Reden wir mal nicht von der Stimme Dylans an diesem Abend. Die war wirklich ragged & dirty. Reden wir lieber über die Art des Vortrags, und welche Bedeutung er widerspiegelt. Denn Bob Dylan unterstrich mit seinem Auftritt am 13. Februar 2011 im Rahmen der Grammy-Verleihungen nicht mehr und nicht weniger als seine Ausnahmestellung als „Vater des Americana“.
Die Initialzündung für das was heute landläufig als „Americana“ oder auch „Alternative Country“ bezeichnet wird stellen die „Basement Tapes“ dar. Dylan & The Band ritten von Frühjahr bis Herbst 1967 im Parforce durch mehr als 100 Songs aus Country, Folk, Gospel und Rock’n’Roll. Dylan bewegte sich in der Folge vom urbanen Avantgarde-Rock seiner Mittsechziger Werke hin zu Country-Folk (John Wesley Harding) und Nashville-Country (Nashville Skyline). Nach Folk, Rock’n’Roll und Country eignete sich Dylan dann in seiner „Born Again-Phase“ Ende der 70er/Anfang der 80er auch den Gospel als letzte Säule des Americana an.
Americana steht für die populäre amerikanische Musik, die ihre Wurzeln in den folkloristischen Überlieferungen der Einwanderer, der ländlichen Bevölkerung, der Schwarzen, der Seeleute oder der Arbeiter hat: Folk, Blues, Country, Rock’n’Roll. Und da war Dylan der erste und bis heute bedeutendste, der wirklich allumfassend die amerikanische Populärmusik zu seinem Medium machte, Grenzen überwand und Fesseln sprengte. In diesem Licht ist beispielsweise auch eine damals beim Erscheinen zerrissene Platte wie „Self-Portrait“, als nichts anderes, als eine Selbstverständigung über die persönlichen und kollektiven musikalischen Wurzeln zu verstehen.
Bis heute geht Dylan diesen Weg weiter, wer seine Radio Sendung „Theme Time Radio Hour“ kennt, weiß wie breit sein Programm aufgestellt ist, wie jede Sparte der populären amerikanischen Musik abgedeckt wird. Also neben dem klassischen Americana, auch die die Musik des „Great American Songbook“, der urbanen Popmusik, den Tin Pan Alley-Schlagern, dem Classic Pop, Swing und Jazz.
Als Dylan an diesem Abend in Los Angeles sein „Maggies Farm“ singt, dann schwingen alle Facetten des Americana und ein bisschen auch das „Great American Songbook“ mit. Die Bühnenszenerie – Ein Halbkreis mit Banjos, Gitarren, Mandolinen und Stehbass – könnte sowohl ein Folk-Hootenanny, als auch einen Barn Dance widerspiegeln. „Maggies Farm“ war der Song, der als erster elektrischer Rock’n’Roller die Folkwelt in Newport verstörte. Inhaltlich schwingt in ihm sowohl das jugendliche Rebellentum, als auch die Plantagenarbeit der Schwarzen – „sing while you slave!“ und die harte Arbeit der ländlichen Amerikaner mit. Die Art des Vortrags war Country-Folk, aber von Tempo und der Härte des Anschlags der Saiteninstrumente nicht ohne die Weiterentwicklung des Rock’n’Roll denkbar. Und dazu gibt dann Dylan eben nicht den Obergitarristen – seiner vielfachen öffentlichen Wahrnehmung entsprechend – sondern macht den Crooner! „Great American Songbook“ siehe oben. Wow!
Dylan lässt also keine Möglichkeit aus, sich weiterhin als Archäologe und Historiker der amerikanischen Populärmusik zu betätigen. Auf offener Bühne. Und hoffentlich auch bald wieder bei uns.
Dylans Auftritt bei den Grammies gibt es u.a. auf youtube zu sehen.
Kommentar verfassen