Dem alten Bob ein dreifach donnerndes, weihnachtliches „Judas!“ Wer die einschlägigen Dylan-Blogs und Foren dieser Tage las, dem konnte übel werden: Nichts Neues unter den selbst erklärten Dylan-Jüngern seit Newport und Manchester. Da hatte es sich doch der Meister erdreistet, einfach mal aus Bock ein Weihnachtsalbum aufzunehmen. Und da der Alte wirklich nichts mehr verdienen muss, gehen seine Einnahmen auch 1:1 an Wohltätigkeitsorganisationen.
Soweit, so gut, könnte man meinen. Doch weit gefehlt. Kaum sind die ersten Sound-Clips der Weihnachtsongs zu hören, geht ein Geschrei los, als wäre Che Guevara zur CIA übergelaufen. Wie kann er nur, was für ein Songkatalog, wie lächerlich, und seine Stimme erst. Der große Künstler, der so große Werke wie – ich bleibe der Einfachheit im Jargon – TOOM, LAT, MT und TTL eingespielt hat, zerstört seine ganze Reputation mit den minderwertigen Aufnahmen von Weihnachtsschlagern, liest man da. Geht’s noch, liebe Leute? Gerade eben noch Hosianna geschrieen, wegen der Theme Time Radio Hour, nun „Kreuziget Ihn“ wegen „Christmas in the Heart“?
Denn genau so wird ein Schuh draus. CITH steht in eindeutiger Beziehung zu „Love and Theft“, „Modern Times“, vor allem aber der „Theme Time Radio Hour“. Dort hat er uns sein Verständnis von Musik und seine Geschichtsforschung mittels subjektiver Erinnerungen eröffnet.
Vor diesem Hintergrund ist die Auswahl von Songs und Arrangements zu sehen. Seine Stimme passt mal mehr, mal weniger. Der Mann wagt etwas, weil er Leidenschaften hat. Bob Dylan war nie Frank Zappa, ist nicht Bono und wird auch nicht mehr ein musikalischer Michael Moore werden. Eigene Dylan-Weihnachtsongs, womöglich noch mit Gesinnungstexten in antikapitalistischer Haltung – wer das erwartet hatte, der hat so einiges nicht begriffen.
Ich hatte zuletzt hier geschrieben, welche Art von Musik auf CITH ich mir vorstellen könnte. Was ich gehört habe, geht in diese Richtung, darauf freue ich mich. Allen anderen wünsche ich ein vorweihnachtliches „Immer schön locker bleiben“!