Cajun Roosters begeistern in Rüsselsheim – Kulturabend unter Folk-Senioren
Quasi als Vorbereitung auf unsere Mississippi-Musik-Rundreise im Herbst haben wir am vergangenen Wochenende ein Konzert der Cajun Roosters besucht. Der Rüsselsheimer Folkverein „Dorflinde“ hatte die führende europäische Cajun-Formation eingeladen und die durften in einem prall gefüllten Festungskeller spielen.
Cajun ist bekanntermaßen die Volksmusik der Franko-Kanadier, die nach dem britisch-französischen Krieg in der Mitte des 18. Jahrhunderts aus der ostkanadischen Region Akadien fliehen mussten. Viele Akadier siedelten sich in Louisiana an. Dieses war damals gerade aus französischem Besitz zu Spanien gekommen, hatte aber den französischen Gouverneur behalten. Gesungen wird altfranzösisch, die Musik ist eigentlich vor allem Tanzmusik, die von Akkordeon und Geigenklängen dominiert wird. Kombiniert mit schwarzen kreolischen und afro-amerikanischen Einflüssen ist das verwandte Zydeco entstanden.
Mit beiden Spielarten warteten die Cajun Roosters im Rüsselsheimer Festungskeller auf, beeindruckten mit ihrer Authenzität, dem Gespür für die Seele der Musik und ihrer Kunstfertigkeit an den Instrumenten. Insbesondere Frontmann und Akkordeonspieler Chris Hall ist für das hohe künstlerische Niveau der Gruppe zuständig. Cajun ist wie schon bemerkt vor allem Tanzmusik und daher in seiner Ursprungsform schwer auf die Konzertform zu übertragen. Zu wenig variantenreich sind oftmals die Melodielinien und die langen Instrumentalstücke machen es einem mitunter nicht eben einfach, dranzubleiben. Beim Tanzabend steht denn auch die Band im Gegensatz zum Konzert nicht im Mittelpunkt, da tanzt man und wenn man nicht mag, dann wird erzählt und getrunken. Das wusste auch Bassist Michael Bentele zu berichten. Doch wenn man trotzdem die Konzertform wählt, sollte man auch entschiedener das Lied in den Mittelpunkt stellen. Songs im Cajun- und Zydecorythmus, das wäre sicher noch besser.
Dennoch: Es war ein sehr schöner und mitreißender Abend – und dann noch Van Morrisons „Precious Time“ als letzte Zugabe! Die Musik bereitete Vorfreude auf Louisiana im kommenden Herbst.
Es war aber auch aus anderen Gründen ein sehr interessanter Abend. Als Mittvierziger senkten wir den Altersdurchschnitt doch erheblich. Denn zu unserer großen Verblüffung waren fast alle Köpfe im Auditorium grau. Die Generation 60 plus war eindeutig in der Mehrheit. Und vom Habitus eindeutig dem linken Spektrum, also dem klassischen Publikum des politischen Folk zuzuordnen. Das war also die Anhängerschaft des Folkclubs „Dorflinde“. Zusammen mit dem Mobiliar des Festungskellers, das wohl aus dem Essensraum einer Altentagesstätte entliehen war, und den hier und da etwas zu volkshochschulmäßig ausufernden Ansagen von Michael Bentele, ergab das zeitweise die Anmutung eines Kulturabends unter Polit-Senioren.
Aber die Stimmung der Alten war gut – die sind eh in vielerlei Hinsicht jünger als die karrieregeilen Mittdreißiger der Generation Westerwelle – das Konzert rief große Begeisterung hervor und am Ende waren wir alle glücklich – vielen Dank an die Cajun Roosters!