Archive for the ‘Americana’ Category

Lockdown mit Dylan

2. Oktober 2020

Mal reduziert, mal majestätisch: Chrissie Hynde und James Walbourne bearbeiteten 9 Dylan-Stücke ganz lässig kongenial im Lockdown

Foto: Chrissie Hynde & James Walbourne

Bestimmt war das so: Chrissie, die ja schon seit Mitte der 1980er gut mit Bobby kann, hat direkten Zugang – mailen die oder what’sappen die? – und schreibt „I’ve recorded some stuff frim you: I want to publish it.“ Und Bob schreibt Jeff Rosen: „Hey Jeff, give Chrissie what she want“.

Britische Rockgeschichte
Uns fiel Chrissie Hynde bei Dylans Londoner Konzert 1984 erstmals auf und dann kam natürlich der so frech-lässige und ein bisschen laszive Auftritt beim 30-jährigen Plattenjubiläum mit „I Shall Be Released“. Die Frau ist britische Rockgeschichte. 1951 in den USA in Ohio geboren, zog sie 1973 nach London und gründete dort auch später „The Pretenders“, Sie war mit den britischen Rocklegenden Ray Davis (Kinks) und Jim Kerr (Simple Minds) zusammen und lebte den Rock’n’Roll. Mal engagierte sie sich für Nelson Mandela, dann wieder gegen McDonalds.

Dylan-Erlebnis im Lockdown
Die Pretenders hatten Hits, zogen sich zurück, kamen wieder hervor und sind mittlerweile eigentlich weniger eine organische Band, als das Markenformat von Hynde. In der neuesten Inkarnation rund um das neue Album „Hate für Sale“ speist sich die Gruppe aus der produktiven Zusammenarbeit von Hynde und James Walbourn. Walbourn gehört zu den Pretenders seit 2008. Eigentlich wollten sie im Frühjahr auf Tour für ihr neues Album „Hate For Sale“. Doch im Lockdown hatten sie plötzlich viel Zeit und als Dylan dann „Murder Most Foul“ und „I Contain Mutitudes veröffentlichte, war es um Chrissie geschehen. Dylan berührte sie so sehr, dass sie sich entschloss, mit Walbourne ein paar Dylan-Songs zu covern.

Und wie sie das tun ist wirklich kongenial. Sie haben sich neun sehr schöne Songs ausgesucht, deren Gemeinsamkeit und Vorteil ist, dass sie nicht schon tausenmal gecovert worden sind. Manchmal wundert man sich wirklich, denn da hat man den Eindruck so mancher Apologet kennt nur die 1960er. Doch hier kommen wir in den Genuss von Songs, die selten nachgespielt werden und daher um so stärker wirken können in der Neubearbeitung von Chrissie und James.

Berührende Interpretationen
Die Songs haben sie strikt chronologisch nach dem Entstehen veröffentlicht, so dass man auch wirklich eine Entwicklung feststellen kann. Bei „In The Summertime“ scheinen sie sich noch etwas ranzutasten, aber es gelingt ihnen eine leicht verträumte Laid Back-Version des Songs einzuspielen, die man wirklich gern hört.

Bei „You’re A Big Girl Now“ gelingt es ihnen genau, dieses Gefühl des schmerzvollen Loslassens zu treffen, das schon bei Dylan so weh getan hat.

Und es wird noch besser. „Standing In The Doorway“ gelingt Ihnen überirdisch-schwebend und Chrissies Gesang ist ein überzeugender, weil sich voran tastender Gesang. Gänsehaut!

Korrespondierende Videos mit eigenem Gehalt
Und auch die Videos dazu sind passend, haben einen eigenen, mit dem Song korrespondierenden Gehalt. Der zu „Love Minus Zero“ beispielsweise erzählt eine romantische junge Liebesgeschichte in Zeiten von Corona und „Social Distancing“.

Bei „Don’t Fall Apart On Me Tonight“ wird der Song um die Angst vor der Verlorenheit in einer kalten und brutalen Welt mit kontrastierenden Bildern von Sehnsucht, Liebe und Engagement gegen Rassismus und Gewalt illustriert.

Und ganz majestätisch endet die Lockdown Series dann schließlich mit dem wunderschönen „Every Grain Of Sand“. Das Lied über die Schönheit der Schöpfung und dem Versprechen der Erlösung ist Dylans schönstes, weil persönlichstes und unmissionarischstes Lied seiner religiösen Phase. Hier predigt kein Rachejünger, hier findet einer Gott und die Liebe im kleinsten Sandkorn. Chrissie singt den Song ebenfalls voller schönem Timbre und setzt einen würdigen Schlusspunkt unter die Lockdown Series.

Bislang keine CD oder DVD
Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wäre es ein Doppelpack CD+DVD mit allen Songs und Videos. Für mich die überzeugendste Dylan-Cover seit langem und auf einer Höhe mit den Dylan-Alben von Willie nile und Joan Osborne.

Ob das so kommt, wissen wir nicht, bisweilen müssen wir uns mit youtube und dem neuen Album „Hate For Sale“ begnügen. Aber auch mit letzterem unterstreicht Chrissie Hynde erneut ihre Ausnahmestellung im Musikbusines.

Chrissie Hynde – Meine Wiederentdeckung des Jahres!

Alle Videos:

Eine rundum gelungene Geburtstagsfeier!

27. September 2020

40. Lahnsteiner Bluesfestival: Packendes Programm und starke Künstler sorgen für tolle Atmosphäre im „Bluesclub“ in der Stadthalle

Stadthalle Lahnstein: Wo sonst die Stuhlreihen dicht an dicht gebaut sind, damit viele, viele Zuschauer jedes Jahr beim Lahnsteiner Bluesfestival das Musikprogramm verfolgen können, da sind diesmal wegen der Corona-Lage in angemessenem Abstand kleine Tische aufgebaut, an denen stets 2-3 Personen sitzen. So sind es gerade mal schätzungsweise irgendwo zwischen 60 – 80 Zuschauer, die in den Genuss gekommen sind. live dabei zu sein. Die großen Zuschauerzahlen erreicht das Festival in diesem Jahr über die Ausstrahlungen im Internet und im Fernsehen. Doch die Organisatoren rund um den Spiritus Rector des Festivals, Tom Schroeder, sind einfach nur froh, dass die Jubiläumsausgabe, das 40. Lahnsteiner Bluesfestival überhaupt stattfinden kann.

Bluesclub-Atmosphäre in der Stadthalle
Und so wird das Festival mit seinem auch in diesem Jahr wieder qualitativ besonderen und vielfältigen Programm vom Publikum denn auch in den kommenden gut vier Stunden als Geschenk aufgenommen. Denn was da auf der mitten im Parkett der Stadthalle aufgebauten runden Bühne auftritt, gehört zum Besten, was die deutsche und europäische Bluesszene zu bieten hat.

Moderator Arnim Töpel bringt in seiner Begrüßung die Atmosphäre in der Halle auf den Punkt, als er sich einen Bluesclub versetzt fühlt. Nach seinem Beginn mit dem trotzigen A-Cappella-Stück „Blues bleibt“, führt er als diesjährigen Co-Moderator Rolf Hüffer ein. Seit dem Jahr 2000 produziert und moderiert Hüffer alljährlich den 90-minütigen TV-Film vom Lahnsteiner Bluesfestival. Gemeinsam werden sie an diesem Jubiläumsprogramm Abend moderieren und kurze Interviews mit den Künstlern führen.

Mike Andersen lässt die Betriebstemperatur spürbar steigen

Mike Andersen, Foto: Cowboy Band Blog


Den musikalischen Auftakt macht dann der Däne Mike Andersen mit seiner „Big Soul And Blues Revue“. Seine fünfköpfige Stammband ist extra für diesen Anlass um den Perkussionisten Mads Michelsen und den Tenorsaxophonisten Niels Mathiasen verstärkt worden. Und die sieben Musiker lassen von Anfang an keine Blueswünsche offen. Mike Andersen ließ sich schon in seiner Jugend von Bluesgrößen wie Otis Rush für diese Musik begeistern und so ist er auch mittlerweile auch schon gut dreißig Jahre im Geschäft. Der Songwriter und Bandleader wechselt stetig zwischen E-Gitarre und Akustik-Gitarre und spielt sowohl alte Songs-, u.a. den Radio-Hit „Who’s Cheating Who“, mit dem für ihn seine Musikkarriere so richtig begann – wie auch neue. „Brandneu“, so sagt er, ist „Midnight Coffee“, es ist im Lockdown entstanden. Gekrönt wird das Blues-Rock-Stück von einem überirdisch-wilden Bottleneck-Gitarren-Solo von Johannes Nørrelykke.

Dann kommen wieder leisere Töne. Mike Andersen tritt bei „One Million Miles“ alleine mit der Akustikgitarre auf die Bühne und fesselt das Publikum. Dann kommt wieder die Band und begeistert voller Spielfreude mit weiteren musikalisch packenden Stücken wie „I Was Wrong“ oder „I Wanna Go“. Andersen und seine Band haben den Bluesclub in der Stadthalle schon ordentlich auf Betriebstemperatur gebracht und werden mit Standing Ovations verabschiedet.

„Blues-Louis“ für Manfred Miller
Nun ist wieder „Blues-Louis“-Zeit. Alljährlich wird der Preis an Persönlichkeiten verliehen, die sich um den Blues in besonderer Weise verdient gemacht haben. Zum 40. Lahnsteiner Bluesfestival bekommt ihn Mitbegründer Manfred Miller. Der 1943 geborene Miller ist einer der legendären deutschen Musikjournalisten und Populärmusikforscher, der den Blues hierzulande sowohl populär gemacht, als ihn auch tiefergehend nach seinen gesellschaftlichen Ursprüngen hin beleuchtet hat. Sein Buch „Um Blues und Groove – Afroamerikanische Musik im 20. Jahrhundert“ ist eines der Standardwerke zu dieser Musik im deutschsprachigen Raum. In einem Einspielfilm wird gezeigt, wie ihn Tom Schroeder zu Hause besucht, eine ebenso geistreiche wie wertschätzende Laudatio hält, und ihm den Preis überreicht.

Rolf Hüffer und Arnim Töpel, Foto: Cowboy Band Blog

Danach ist erstmal eine 45-minütige Umbaupause, ehe wieder Arnim Töpel und Rolf Hüffer die Bühne betreten. Mit einem Video-Mitschnitt von Highlights der letzten 20 Jahre nimmt das Programm wieder Fahrt an und der Boden wird bereitet für den zweiten musikalischen Teil des Programms. Auf der Bühne entspannt sich in den folgenden gut anderthalb Stunden ein fulminanter Reigen großartiger Musik und Musiker: Die Kai Strauss Band & The Lahnstein Birthday All Stars feat. Inga Rumpf, Giorgina Kazungu-Hass, Tosho Todorovic, Tommy Schneller, Dieter Kuhlmann und Gary Winters. Kai Strauss, eher von kleinerer, schmaler und sehniger Statur, ist mit starker Stimme und kunstvollem Gitarrenspiel ganz klar der Chef im Ring. Er und seine Band sind die Idealbesetzung, um den Gaststars eine Bühne zu bereiten und einen verlässlichen musikalischen Rahmen zu bieten. „Hard Life“ heißt sein meisterhaft vorgetragener langsamer Soul-Blues, auf den der erste Gastauftritt folgt. Saxophonist Tommy Schneller, der mit Dieter Kuhlmann (Posaune) und Gary Winters (Trompete) den Bläsersatz bildet, tritt hinter der Plexiglasabtrennung hervor und intoniert mit wunderbarer Soulstimme „Put It Where You Want It“. Es folgt das erste Interview. Kai Strauss und Tommy Schneller werden zur Blues-Hochburg Osnabrück befragt. Dort entwickeln sich auf festen Session-Strukturen immer wieder große Bluestalente.

Kai Strauss Band & The Lahnstein Birthday All Stars- ein fulminanter musikalischer Reigen

Giorgina Kazungu-Haß, Foto: Cowboy Band Blog


Giorgina Kazungu-Haß, die dann die Bühne entert, hat schon mit 16 Jahren das Publikum auf der Lahnsteiner Festivalbühne begeistert. Mit einer großartigen Blues- und Soulstimme sowie einem überragenden Temperament ausgestattet, hat sie sich dennoch entschlossen, nicht von der Musik zu leben. Erst arbeitete sie als Lehrerin, jetzt vertritt sie als SPD-Landtagsabgeordnete den Wahlkreis Neustadt – Haßloch – Lambrechter Tal im Mainzer Landtag. Für dieses Jubiläum kehrte sie aber nochmals zum Lahnsteiner Bluesfestival zurück. Und wie!

Auf der Bühne ganz extrovertierte Power-Frau, singt sie mit „A Change Is Gonna Come“ aus aktuellem Anlass eine Hymne der US-Bürgerrechtsbewegung. Der Sänger Sam Cooke ließ sich 1964 von Bob Dylans „Blowin‘ In The Wind“ zu diesem Song inspirieren. Cooke wurde im selben Jahr von einer Motelmanagerin erschossen, die genauen Todesumstände wurden nie geklärt. Bob Dylan sang eine Version des Liedes im Jahr 2004 zum 70-jährigen Bestehens des Apollo-Theaters in Harlem sicher auch zu Ehren von Cooke. Und genau diesen Song trägt Giorgina Kazungu-Haß vor und gibt ihm Tiefe, Raum und eine unbestechliche Botschaft. Gänsehautmomente!

Mit Tosho Todorovic folgt ein weiterer Vertreter der Osnabrücker Blues-Schule. Der Gitarrist und Bandleader der Blues Company spielt beeindruckende Blues-Stücke auf seiner elektrischen Gitarre. Dazwischen erzählt er launige Geschichten wie die von dem Song „Blue And Lonesome“, den Hollywood-Produzenten als Titelmelodie für einen Bluesfilm einsetzen wollten. Das klappte auch alles, jedoch kam der Film nie nach Europa. Sagt er und stürzt sich in eine ausgefeilte Version dieses Songs. Wieder Zeit für ein kurzes Interview: Diesmal fragen die beiden Moderatoren die ehemalige Lehrerin Kazungu-Haß und den aktiven Bluesdozenten Todorovic, ob man den Blues lernen könne. Klare Antwort: Die Technik ja, aber zum Blues gehört noch viel mehr.

Tosho Todorovic, Kai Strauss, Inga Rumpf, Giorgina Kazungu-Haß, Foto: Cowboy Band Blog

Inga Rumpf – die deutsche Rock- und Blueslegende begeistert
Nun ist es soweit! Der absolute Stargast des Abends betritt das Bühnenrund: die deutsche Musiklegende, Rock- und Blueskoryphäe Inga Rumpf. Seit 50 Jahren ist die im Geschäft, arbeitete u.a. mit ihrer Band „Frumpy“, mit Udo Lindenberg, Peter Herbolzheimer oder Joja Wendt. Drei Songs sang sie in ihrer unnachahmlichen Art und erntete stürmischen Beifall. Darunter die ganz starke Nummer „Slow Motion“. Und schließlich endet mit allen „Lahnstein Birthday All Stars“ gemeinsam auf der Bühne ein unvergessliches Jubiläumsprogramm. Und wieder stehende Ovationen! Es war großartig, so wie es war. Die Organisatoren haben angesichts der Corona-Bedingungen einen fantastischen Job gemacht.

Blues bleibt!
Und doch hofft man, im kommenden Jahr zur 41. Auflage wieder etwas mehr Normalität erfahren zu dürfen. Aber wie auch immer: Lahnstein zeigt – Blues bleibt!

Whiskey!

18. September 2020

Copyright: Heaven’s Door Whiskey

Und wieder meldet er sich zurück: Bob Dylans hochprozentige Neuauflage seiner Radio Show

Die Meldung von Radio Eins, deutschlandweit am 24. September exklusiv ein neues Special von Bob Dylans Theme Time Radio Hour zum Thema „Whiskey“ zu übertragen, entfachte einen großen Hype. Dylans Radio Show ist wieder da! Und wie! Sie ist Teil einer größeren Kampagne. Zu hören ist sie nämlich auch am 21. September beim Satelliten- und Streaming-Radiosender Sirius XM und ab dem 25. September u.a. auf Dylans Website http://www.bobdylan.com und auf verschiedenen Streamingportalen.

Trinken aus Philantropie
Bob Dylan macht wirklich nur noch das, was er will. Hat er vor ein paar Jahren sich sehr auf die Ausstellung seiner Zeichnungen und Malereien konzentriert, so liegt ihm nun seine Whiskey-Marke sehr am Herzen. Und was liegt da näher als verkaufsstrategisch eine Neuauflage seiner Radio Show mit dem Thema „Whiskey“ in den „Bourbon Heritage Month“ zu legen, der alljährlich im September stattfindet. Und Heaven’s Door führt just zu dieser Zeit wieder eine karitative Aktion im Rahmen seines „#ServeSomebody philanthropic program“ durch. Teile der Einnahmen des Whiskeyverkaufs von September und Oktober gehen in die Speisung von Bedürftigen. Trinken für einen guten Zweck und unser Bobby kurbelt das alles an. Großartig!

Beworben wird die Radiosendung ausführlich über die Medien der Marke „Heaven’s Door“. Für Dylan gibt die Sendung die Möglichkeit, über die unzähligen Verbindungen zwischen Whiskey und Gesellschaft, Kultur und Politik zu erzählen und viele, viele Titel zu spielen, die in Beziehung zu dem Kult-Getränk stehen und/oder dieses im Namen führen.

Wobei wir davon ausgehen können, dass er eigene Songs, in denen der Whiskey vorkommt, aussparen wird. Also werden auch nicht diese Zeilen erklingen:

„Might like to wear cotton, might like to wear silk
Might like to drink whiskey, might like to drink milk
You might like to eat caviar, you might like to eat bread
You may be sleeping on the floor, sleeping in a king-sized bed
But you’re gonna have to serve somebody, yes
Indeed you’re gonna have to serve somebody.“

Und wahrscheinlich auch nicht diese:

„I’ve been a moonshiner
For seventeen long years
I’ve spent all my money
On whiskey and beer.“

Copyright: Heaven’s Door Whiskey

Wer aber jetzt naheliegende Songs wie „One Bourbon, One Scotch, One Beer“ von John Lee Hooker oder „Whiskey In The Jar“ von „Thin Lizzy“ erwartet, der könnte enttäuscht werden. Vielleicht bekommt man eher „White Lightning“ von George Jones zu hören oder – ganz anspielungsreich – „With Whiskey on My Breath“ von der Gruppe „Love and Theft“.

Mit der Leiter zur Himmelstür
Wie auch immer, ich werde mir die Sendung mit einem schönen Glas „Heaven’s Door“ anhören. Die erste Begegnung mit Dylans Whiskeys am Gaumen und in der Kehle war auf unserer letztjährigen USA-Reise ausgerechnet im Bourbon-Mekka Bardstown. Dreimal schickten unser amerikanischer Freund und ich den Barkeeper auf die Leiter, denn der Bourbon, der Rye und der Double Barrel waren ganz oben auf dem Barschrank platziert. Also ganz stilecht mit der Leiter zur Himmelstür.

Der Bourbon war mein Favorit, leider war aber davon kein Mitbringsel möglich, so dass der ganz ordentliche Rye (in St. Louis hatte ich vorher den bis heute besten Rye meines Lebens, den dort heimischen Rally Point getrunken) meine Hausbar ziert. Geöffnet wurde die Flasche Heaven’s Door Rye – wie es sich gehört – erst zur Feier des neuen Albums in diesem Jahr.

Und was auch ganz klar ist: Sollte es irgendwann wieder möglich sein, in die USA zu reisen, dann steht natürlich der Besuch der dann hoffentlich endlich eröffneten „Heaven’s Door Distillery“ in Nashville auf dem Programm.

Whiskey und Musik
Der amerikanische Whiskey begleitet die amerikanische Populärmusik seit es beide gibt. Da kann Dylan einiges erzählen. In der Tat: Von Moonshine-Whiskey und Folksongs in den Wäldern Tennessees über Prohibition und Jazz in Chicago bis hin zu Frank Sinatras Vorliebe für zwei Finger breit Jack Daniels Whiskey, mit vier Eiswürfeln und einem Schuss Wasser. Die Verbundenheit von Sinatra zu diesem Bourbon ist so legendär, dass es mittlerweile schon eine Sinatra Selection des berühmten Tennessee-Whiskeys gibt.

Vielleicht erzählt uns Bob aber auch die Geschichte von Uncle Nearest, dem afroamerikanischen Brennmeister, der der eigentliche Erfinder des Jack Daniels Whiskey ist. Lange wurde er in der Firmengeschichte verschwiegen, heute wird er in den Führungen erwähnt. Es ist aber einer engagierten und schwarzen Schriftstellerin zu verdanken, dass es mittlerweile eine eigene Brennerei gibt, die den Uncle Nearest Whiskey auf dem Markt eingeführt hat und damit den afroamerikanischen Beitrag auch zu diesem amerikanischen Kulturgut würdigt.

Die Vorfreude wächst und innerlich der Gedanke: Es wird ja doch wieder ganz anders werden, als man denkt.

Ein paar Whiskey-Songs:

„The Man in Me“ und „The Big Lebowski“

7. August 2020

Notizen zu Song und Film

Gestern Abend bin ich mal wieder beim Zappen reingerutscht. „The Big Lebowski“. Der geniale Film der Coen-Brüder. Diese einzigartige, funkensprühende Mischung aus Buddy-Kino, Schwarzer Reihe und absurdem Trash-Movie ist Outstanding. Und dabei gefallen mir die Filme der Coen-Brüder gar nicht immer. Mir gefallen „O Brother Where Art Thou“, „Fargo“, „True Grit“ und „Inside Llewyn Davis“. Sehr oft fehlt diesen postmodernen Filmemachern aber die wirkliche Empathie für die Figuren. Sie verraten und verkaufen sie. So wie bei „Burn After Reading“ oder „No Country For Old Men“. Dann wird mitunter ein Wettrennen in skurriler Brutalität entfacht und die Firme werden zum „posen“ missbraucht. Schicksal der Figuren, Sinnhaftigkeit der Handlung? „Nö, interessiert uns nicht, wir machen lieber knall, bumm, beng!Und warum? Weil wir es können!“

„The Big Lebowski“ ist aber von Anfang an ein empathischer Film. Der „Dude“ ist ein sympathisch-harmloser Looser, genial von Jeff Bridges gespielt. Er hält sich über Wasser und ihn und seine Freunde meint man wirklich zu kennen. Die Leute, die versuchen noch den letzten Zipfel des amerikanischen Traums zu erwischen. Kohle machen, auch wenn man nicht so schlau ist und Skrupel unterdrückt. Dass sie es letztendlich doch nicht schaffen und zu Flipperkugeln zwischen verschiedenen kriminellen Gruppen werden, macht sie um so sympathischer.

Und die Coens schaffen das, indem sie aus vertrauten Versatzstücken amerikanischer Populärkultur etwas ganz neues schaffen. Bowlingbahn und Porno-Business, Los Angeles und Cowboy-Kultur sowie die multi-ethnische Zusammensetzung der amerikanischen Gesellschaft rollen den Teppich ausm auf dem die Handlung ihren Lauf nehmen kann.

Ein 50 Jahre alter programmatischer Song
Dass dann „The Man in Me“, dieses nun 50 Jahre alte Stück von Bob Dylans Album „New Morning“ der quasi-Titeltrack des Films ist, ist ebenso passend wie große Ironie. Denn wie singt Bobby so schön: „The man in me will do nearly any task/ And as for compensation, there’s little he would ask/ Take a woman like you/ To get through to the man in me.“

Und genau so einer ist der „Dude“ eigentlich nicht. Vielleicht war er es mal. Aber jetzt will er keine Verantwortung mehr übernehmen und keine Arbeiten erledigen. Er ist so desillusioniert, nur das „Bowlen“ gibt ihm einen Halt. Eine ruhige Kugel schieben, seine Freunde treffen und einen „White Russian“ trinken – das strukturiert ihm den Tag. Man könnte darüber lamentieren, man könnte zornig die Ungerechtigkeit anprangern – aber ganz postmodern enthalten sich die Coen-Brüder der Bewertung und zeigen stattdessen, das was ist. Die von mir aufgeführten schlechten Filmbeispiele aber zeigen, was aus postmodernem „Anything Goes“, das ja auch das kulturelle Gegenstück zur neoliberalen Politik- und Wirtschaftssphäre ist, werden kann.

Wärme und Menschlichkeit als universelle Werte
Hier aber liegt der Fall anders. Denn der „Dude“ zeigt in dieser aufregenden Episode seines ansonsten doch ziemlich ereignisarmen Lebens, dass er doch noch so einige menschlich Reflexe beherrscht. Verpeilt, aber letztendlich dann doch empathisch und auf seine Art verantwortungsvoll.

Wie singt doch Bobby: „The man in me will hide sometimes to keep from bein’ seen/ But that’s just because he doesn’t want to turn into some machine/ Took a woman like you/ To get through to the man in me.“ Ja, auch der Dude möchte nicht auffallen, kein großes Aufheben machen, gar nicht im Licht der Öffentlichkeit stehen. John Waynes konservativ-knorriges „Ein Mann muss tun, was ein Mann tun muss“ werden hier von Dylan und dem Dude zweifach gebrochen, um viel selbstverständlicher, gleichberechtigter und wärmer neu zusammengesetzt zu werden.

Für Bob Dylan war es 1970 in der Hochphase seines Rückzugs ins Familienleben ein programmatisches Lied. Er will keine Maschine werden, der auf Knopfdruck seriell funktioniert. Der Lieder am Fließband schreibt, Konzerte gibt und auf Künstlerparties abhängt. Er will nur sein Leben führen, ohne allzu große Aufregung und Öffentlichkeit. Das will der „Dude“ auch.
Die verschränkte Ironie des Gebrauchs dieses Bob Dylan-Songs für diesen Film ist aber nun die: Für Dylan war die Ruhe in familiärem Rückzug nur eine kleine Insel in einem Meer von „stardom“. Für den „Dude“ war die aufregende Kriminalgeschichte nur eine Insel in einem Meer von Langeweile und Bedeutungslosigkeit.

Dass der Song aber so wunderbar funktioniert zeigt wieder einmal mehr die Qualität von Dylans zeitlosem Songwriting. „The Man In Me“ – ein Klassiker voller Wärme und Menschlichkeit. Und auch wenn es nicht typisch für die Coen Brüder sein mag: Auch beim „Dude“ sind – aller Antriebslosigkeit, Verpeiltheit und Erfolglosigkeit zum Trotz – diese positiven universellen Werte zu spüren.

Drei Versionen von „The Man In Me“

Bob and Bruce (eh…the other one!)

17. Juli 2020

Nein, hier geht es nicht um die erneute Untersuchung des Verhältnisses von Dylan zu Springsteen. Bruce Hornsby ist der Bruce, um den es heute hier gehen soll. Er veröffentlicht am 14. August seine neuen Longplayer „Non-Secure Connection“, der zahlreiche Kollaborationen mit anderen Künstlern enthält, aber keine mit Dylan.

Gemeinsame Freunde: David Mansfield und „Grateful Dead“
Dabei gibt es doch einige Verknüpfungen und Gemeinsamkeiten der beiden. Doch beginnen wir vorne. Hornsby gründet 1986 seine Band „Bruce Hornsby and The Range“. Und wer ist mit dabei? David Mansfield! Der Geiger und Komponist spielte sowohl mit Bob Dylan auf der Rolling Thunder Tour 1975/76 als auch auf der Welttournee 1978. Später spielte er Steven Soles und T Bone Burnett in der „Alpha Band“ und komponierte Filmmusik und schauspielerte für den Western Heaven’s Gate (Die berühmte Rollschuhszene!). Um sich dann eben sich mit Hornsby zusammenzutun. Allerdings verließ er die Gruppe bereits vor ihrer ersten Tour wieder.

Der größte Hit Hornsbys und heute noch gerne gespielt im Radio ist „The Way It Is“. Hinter der butterweichen, gefälligen Pop-Produktion, die von Hornsbys Klavierspiel geprägt ist, entpuppt sich der Song als ein kritischer Blick auf Armut und Rassismus als Kontinuitäten der amerikanischen Gesellschaft. Auch für andere schreibt er Hits, beispielsweise für Huey Lewis & The News („Jacob’s Ladder“) und 1989 zusammen mit Don Henley (Ex-„Eagles“) „The End Of The Innocence“. Den spielen die beiden Künstlern fortan in ihren Konzerten.

Ab 1990 spielt er für einige Jahre dann auch bei Dylans Freunden von „The Grateful Dead“ mit. Und 1990 schließlich arbeitet er dann direkt mit Dylan zusammen. Da ist Hornsby einer der unzähligen Gastmusiker, die Produzent Don Was für „Under The Red Sky“ anschleppt.

Gastmusiker bei „Under The Red Sky“
In einem Artikel des britischen Musikmagazins „Uncut“ aus dem letzten Jahr beantwortete Hornsby die Leserfrage, wie es denn so war, mit Dylan zu arbeiten: „Bob kam ins Zimmer, er trug einen großen Hoodie mit einer Baseballkappe darunter. Er stellte sich uns vor, dann ging er zu einem Tisch und begann, alle seine Taschen zu leeren und all diese Servietten und Hotelpapiere herauszuholen, die mit Notizen gefüllt waren. Dann kam er zum Klavier und brachte mir dieses großartige Lied mit dem Titel „Born In Time“ bei. Das war ein surrealer Moment für mich, als ich mich daran erinnerte, wie wichtig seine Musik für mich als Kind war. Also haben wir das aufgenommen, dann haben wir eine kleine Pause gemacht und sind zurückgekommen und haben diesen kleinen Ein-Akkord-Jam gestartet. Plötzlich kommt Bob herein, geht zum Tisch, durchsucht die Servietten, nimmt eine und geht zum Mikrofon und beginnt zu singen. Und das wurde ein Song auf der Platte namens „TV Talkin ‚Song“. Sprechen wir über Spontanität!“

„The End Of The Innocence“
Ob die Begegnung oder die gemeinsamen Weggefährten Einfluss auf die Songauswahl von Dylan auf seiner Tour Herbsttour 2002 hatte, ist schwer zu sagen. Da sang er mehrmals „The End Of The Innocence“. Der Song, den Hornsby mit Henley schrieb ist wieder so ein gefälliges Pop-Rock-Stück mit engagiertem, kritischem Text, der allgemein als Aussage gegen Ronald Reagans Außen und Rüstungspolitik angesehen wird, aber natürlich auch als allgemeine Metapher gegen den Wahnsinn des Krieges gesehen werden muss. Und damit im Herbst 2002 erneut aktuell wurde, als George W. Bush den Krieg gegen den Irak vorbereitete.

Etwas weiteres Verbindendes beschreibt Tony Atwood auf der Website „Untold Dylan“ . Die beiden hätten bei die Empathie für die Nöte der kleinen Farmer gemein. Und Hornsby wiederum hat immer mal wieder Dylan-Titel im Gepäck. U.a. auch immer wieder „Girl From The North Country“. Der Song soll ihn der Legende nach beim Schreiben von „The Way It Is“ beeinflusst haben.

Auf jeden Fall ist Bruce Hornsby auch ein Künstler mit dessen Musik die Beschäftigung lohnt. Auch seine Viesleitigkeit ist faszinierend. Denn abseits von Pop und Rock hat er auch großes Faible füer Folk und Bluegrass. U.a. hat er mit der Bluegrass-Legende Ricky Skaggs eine Platte zusammen eingespielt.

Die Besprechung von Hornsbys neuem Album ist dann demnächst auf http://www.country.de zu lesen.

Bruce Hornsby: The Way It Is

Bob Dylan live: The End Of The Innocence“

Die Muse Amerika

10. Juli 2020

Und noch mehr Notizen zu Rough And Rowdy Ways“: Dylan singt in „Mother Of Muses“ auch über sein Land

General William T. Sherman, Foto: Wikimedia Commons

Der Song klingt erst wie eine alte Folk-Ballade aus dem US-Bürgerkrieg, dann noch älter. Als würde Homer sein Lied singen und die Laute anschlagen. Denn Dylan ruft die alten griechischen Musen an: Mnemosyne und Calliope.

Wie ein uraltes Lied
Doch die dritte Strophe führt aus der Antike mitten in das 19. und 20. Jahrhundert, als die Grundlagen des amerikanischen Jahrhunderts gelegt wurden:

Sing of Sherman, Montgomery and Scott
And of Zhukov, and Patton, and the battles they fought
Who cleared the path for Presley to sing
Who carved the path for Martin Luther King
Who did what they did and they went on their way
Man, I could tell their stories all day

Sherman ist natürlich der legendäre General aus dem US-Bürgerkrieg, Montgomery ein amerikanischer General des Unabhängigkeitskrieges und Winfield Scott war ein US-General, der die US-Armee im 19. Jahrhundert bis in den Bürgerkrieg hinein prägte. Zhukov war der oberste russische Militär im 2. Weltkrieg und Patton ein legendärer amerikanischer Haudegen in diesem Krieg.

Die ersten drei stehen für die Entwicklung und Ausdehnung der USA mittels teilweise grausamer Kämpfe gegen die Briten, die Indianer, die Mexikaner und die US-Südstaaten. Die letzten beiden für den Sieg über den Faschismus und die Befreiung Europas.

Dylan sang über den Aufstieg des Landes…
Bei aller Fragwürdigkeit mancher Feld- oder Charakterzüge dieser Männer sieht Dylan diese Siege als Voraussetzung des amerikanischen Jahrhunderts an. Diese Kämpfe sind die Voraussetzung für den Sieg Amerikas und Russlands über den Faschismus, für Elvis und eine globale Rock- und Jugendkultur und für Martin Luther King und dem Glücksversprechen, Rassismus und Ungleichheit zu beenden.

Dylan weiß um die Widersprüche im Kampf für die Freiheit. Er weiß um die Widersprüche seines Landes. Er hat in frühen Jahren mit „With God On Our Side“ schon einmal den Aufstieg der Vereinigten Staaten besungen. Hat ihre Kriege aufgezählt. Er weiß, dass Amerika eine einzigartige Populärkultur hervorgebracht hat, aber auch Gewalt, Indianerkriege und Rassismus. Dies beschäftigt ihn seinem Alter in diesen Zeiten um so stärker.

Elvis Presley, Foto: Wikimedia Commons

Dylan bringt exemplarisch ja auch mit „Murder Most Foul“ die zwei Seiten Amerikas poetisch zum Klingen. Und nicht von ungefähr spricht Dylan im die Veröffentlichung des Albums begleitenden Interview über das Sand-Creek-Massaker an den Cheyenne und Arapahos im Jahr 1864 und über den Tod George Floyds dieser Tage. Dylan hat die schwarzen Märtyrer Emmett Till und George Jackson besungen und hat vor wenigen Jahren erst gesagt, man müsse nur die Namen austauschen, diese Songs hätten noch immer ihre Gültigkeit.

…nun singt er über den Niedergang
Dylan singt auf diesem Album den Schwanengesang auf Amerikas vermeintliche Größe, er singt im fortgeschrittenen Alter über den Niedergang Amerikas. Er kassiert den amerikanischen Traum ein, weil der schon immer auch den Albtraum inkludiert hatte. Dylan argumentiert dialektisch. Und wie bei Dylan üblich liefert er auch hier nur die Analyse. Denn den Reim darauf, also den Weg um diese Widersprüche zu überwinden, den müssen wir selbst finden.

Das Lied zu Shermans „March Through Georgia“:

Und Elvis‘ erster Hit:

Bob Dylan, Freud und Marx

6. Juli 2020

Zwei große Denker in der Hölle: Weitere Notizen zu Rough And Rowdy Ways.

Sigmund Freud, copyright: wikimedia commons

Ja, da musste ich schon schlucken, als ich bei „My Own Version Of You“ hören musste, dass mein Singer-Songwriter-Hero dort kurzerhand zwei meiner wichtigsten Einflüsse zum Verständnis von Mensch und Gesellschaft kurzerhand in die Hölle verfrachtet und auspeitschen lässt:

„Step right into the burning hell/ Where some of the best known enemies of mankind dwell/ Mister Freud with his dreams and Mister Marx with his axe/ See the raw hide lash rip the skin off their backs“

Da kam auch manch anderem Zeitgenossen wieder die gesellschaftspolitisch dunklen Gospel-Jahre in den Sinn. Immer noch so hart drauf? Davon sollten wir nicht ausgehen, sei allen „Right Wing-Bob“-Jüngern ins Stammbuch geschrieben. Denn im Gegensatz zur Ur-Version von „Gonna Change My Way Of Thinking“ mit seinem Bashing von Karl Marx und Henry Kissinger handelt es sich hier nicht um ein persönliches Manifest, sondern um eine Art dunklen Novelty Song. In dem Song stecken ja einige humorvolle Bilder – „I’ll take Scarface Pacino and the Godfather Brando/ Mix ‘em up in a tank and get a robot commando“! – also kann man auch hier davon ausgehen, dass das zumindest augenzwinkernd ironisch gemeint ist. Einfach zu dick aufgetragen, um wahr zu sein.

Vielleicht hebt Dylan hier aber auch nur auf eine allgemeine Sichtweise der beiden Intellektuellen ab. Denn von den Herrschenden sind sie ja tatsächlich immer als zu kritische Geister angesehen worden, die die Ordnung gefährden. Jeder wird hier mit seinem Werkzeug eingeführt, mit denen sie angetreten sind, das menschliche Zusammenleben und die Welt zu verändern. Freud mit der Traumdeutung, um dem Individuum ein Instrument zur Selbsterfahrung zu geben, Marx mit der Axt, um die gesellschaftlichen Ketten in denen das Proletariat liegt, zu zerschlagen.

Karl Marx, copyright: wikimedia commons

Auch sollte man das lyrische Ich nie mit dem Sänger Bob Dylan verwechseln. Warum sollte ein Dr. Frankenstein, der Menschen am Reißbrett entwirft und im Labor erschafft, denn eigentlich ein Interesse an einem individuell und gesellschaftlich befreiten Individuum haben? Der Mann, der den Golem erschafft, ist ein autokratischer, selbstverliebter Herrscher und muss deswegen Freud und Marx zu Feinden der Menschheit erklären.

Einige Dylan-Foristen haben zudem auf das Mitleid mit den Unterdrückten verwiesen, das hier anstatt der Verdammung ausgelöst würde. Finde ich auch, wer so dick aufträgt, weiß um die Wirkung. Hier wird keiner verdammt, hier wird absurdes Theater gespielt.

Und das den ganzen Song über auf hohem Niveau und mit hohem Unterhaltungswert. „My Own Version Of You“ – einer meiner unbestrittenen Favoriten auf dem Album!

Einer von vielen Song über Freud:

Und auch Karl Marx war ein talentierter Songwriter:

Bob Dylans amerikanische Geschichtsschreibung

22. Juni 2020

New York Public Library, Copyright: Wikimedia Commons.

Notizen zu „Rough And Rowdy Ways“: Das neue Album nimmt auch Amerikas raue und rauflustige Wege in den Fokus.

Ich habe immer wieder betont, dass in Bob Dylans Werk auch nach Ende seiner „Protest-Phase“ keineswegs gesellschaftliche Entwicklungen ausgeblendet werden. Er hat im Laufe der Karriere immer wieder treffende Bilder und Beschreibungen für gesellschaftliche Zustände gefunden. „Von All Along The Watchtower“ über „Hurricane“ bis hin zu „Workingman’s Blues #2“. Er sieht aber seine Aufgabe als Künstler darin, gesellschaftliche Entwicklungen in Worte, Bilder und Songs aufzugreifen und nicht darin, als politischer Aktivist für eine Sache einzutreten. Musik kann nicht die Welt verändern, aber den Menschen auf die Sprünge helfen, es zu tun. Auch in diesem Sinne hat Dylan gleich mehrere Generationen beeinflusst.

Dylan schreibt amerikanische Geschichte
Seit der junge Bob Dylan in der New York Public Library gierig nach Erkenntnissen die Zeitungen aus der Epoche des amerikanischen Bürgerkrieges geradezu verschlungen hat, lässt er uns an seiner Art der amerikanischen Geschichtsschreibung teilhaben. „With God On Our Side“ hat die Kriege im Blick, die Amerika zur Weltmacht haben aufsteigen lassen. Von den Indianer-Feldzügen bis zum Kalten Krieg. In „Only A Pawn In Their Game“ klärt er über die Mechanismen des sich immer weiter vererbenden Rassismus in den Südstaaten auf. Und in „Blind Willie McTell“ malt er ein großformatiges Bild des Südens mit Plantagen und Galanterie, Rassismus und Religion. Vom Zeltgottesdienst über die Minstrel Show bis zu Bootlegin‘ Whiskey und Blind Willie McTells Blues.

Wenn nun Dylans neues Werk „Rough And Rowdy Ways“ betitelt ist, so mag das zwar vordergründig ein Selbstbild des Künstlers oder seinem „lyrischen Ich“ sein, es ist aber mindestens genauso auf den Aufstieg und den Niedergang Amerikas gemünzt. Einem Amerika, dessen Geburtsfehler, Lebenslügen, dessen Widersprüche und Aberwitzigkeiten nun angezündet von der Lunte eines diabolisch-dummen Neros im Weißen Haus, das Land ex- und implodieren lassen. Einem kindischen Nero, der das amerikanisch-raue, laute und rauflustige geradezu idealtypisch verkörpert.

Dylans musikalische Geschichtsstunden beschränken sich auf diesem Album nicht auf das offensichtliche „Murder Most Foul“, in dem Dylan den Beginn der Abwärtsspirale auf den 22. November 1963, den Tag der Ermordung John F. Kennedys, datiert. Dylan hatte sich nur wenige Monate nach dem Attentat vor Ort in Dallas umgesehen und teilt seitdem die Meinung vieler in den USA, dass dieses Attentat nie wirklich vollständig aufgeklärt wurde. Auch in anderen Songs äußert sich Dylan zum Weg Amerikas.

Dialektik von Aufklärung und Befreiung
In „Mother Of Muses“ singt Dylan: „Sing of Sherman, Montgomery and Scott/ And of Zhukov, and Patton, and the battles they fought/ Who cleared the path for Presley to sing/ Who carved the path for Martin Luther King/ Who did what they did and they went on their way/ Man, I could tell their stories all day.“ Damit treibt er die Widersprüche und die Dialektik von Aufklärung und Befreiung auf die Spitze. Denn Shermans grausamer, vernichtender Feldzug durch Georgia brach die Kriegsmoral der Menschen im Süden. Eine Moral, einen Krieg weiterzuführen, in dem der Süden für sein Recht kämpfte, weiterhin Menschen zu versklaven. Und Patton, der im 2. Weltkrieg mit der US-Army Europa vom Faschismus befreite, war durchaus ein fragwürdiger Charakter. Doch beide bereiteten den Boden dafür, dass der weiße Presley die Musik der Schwarzen sang, die eine Nachkriegsjugend global adaptierte, als auch dass Martin Luther King die Bürgerrechte der Schwarzen einfordern konnte und Hoffnung auf politische Veränderung im Sinne der Menschen aufkeimte.

Song aus der „Great Migration“
„Goodbye Jimmy Reed“ wiederum ist durchaus auch als eine Geschichte über eine typische afroamerikanische Biographie aus der Zeit der „Great Migration“ zu verstehen. Reed wurde 1925 in Mississippi im tiefsten Süden geboren und ging wie viele Afroamerikaner seiner Zeit 1943 nach Chicago, arbeitete erst bei der Marine, dann im Schlachthof und kam dort in Kontakt mit Leuten aus der Bluesszene und würde selbst einer ihrer Stars. Dieser Jimmy Reed wird hier besungen von einem Afroamerikaner, der es nicht geschafft hat. Der mit dem Rassismus und der Gewalt in Virginia kämpft – „They threw everything at me, everything in the book/ I had nothing to fight with but a butcher’s hook/ They had no pity, they never lent a hand/ I can’t sing a song that I don’t understand“ – und über sein Idol ins Schwelgen gerät.

Böse Prediger
Auch „False Prophet“ ist nicht nur irgendwo zwischen Selbstporträt, Weltgeist und Teufel angesiedelt. Der „False Prophet“ steht auch für die in den USA wohlbekannte Figur des gefährlichen Predigers, des zur Gewalt anstiftenden Anführers. Robert Mitchum in „Die Nacht des Jägers“, Andy Griffith in „A Face In The Crowd“ oder William Shatner in „Weißer Terror“ haben ihm Gesichter gegeben. Dylan hat ihn in Songs wie „Man Of Peace“ oder „Man In The Long Black Coat“ verewigt. Diesmal scheint der amtierende Präsident als falscher Prophet benannt zu werden: „Hello stranger, hello and goodbye/ You rule the land but so do I/ You lusty old mule, you got a poisoned brain/ I’ll marry you to a ball and chain.“ Dass der Schatten des gehängten Mannes auf dem Cover von „False Prophet“ dem Orangefarbenen ähnelt, scheint ein weiterer Beleg dafür zu sein.

Dylans Sehnsuchtsort

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„Key West“ in Florida dagegen ist Dylans Sehnsuchtsort des anderen Amerika. Hier haben die Beatniks Ginsberg, Corso und Kerouac gelebt, hier verbrachten Tennessee Williams, Louis Armstrong oder Ernest Hemingway Teile ihres Lebens. Wenn er das Bild „I was born on the wrong side of the railroad track“ benutzt, dann identifiziert er sich auch hier wieder mit der afroamerikanischen Community, deren Platz stets am Rande der Orte, in den windschiefen Hütten hinter den Eisenbahnschienen war. Hier in Key West haben sie alle ihren Platz. Alle Menschen, alle Ethnien können nach ihrer Fasson im liberalen und optimistischen Klima zu sich selbst finden, nachdem sie am restlichen Amerika den Verstand verloren haben.

Dylans Erzählung vom amerikanischen Sehnsuchtsort beginnt mit der Ermordung Williams McKinleys, dem US-Präsidenten, der die Nation in den imperialistischen spanisch-amerikanischen Krieg 1898 geführt hatte und 1901 an den Folgen eines anarchistisch motivierten Attentats starb. Schon der Old Time Musiker Charlie Poole hatte McKinley im „White House Blues“ besungen. In Key West zog sich während des spanisch-amerikanischen Krieges die US-Flotte zusammen. Dylan lässt hier McKinley nochmals sterben, um Key West die Unschuld zurück zu geben, die es braucht, um zum Sehnsuchtsort des anderen Amerikas zu sein. Ein Ort, der sogar sein „Little White House“ besitzt, den Wintersitz des US-Präsidenten Harry S. Truman. Und Dylan setzt auch wieder ein Zeichen für religiöse Toleranz. Singt er in „Goodbye, Jimmie Reed“: I live on a street named after a saint/ Women in the churches wear powder and paint/ Where the Jews and the Catholics and the Muslims all pray/ I can tell a party from a mile away“ – nebenbei auch ein Wink wie nah der Juke Joint an der Kirche liegt – so heißt es hier „I play gumbo limbo spirituals/ I know all the Hindu rituals/ People tell me that I’m truly blessed.“ Auch in religiöser Hinsicht stimmt die Selbsteinschätzung „I Contain Multitudes“.

Und so sind die letzten Zeilen des letzten Songs der ersten CD denn auch die Anti-These zu so vielem, was vorher auf dieser Platte von Dylan beklagt und besungen wurde. Wenn die Welt ein besserer Ort werden möchte, dann sollte sie sich ein Beispiel an Key West nehmen: „Key West is paradise divine/Key West is fine and fair/ If you lost your mind, you’ll find it there/ Key West is on the horizon line.“

Songs aus der Corona-Isolation

30. Mai 2020

J.S. Ondara überrascht mit neuem Album

Für den Blogger war das nach der Albumankündigung von Bob Dylan der überraschendste und größte musikalische Moment während der Corona-Krise: J.S.Ondara hat kurzerhand auf allen digitalen Plattformen gestern aus dem Nichts heraus ein neues Album veröffentlicht. Die physische Veröffentlichung folgt Ende August, aber der historische Moment ist jetzt. „Folk n’ Roll Vol. 1: Tales Of Isolation“ ist in nur drei Tagen nach wochenlanger Isolation und Nichtstun entstanden. Es musste jetzt raus.

Ondara knüpft in Echtzeit da an, wo der Vorgänger „Tales Of America“ aufhört. Er sieht dem auseinanderbrechenden Amerika während der Corona-Krise zu und erzählt in „Pulled Out Of The Market“ von arbeitslosen Restaurantbedienungen und gefeuerten Arbeitern. Er erzählt in „Isolation Depression Syndrome (IDS)“ von seinen Ängsten, von seiner Isolation und Depression und er singt in „Ballad Of Nana Doline“ über die typisch amerikanische Lebensgeschichte einer älteren Frau bis zu ihrem Tod durch Corona.

Ondara, hat sich ja seinen amerikanischen Bob Dylan-Traum erfüllen können und siedelte vor ein paar Jahren von Kenia über nach Minneapolis. Weil er da Verwandte hat und weil Bob Dylan aus Minnesota kommt. Die jetzigen Unruhen und die Ermordung George Floyds in seiner neuen Heimatstadt, konnten noch nicht in die neue Musik einfließen. Aber die Geschehnisse gegen die ja auch in Louisville, Denver, Dallas, Los Angeles, New York und Washington demonstriert wird, sind ja ohnehin ein trauriges Kontinuum für die afroamerikanische Community. Polizeigewalt ist für Afroamerikaner eine das ganze Leben durchziehende reale Bedrohung.

Ondara, für den ich mir sehr gewünscht habe, dass er sein starkes Debütalbum bestätigt, hat sein Soll mehr als erfüllt. Er ist der derzeit schärfste Beobachter des amerikanischen Alptraums und er tut dies in einer Bildsprache, die klar und kräftig ist, er tut dies in Songs, die spannende Geschichten erzählen, mit Gesang und Melodien, die absolut mitreißend sind. Und das alles macht er mit einer großen Empathie für die Menschen.

Eigentlich wollte er ein ganz anderes Album herausbringen, eines mit voller Band, aber jetzt er sich aus der Not heraus ganz alleine in große Höhen geschwungen. J.S. Ondara wird man wirklich fest im Auge behalten müssen. Er ist zu gut, um stehen zu bleiben. Ganz wie sein großes Vorbild.

Bob Dylan visits Jimmie Rodgers & The Carter Family

10. Mai 2020

„Rough And Rowdy Ways“ ist auch eine Hommage an die frühen Ikonen der Countrymusik

Bob Dylan – Rough And Rowdy Ways. Bildrechte: Columbia, Sony Music

Bob Dylan neues Album heißt „Rough And Rowdy Ways“. Im Inneren der Doppel-CD befindet sich ein Bild von Jimmie Rogers mit der Carter Family. Sie waren die ersten Stars der Countrymusik. Was hat dies miteinander zu tun hat und was bedeutet das? Nun, „My Rough & Rowdy Ways“ ist der Titel eines alten Jimmie Rodgers-Song. Dies und das Bild deuten möglicherweise auf eine besondere Inspiration Dylans für dieses Album hin, die von den Musiklegenden ausgegangen sein könnte. Dylans Karriere weist ohnehin viele Bezüge zur Musik dieser Künstler aus. Gehen wir dem doch mal ein bisschen genauer auf den Grund.

Der „Big Bang“ der Country Music
Es war der „Big Bang of County Music“ wie sich Johnny Cash auszudrücken pflegte. Als 1927 während der Auditions in Bristol, Tennessee/Virginia, die Sterne von Jimmie Rodgers und der Carter Family aufgingen. Mit ihnen fing die Countrymusik an. Der eine, Jimmie Rodgers aus Meridian, Mississippi, mischte Hillbillymusik mit schwarzem Blues und Jazz, sowie urbanem Schlager zu einer ganz wilden einzigartigen Mischung, die anderen, „The Carter Family“ aus dem Poor Valley in Virginia, sangen wie sonst niemand die alten Folk-Balladen der Appalachen und machten sie zu Hits. Während Rodgers viele ikonische Bilder des alten, gefährlichen Amerika in die Countrymusik einbrachte – „T For Texas“, „Waiting For A Train“, „In The Jailhouse Now“, konservierten die Carters die Atmosphäre des ländlichen Südens – Tradition, Armut, Arbeit, Glauben, Liebe, Hoffnung – auf Tonträgern. Beide Acts konnten durch die massenhafte Reproduktion von Tonträgern und Abspielgeräten sowie der Verbreitung der Songs im immer stärker aufkommenden Radio Ende der 1920er/Anfang der 1930er zu den ersten Popstars der Countrymusik werden.

50 Jahre später waren sie aber immer noch ursprünglich genug, Vorbilder für die jungen Folkies der frühen 1960er Jahre werden, die für die kommerzielle Nashville-Countrymusik dieser Jahre wenig übrig hatten. Auch der junge Bob Dylan hatte die frühen Countryhelden für sich entdeckt und Songs wie „Bury Me Beneath The Willow“ der Carter Family gespielt, das er über Woody Guthries Version kennengelernt haben sollte. Er nutzte die Melodie ihres „The Wayworn Traveler“ für seinen Song „Paths of Victory“ und hatte im Laufe seiner Karriere immer Songs der Carter Family wie „Little Moses“ oder „Girl From The Greenbriar-Show“ im Programm. Auch bei den Basement Tapes-Sessions waren die Songs der Carter Family, wie „Wildwood Flower“, stets präsent.

Vorbilder für die jungen Folkies
Jimmie Rodgers war für Dylan aufgrund seiner Hobo-Songs besonders interessant. Seine Songs kamen denen der „Anthology of American Folk Music“, die Harry Smith zusammengestellt hatte, recht nahe. Diese Zusammenstellung, die zwar keinen Rodgers-Song, dafür aber vier Nummern der Carter Family enthält, war auch für Dylan das reine Eldorado.

Sicher hat auch die Freundschaft zu Johnny Cash, der ja Mitte der 1960er quasi in die Carter Family eingeheiratet hatte, als er den Ehebund mit June Carter schloss, ihren Anteil an der Inspiration durch die Säulenheiligen der Countrymusik. Bei den erst im letzten Jahr offiziell veröffentlichten Dylan/Cash-Sessions von 1969 haben die beiden u.a. auch ein Jimmie Rodgers Medley eingespielt. Und bei den Sessions mit Earl Scruggs 1970 wurde mit dem „East Virginia Blues“ auch ein Song von A.P.Carter gespielt.

Bildrechte: Sony Music

Als Dylan sich Anfang der 1990er in einer Schaffenskrise befand, da half ihm explizit die Rückbesinnung auf die alten Folksongs. „Good As I Been To You“ und „World Gone Wrong“ sind die Dokumente. Mit zu dieser Rückbesinnung gehörten auch 1992 die Aufnahme-Sessions mit David Bromberg, bei denen der alte Jimmie Rodgers-Titel „Miss The Mississippi And You“ eingespielt wurde, das erst 2008 auf „Tell Tale Signs. The Bootleg Series Vol. 8“ veröffentlicht wurde.

Bob Dylan zollt Tribut
1997 erscheint auf Bob Dylans eigenem Label Egyptian Records das Tribute-Album „The Songs Of Jimmie Rodgers. A Tribute“ für das Dylan viele prominente Kolleginnen und Kollegen dazu gewinnen konnte, Songs des „Singin‘ Brakeman“ neu zu interpretieren. Darunter Van Morrison, Willie Nelson, Steve Earle, Mary Chapin Carpenter, Alison Krauss und Iris Dement. Dylan selber steuert „My Blue Eyed Jane“ bei. In den Liner Notes schreibt er: „Jimmie Rodgers ist natürlich eines der Leitsterne des 20. Jahrhunderts, dessen Umgang mit Liedern immer eine Inspiration für diejenigen von uns war, die dem Weg gefolgt sind. Ein lodernder Stern, dessen Klang die rohe Essenz der Individualität in einem Meer der Konformität war und bleibt, par excellence ohne Vergleich.“

2003 dann ein besonderes Kabinettstückchen. Er nimmt mit Mavis Staples für das Album „Gotta Serve Somebody – The Gospel Songs of Bob Dylan“ ein Duett von „Gonna Change My Way Of Thinking“ auf, das in eine kleine Rahmenhandlung eingebettet ist, die der berühmten Aufnahme „Jimmie Rodgers visits The Carter Familie“ nachempfunden ist.

Und 2012 schließlich bedient er sich für seinen Song „Tempest“ beim Motiv und bei der Melodie der Carter Family-Ballade „The Titanic“. Wieder einmal „Love And Theft“. Doch während der Song der Carter Family voller Empathie gerade für die ärmeren Schiffsreisenden der unteren Stände war, rechnet Dylan gnadenlos mit den vermögenden und hochgestellten Teilnehmern der Dampferfahrt ab, deren Geld, Macht und Waffen sie nicht vor dem Untergang des Schiffes retten kann.

Nun also rund um das neue Album zwei neue Fundstellen des besonderen Verhältnisses zu den musikalischen Urahnen. Wir dürfen gespannt sein, ob da noch mehr kommt.