Dom Flemons unterstreicht mit seinem neuen Dylan-Cover sein souveränes Verständnis für die amerikanische Roots Music
Er ist einer der interessantesten zeitgenössischen amerikanischen Folkmusiker: Dom Flemons. Der 1982 in Phoenix, Arizona, als Kind einer afroamerikanisch-mexikanischen Familie geborene Flemons entdeckte schon in der Plattensammlung seiner Eltern Bob Dylan, und dessen Musik führte ihn zu den Pionieren des amerikanischen Folk wie Woody Guthrie und Pete Seeger. Er machte selber Musik und wurde von Sule Greg Wilson, einem lokalen Banjospieler und Folkloristen gefördert.
Gründungsmitglied der Carolina Chocolate Drops
Einer größeren Öffentlichkeit wurde Flemons dann ab 2005 als Gründungsmitglied (mit Rhiannon Giddens und Justin Robinson) der Carolina Chocolate Drops bekannt. Zusammen mit Giddens und Robinson, dem später mit Hubby Jenkins nachfolgte, belebte er die schwarzen Wurzeln der Country Music neu. Sie gewannen für ihre Wiederentdeckung der schwarzen Old Time Music eine ganze Reihe von Auszeichnungen, spielten in der Grand Ole Opry, tourten in Europa, bildeten das Vorprogramm von Taj Mahal und Bob Dylan und hatten einen Auftritt in dem Denzel Washington-Film „The Debaters“ sowie mit Marty Stuart in dessen Fernseh-Show.
The American Songster
Als die Gruppe 2013 so langsam in Auflösung begriffen war, schlug Flemons als „The American Songster“ Solopfade ein. Sein Credo lautet: „Afroamerikanische Musik ist mehr als Blues, Jazz und Gospel“. Und so bewahrt der Multiinstrumentalist – Banjo, Gitarre, Mundharmonika, Jug („Blaskrug“), Schlagzeug, Federkiele, Pfeife und Bones („Rhythmusknochen“) – und Singer-Songwriter in seinen unterhaltsamen musikalischen „Geschichtsstunden“ die afroamerikanischen Wurzeln von Country, Bluegrass, Folk und Ragtime gegen das kulturelle Vergessen und gegen die Ignoranz, denen sie immer noch ausgesetzt sind.
Black Cowboys
2018 hat er mit dem Album „Black Cowboy“ ein vielbeachtetes Grundlagenwerk zur Beschäftigung mit den afroamerikanischen Beiträgen zur Erschließung des amerikanischen Westens veröffentlicht. Gut ein Viertel der Cowboys in der Blütezeit der großen Rindertrails waren Afroamerikaner. Der Rest verteilte sich in etwa gleichen Teilen auf Native Americans, Mexikaner und weiße Amerikaner. Und da die Cowboys zum Zeitvertreib und um das Vieh still zu halten sangen, waren auch viele Cowboy-Sänger Schwarze. Ihre Songs wurden fester Bestandteil des Kanons von Cowboysongs im neunzehnten Jahrhundert und beeinflussten sowohl den frühen Blues im ersten Drittel des als auch die Songs der weißen Cowboys.
Bob Dylans wichtiger Einfluss
Nun veröffentlicht Flemons in ein paar Wochen sein neues Album „Traveling Wildfire“. Als zweite Singleauskopplung hat der American Songster das wenig bekannte Bob Dylan-Stück „Guess I’m Doing Fine“ ausgewählt. Wieder ein Zeichen für die Wertschätzung, die Flemons für Dylan hat. „Als ich anfing, die Musik der 60er zu hören, hat Bob Dylan sofort meine Aufmerksamkeit erregt. Seine Songformen und lyrische Kunstfertigkeit haben mich dazu bewogen, tiefer in die reiche und weite Landschaft des amerikanischen Liedguts einzutauchen“, bestätigte Flemons, mir kürzlich noch einmal persönlich die große Bedeutung die Dylan für seine eigene musikalische Entwicklung hatte. Dom und ich hatten uns 2019 am Rande seines Auftritts beim Chicago Bluesfestival kennengelernt.
Ein Song gegen den Stillstand
„Mit der zweiten Single „Guess I’m Doing Fine“ präsentiere ich meine Version eines unveröffentlichten Bob Dylan-Songs, den er 1964 aufgenommen hat. Auf meiner eigenen persönlichen Reise habe ich festgestellt, dass dieser Text bei mir Anklang fand, weil der Song über Situationen spricht, die ich selbst erlebt habe, und es ist eine Erinnerung an die Kraft, die entsteht, wenn man einen neuen Weg geht“, sagt Flemons nun in einem Statement in den sozialen Medien.
Die kraftvollen Texte der Songs über die Widerstandsfähigkeit angesichts unüberwindlicher Widerstände hätten bei ihm Anklang gefunden, seit er sie vor 20 Jahren zum ersten Mal auf einer Bootleg-CD gehört hätte. Und in der Tat wurde der Song auch erst 2010 auf der „Bootleg Series Vol. 9. The Witmark Demos: 1962 – 1964“ erstmals offiziell veröffentlicht.
„Well, my road might be rocky
The stones might cut my face
My road it might be rocky
The stones might cut my face
But as some folks ain’t got no road at all
They gotta stand in the same old place
Hey, hey, so I guess I’m doin’ fine“
(„Guess I’m Doing Fine“, http://www.bobdylan.com)
Ein Song, in dem der Sänger predigt, lieber gefährliche, steinige Wege zu gehen als dem Stillstand zu fröhnen. Ein Motto, dem Dylan bis heute, bis in jedes einzelne Konzert folgt. So ist es mehr als ein Nebenwerk und um so schöner, dass sich Flemons dem Rohdiamant nun angenommen hat.
Feine Coverversion
Flemons weiter: „Nachdem ich „Guess I’m Doing Fine“ geschnitten hatte, wurde mir klar, dass es cool wäre, einen Fiddle-Part hinzuzufügen, um die Bluegrass-Klänge hervorzuheben, die ich in der Songstruktur gefunden habe. Ich bin so glücklich und dankbar, dass mein Freund Sam Bush zur Verfügung stand, um diesem lebhaften Track seine Geige hinzuzufügen und ihm etwas von diesem altmodischen Flair zu verleihen.“
Natürlich dankt Dom dem Team von Bob Dylan, dass diese Veröffentlichung möglich wurde. Und so hat Produzent Ted Hutt Flemons fünf Instrumente plus Sam Bushs Geigenspiel aufgenommen und entstanden ist ein entschieden fröhlich-lebensbejahendes nach vorne gehendes Bluegrass-Stück. Eine sehr feine Coversion, das noch einmal Flemons Ausnahmestellung in der US-Folkmusik verdeutlicht.