Liebe und toxischer Beziehung.
Für diese beiden Oberthemen ist Dylans „Rough And Rowdy Ways“-Tourprogramm zusammengestellt. Die Songs vom RARW-Album bilden das Gerüst, dazu fügen sich die alten Songs ein, indem sie von Dylan mittels Textrevision passend gemacht werden. So wird aus dem ausgelassenen Begehren der Originalfassung von „To Be Alone With You“ in der Neuausrichtung ein militanter, bedrohlicher Besitzanspruch.
Kammermusik für den Club
Musikalisch ist „Shadow Kingdom“ Kammermusik für den Club. Für die 2.500er Hallen, die er aktuell bespielt, wird es breiter und voluminöser orchestriert. Es bleibt aber durcharrangiert bis ins kleinste Detail. Jeder Musiker geht im Bühnenkollektiv auf. Das Klangbild steht im Mittelpunkt. Und das kann -durcharrangiert hin oder her – jeden Abend anders sein. Kein Konzert gleicht dem anderen bei nur minimalen Abweichungen der Setlist – „Truckin‘“ ersetzte jüngst Old Black Magic – eine beachtenswerte künstlerische Leistung. Auf dieser musikalischen Basis lebt dann Dylan seine Songs mit seiner Stimme wieder aus.
„Shadow Kingdom“ war für Dylan also der wichtige Zwischenschritt von „Rough And Rowdy – das Album“ zu „Rough And Rowdy Ways – die Tour“. Einer Tour, die immer mehr Fahrt aufnimmt, die längst die Pandemie-Nachwirkungen überwunden hat und nun nach der Japan-Station im Juni und Juli nach Südwest- und Südeuropa kommt.
Logische Veröffentlichung
In diesem Sinne ist es logisch, dass „Shadow Kingdom“ nun erscheint. Denn Dylan lässt uns ja mittlerweile durch die Bootleg-Series an seinen früheren Entwicklungsschritten hinter den offiziellen Alben teilhaben. Also freuen wir uns ohne jede Beckmesserei auf die offizielle „Shadow Kingdom“-Veröffentlichung.
16. April 2023 um 7:28 am |
Vielen Dank! Schön, dass es gefällt.
14. April 2023 um 11:53 am |
Good News!
14. April 2023 um 10:47 am |
Sehr interessanter, informativer und erhellender Beitrag , vielen Dank.