Posts Tagged ‘Jimmie Rodgers’

Bob Dylan visits Jimmie Rodgers & The Carter Family

10. Mai 2020

„Rough And Rowdy Ways“ ist auch eine Hommage an die frühen Ikonen der Countrymusik

Bob Dylan – Rough And Rowdy Ways. Bildrechte: Columbia, Sony Music

Bob Dylan neues Album heißt „Rough And Rowdy Ways“. Im Inneren der Doppel-CD befindet sich ein Bild von Jimmie Rogers mit der Carter Family. Sie waren die ersten Stars der Countrymusik. Was hat dies miteinander zu tun hat und was bedeutet das? Nun, „My Rough & Rowdy Ways“ ist der Titel eines alten Jimmie Rodgers-Song. Dies und das Bild deuten möglicherweise auf eine besondere Inspiration Dylans für dieses Album hin, die von den Musiklegenden ausgegangen sein könnte. Dylans Karriere weist ohnehin viele Bezüge zur Musik dieser Künstler aus. Gehen wir dem doch mal ein bisschen genauer auf den Grund.

Der „Big Bang“ der Country Music
Es war der „Big Bang of County Music“ wie sich Johnny Cash auszudrücken pflegte. Als 1927 während der Auditions in Bristol, Tennessee/Virginia, die Sterne von Jimmie Rodgers und der Carter Family aufgingen. Mit ihnen fing die Countrymusik an. Der eine, Jimmie Rodgers aus Meridian, Mississippi, mischte Hillbillymusik mit schwarzem Blues und Jazz, sowie urbanem Schlager zu einer ganz wilden einzigartigen Mischung, die anderen, „The Carter Family“ aus dem Poor Valley in Virginia, sangen wie sonst niemand die alten Folk-Balladen der Appalachen und machten sie zu Hits. Während Rodgers viele ikonische Bilder des alten, gefährlichen Amerika in die Countrymusik einbrachte – „T For Texas“, „Waiting For A Train“, „In The Jailhouse Now“, konservierten die Carters die Atmosphäre des ländlichen Südens – Tradition, Armut, Arbeit, Glauben, Liebe, Hoffnung – auf Tonträgern. Beide Acts konnten durch die massenhafte Reproduktion von Tonträgern und Abspielgeräten sowie der Verbreitung der Songs im immer stärker aufkommenden Radio Ende der 1920er/Anfang der 1930er zu den ersten Popstars der Countrymusik werden.

50 Jahre später waren sie aber immer noch ursprünglich genug, Vorbilder für die jungen Folkies der frühen 1960er Jahre werden, die für die kommerzielle Nashville-Countrymusik dieser Jahre wenig übrig hatten. Auch der junge Bob Dylan hatte die frühen Countryhelden für sich entdeckt und Songs wie „Bury Me Beneath The Willow“ der Carter Family gespielt, das er über Woody Guthries Version kennengelernt haben sollte. Er nutzte die Melodie ihres „The Wayworn Traveler“ für seinen Song „Paths of Victory“ und hatte im Laufe seiner Karriere immer Songs der Carter Family wie „Little Moses“ oder „Girl From The Greenbriar-Show“ im Programm. Auch bei den Basement Tapes-Sessions waren die Songs der Carter Family, wie „Wildwood Flower“, stets präsent.

Vorbilder für die jungen Folkies
Jimmie Rodgers war für Dylan aufgrund seiner Hobo-Songs besonders interessant. Seine Songs kamen denen der „Anthology of American Folk Music“, die Harry Smith zusammengestellt hatte, recht nahe. Diese Zusammenstellung, die zwar keinen Rodgers-Song, dafür aber vier Nummern der Carter Family enthält, war auch für Dylan das reine Eldorado.

Sicher hat auch die Freundschaft zu Johnny Cash, der ja Mitte der 1960er quasi in die Carter Family eingeheiratet hatte, als er den Ehebund mit June Carter schloss, ihren Anteil an der Inspiration durch die Säulenheiligen der Countrymusik. Bei den erst im letzten Jahr offiziell veröffentlichten Dylan/Cash-Sessions von 1969 haben die beiden u.a. auch ein Jimmie Rodgers Medley eingespielt. Und bei den Sessions mit Earl Scruggs 1970 wurde mit dem „East Virginia Blues“ auch ein Song von A.P.Carter gespielt.

Bildrechte: Sony Music

Als Dylan sich Anfang der 1990er in einer Schaffenskrise befand, da half ihm explizit die Rückbesinnung auf die alten Folksongs. „Good As I Been To You“ und „World Gone Wrong“ sind die Dokumente. Mit zu dieser Rückbesinnung gehörten auch 1992 die Aufnahme-Sessions mit David Bromberg, bei denen der alte Jimmie Rodgers-Titel „Miss The Mississippi And You“ eingespielt wurde, das erst 2008 auf „Tell Tale Signs. The Bootleg Series Vol. 8“ veröffentlicht wurde.

Bob Dylan zollt Tribut
1997 erscheint auf Bob Dylans eigenem Label Egyptian Records das Tribute-Album „The Songs Of Jimmie Rodgers. A Tribute“ für das Dylan viele prominente Kolleginnen und Kollegen dazu gewinnen konnte, Songs des „Singin‘ Brakeman“ neu zu interpretieren. Darunter Van Morrison, Willie Nelson, Steve Earle, Mary Chapin Carpenter, Alison Krauss und Iris Dement. Dylan selber steuert „My Blue Eyed Jane“ bei. In den Liner Notes schreibt er: „Jimmie Rodgers ist natürlich eines der Leitsterne des 20. Jahrhunderts, dessen Umgang mit Liedern immer eine Inspiration für diejenigen von uns war, die dem Weg gefolgt sind. Ein lodernder Stern, dessen Klang die rohe Essenz der Individualität in einem Meer der Konformität war und bleibt, par excellence ohne Vergleich.“

2003 dann ein besonderes Kabinettstückchen. Er nimmt mit Mavis Staples für das Album „Gotta Serve Somebody – The Gospel Songs of Bob Dylan“ ein Duett von „Gonna Change My Way Of Thinking“ auf, das in eine kleine Rahmenhandlung eingebettet ist, die der berühmten Aufnahme „Jimmie Rodgers visits The Carter Familie“ nachempfunden ist.

Und 2012 schließlich bedient er sich für seinen Song „Tempest“ beim Motiv und bei der Melodie der Carter Family-Ballade „The Titanic“. Wieder einmal „Love And Theft“. Doch während der Song der Carter Family voller Empathie gerade für die ärmeren Schiffsreisenden der unteren Stände war, rechnet Dylan gnadenlos mit den vermögenden und hochgestellten Teilnehmern der Dampferfahrt ab, deren Geld, Macht und Waffen sie nicht vor dem Untergang des Schiffes retten kann.

Nun also rund um das neue Album zwei neue Fundstellen des besonderen Verhältnisses zu den musikalischen Urahnen. Wir dürfen gespannt sein, ob da noch mehr kommt.

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (8)

31. März 2020

Railroad Songs sind eines der wichtigsten Genre der der traditionellen Country- und Folkmusik.

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everyone,
seit fast einer Woche im Home Office vermisse ich derzeit eine Sache nicht: das Zug fahren. Zwar bin ich leidenschaftflicher Nutzer und Anhängerr des ÖPNV, doch in den letzten Jahren ist die Bahn an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen und täglich in der Sardinenbüchse gen Frankfurt katapultiuert zu werden, ist mäßig spaßig.

Wobei mittlerweile die Spannung am Bahnsteig – kommt der Zug oder nicht oder wenn ja wann – fast so hoch ist wie die der Bahnhofsszenen aus „High Noon“, die immer bedrohlicher werden je mehr die Zeit bis zum Eintreffen der Schurken verrinnt und es immer einsamer um Gary Cooper wird.

Ja, Bickenbach, Texas hat eine Bahnstation, schon relativ früh schlug man den Schienenstrang des Dampfrosses in den Bickenbacher Sand. Und schwupp – schon sind wir bereits bei einem weiteren Kontinuum der amerikanischen Folk- und Countrymusik. Es gibt etliche wunderbare Train- und Railroadsongs.

Da gibt es die den Ruhm der Eisenbahn mehren sollte. U.a. dadurch, dass man den Zügen nicht Namen wie RB 67/68, RE50 oder IC72 gab, sondern sie so poetisch bezeichnete wie „Texas Eagle“, „City Of New Orleans“ oder „Wabash Cannonball“. Bekanntester Train-Song dieser Tradition ist sicher hierzulande der von Arlo Guthrie bekannt gemachte „City Of New Orleans“, dessen deutsche Version bei uns mindestens genauso bekannt sein dürfte: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ von Rudi Carell. Ein anderer, uns ebenfalls bestens bekannter Entertainer sowie Song & Dance Man, Mr. Bob Dylan, hat vor wenigen die alte Grundmelodie derer sich Guthrie bedient hat, nochmals für sein „Duquesne Whistle“ benutzt.

Für mich der schönste Train Song ist aber der „Wabash Cannonball“, der schon existierte, bevor die Wabash Railroad später ihren Schnellzug zwischen Detroit und St. Louis „Wabash Cannonball“ benannte. Unten hören wir eine besondere Version. Nicht die bekannte von der Carter Family, die schöne angelsächsische Mountainballade, sondern die Bluesversion von Blind Willie McTell, die schon förmlich nach Rock’n’Roll schreit.

Und dann gibt es die Railroad Songs, die von der harten Fron der Eisenbahnarbeiter erzählen. Der bekannteste ist sicher John Henry. Der Legende nach trieb der schwarze Bahnarbeiter Sprenglöcher für den Tunnelbau für eine neue Eisenbahnstrecke in West Virginia in den Fels. Als eines Tages diese Arbeit von neuen dampfgetriebenen Hämmern erledigt werden sollte, trat er zum Kampf gegen die Maschine an. Er gewann, starb aber vor Erschöpfung. Wir hören unten eine Version von Billy Bragg und Joe (!) Henry.

Und wenn die Eisenbahn zumindest bis Mitte des letzten Jahrhunderts das Mittel zur Beförderung von Waren und Menschen war, dann gibt es natürlich auch viele Lovesongs, in denen die „Trains“ eine Rolle spielen. Wir hören unten „Train Of Love“ von Johnny Cash.

Und nicht zuletzt soll hier Mr. Jimmie Rodgers erwähnt werden. Der „Singin‘ Brakeman“ himself, der wie sein Vater schon bei der Eisenbahn am Knotenpunkt Meridian, Mississippi, arbeitete, dort von schwarzen Kollegen den Blues lernte und zum ersten Superstar der Countrymusik aufstieg.. Wobei Jimmie nicht nur Songs über die Bahnarbeiter sang, sondern auch über die Hobos, die auf Güterzügen mitfuhren. Von ihm hören und sehen wir „Waitin‘ For A Train“ sowie zwei weitere Songs. Ein kleines Kabinettstückchen“ aus alter Zeit.

Soweit für heute. Und auch wenn wir jetzt alle zu Hause sind: Kein Trübsal blasen. Genießt das Leben! Hört gute Musik, seht interessante Filme, kocht was Schönes, meidet die aufgeregten Fernsehformate, hört lieber Radio und führt mit Euren Liebsten und Freunden wichtige Gespräche zur Welt nach Corona. Oder spielt mal einfach wieder mit der Modell-Eisenbahn!

Best
Thomas

Der Vater von Country und Americana

21. November 2009

Jimmie Rodgers (1897 – 1933) wird allgemein als Vater der Country-Music bezeichnet. Er adaptierte den althergebrachten Hillbilly-Stil des armen weißen Südens, kombinierte ihn mit dem schwarzen Blues, ergänzte die Fusion mit den traurigen „Blue Yodels“ und zeigte sich offen auch für Einflüsse aus Jazz- und Schlagermusik. Dazu sang er Texte, die vom wirklichen Leben handelten. Die Melange zeigte ihre Wirkung: Rodgers war der erste populäre „Country-Star“ – den Begriff gab es damals noch nicht – und Vorbild für viele Künstler bis hin zu Bob Dylan.

Der hat bereits 1997 seinem Idol mit der „All-Star“-CD „The Songs of Jimmie Rodgers – A Tribute“ ein Denkmal gesetzt. Er selber steuerte die Liner-Notes sowie das Cover von „Blue Eyed Jane“ bei. Bereits 1985 äußerte sich Dylan voller Bewunderung über Rodgers: „The most inspiring type of entertainer for me has always been somebody like Jimmie Rodgers, somebody who could do it alone and was totally original. He was combining elements of blues and hillbilly sounds before anyone else had thought of it. He recorded at the same time as Blind Willie McTell but he wasn’t just another white boy singing black. That was his great genius and he was there first… he sang in a plaintive voice and style and he’s outlasted them all.”

Bereits 1969 hatte  „Bakersfield- Rebel“ Merle Haggard dem „Singin’ Brakeman“ ein Tribut-Album gewidmet. Haggard war aufgrund seines Hippie-Spottlieds „Okie from Muscogee“ und seinen Besuchen bei Nixon und Reagan nicht unumstritten, ist aber als Chronist amerikanischer Lebensrealität ein eben solcher kritischer Freigeist wie seine Freunde Willie Nelson, Keith Richards und Johnnny Cash. Dass ihn sogar Joan Baez gecovert hat, beweist seine Anerkennung im Kollegenkreis. Haggard zeigt mit diesem Album ebenso wie bei seinen eigenen Songs sein Gespür für das Leben der einfachen Menschen und steht damit eindeutig in der Tradition von Jimmie Rodgers.

Auf Rodgers folgten Country-Sänger wie Lefty Frizell und Merle Travis, die sich sehr an Jimmie Rodgers Stil orientierten. Der eine – Lefty – soll ihn so gut imitiert haben, dass auf so manche Rodgers-Kompilation auch schon mal eine Frizell-Version rutschte, der andere – Merle – hat Jimmies Sangeshaltung abgeschaut und übernimmt in der Instrumentierung so manche Anregung Rogers’. Travis wiederum war einer der ersten Country-Musiker, der eine elektrische Gitarre benutzte. Damit wiederum inspirierte er den Kreis der Musiker aus Bakersfield, die dem milden Nashville-Sound den elektrisch aufgeladenen eher rockigeren Bakersfield-Sound entgegen setzten, der wiederum Grundlage für Merle Haggards Stil war.

Bob Dylan wiederum ist ein großer Verehrer von Querkopf Haggard. Zweifach erwies er ihm Tribut. 2005 ließ er ihn sein Vorprogramm bestreiten, 2007 setzte er ihm mit seinem direkt auf  Haggard bezogenen „Working Man’s Blues #2 ein Denkmal. Und es ist sicherlich mehr als eine Fußnote, dass die neuen Sterne am Americana-Himmel, die Felice Brothers, als eine ihrer wenigen Coverversionen Jimmie Rodgers’ „T for Texas“ eingespielt haben.

Bleibt festzuhalten: Mit Jimmie Rodgers fing wirklich vieles in der amerikanischen Populärmusik an. Im Grunde ist er mehr als der Vater der Country-Music. Er ist der Vater des Americana überhaupt.