Mein Amerika ist Bob Dylan mit weißgeschminktem Gesicht
und breitkrempigem Hut in der Rolling Thunder Review.
Mein Amerika sind die ratternden U-Bahnen, die Diners
und die Busse in New York.
Mein Amerika sind Ben, Adam Hoss & Little Joe Carwright,
die auf ihrer Ponderosa für ein vielfältiges und tolerantes Land kämpfen.
Mein Amerika sind die aufrechten Bergarbeiter vom Harlan County,
die sich von der Gewalt nicht schrecken ließen.
Mein Amerika sind „Easy Rider“ und „Blues Brothers“,
die Bigotterie und Rednecks trotzen.
Mein Amerika ist der weite Himmel über Texas
und der Washington Square in Greenwich Village.
Mein Amerika ist Woody mit seiner Gitarre,
auf der steht „This Machine kills Fascists.
Mein Amerika sind die Grand Ole Opry,
in der Del McCoury, die Old Crow Medicine Show
und die Carolina Chocolate Drops spielen.
Mein Amerika ist der Broadway in Nashville
und die Beale Street in Memphis.
Mein Amerika sind Mark Twain und Walt Whitman,
sind Hemingway, Faulkner und Ambrose Pierce.
Mein Amerika sind Alice Walker und Toni Morrison,
James Lee Burke und Joe E. Lansdale.
Mein Amerika sind Rhiannon Giddens und Alynda Lee Segarra,
Joan Baez und Ani Di Franco.
Mein Amerika sind die Blue Ridge Mountains,
the little Cabin in the hills, Woodstock, die Catskills und Big Pink.
Mein Amerika sind Martin Luther King, Angela Davis,
Rubin „Hurricane“ Carter und Rosa Parks.
Mein Amerika sind Levon Helm und Larry Campbell,
Johnny Cash, Hank Williams, Jimmie Rodgers und die Carter Family.
Mein Amerika sind die Brooklyn Bridge, die Sun Studios,
Bristol, Tennessee/Virginia und Clarksdale, Mississippi.
Mein Amerika war und ist, und war doch nie so da
wie geträumt.
Mein Amerika sind Black Lives Matter, Childish Gambino,
Denzel Washington, Susan Sarandon und Tim Robbins,
The Roots, Kendrick Lamar und
die couragierten Jugendlichen der Parkland High School.
Jetzt wollen sie ihm den Garaus machen da drüben, von innen.
Du, mein Amerika, das ein anderes Amerika ist,
sei stark und wehrhaft!
Dass Bob Dylan seine Wurzeln auch im Blues hat, ist hinlänglich bekannt. Seine Beziehung zu Gospel, Soul und Rap lohnt aber einer genaueren Betrachtung
Die Generation aus der Bob Dylan stammt hat den Blues der Schwarzen aufgesogen, war doch die Musik der unterdrückten Afroamerikaner für diese rebellische Jugend ein perfektes Ausdrucksmittel gegen die Kultur ihrer Eltern, die musikalisch in den Zentren Classic Urban Pop und im ländlichen Raum Country Music hörte. Das war bei Dylan auch nicht anders, jedoch hat der schon früh in seinem Werk auch die Verbindungslinien vom Blues zum Country offengelegt. So ist „Only A Hobo“ beispielsweise von Jimmie Rodgers beeinflusst, der Blues und Hillbilly-Elemente zusammenführte und somit zum „Vater“ der klassischen Countrymusik wurde.
An der Seite der Bürgerrechtsbewegung
Dylan hat seine ganze Karriere über Blues gespielt und ist somit – ohne dieses Label direkt zu tragen – im Grunde einer der wichtigsten und einflussreichsten weißen Bluesmusiker überhaupt. Zudem ist er schon in jungen Jahren ein Bewunderers der Gospel Music der Staple Singers gewesen, mit Mavis Staples war er eine Zeit lang liiert, seinen Heiratsantrag in jungen Jahren lehnte sie ab. Dylan gehörte der jungen weißen Generation an, die ganz selbstverständlich mit den Schwarzen als ihnen gleichberechtigte Menschen umging und sich für deren Rechte einsetzte. Er spielt in seiner Frühzeit in New York im Vorprogramm von John Lee Hooker. Er reiste im Juli 1963 mit Pete Seeger und Theodore Bikel in den Süden, um die Bürgerrechtsbewegung zu unterstützen und er spielte mit Joan Baez bei „March to Washington“ im August 1963, bei dem Martin Luther King seine berühmte Rede „I have a dream“ hielt.
Die schwarze Community wurde natürlich auf den jungen weißen Freiheitssänger aufmerksam. Insbesondere natürlich die schwarzen Musiker. Sie ließen sich von ihm inspirieren wie Sam Cooke, dessen „A Change Is Gonna Come“ eine direkte Antwort auf „Blowin In The Wind“ darstellt. Oder sie sangen seine Lieder. So wie die schon erwähnten Staple Singers. Oder Odetta oder Nina Simone oder Jimi Hendrix. Sie alle spielten bereits in den 1960ern Dylans Songs. Und 1969 nahm ein von Lou Adler zusammengestellter Gospel-Chor Dylan-Songs unter dem Titel „Dylan’s Gospel“ auf. Mit dabei Clydie King, die in den frühen 1980ern dann Dylans Backgroundsängerin und Freundin werden sollte. Doch dazu später mehr. Die Linie der schwarzen Musiker, die Dylan geschätzt und gecovert haben führt über die O’Jays, Solomon Burke und Bobby Womack bis hin zu Bettye LaVette, die soeben unter dem Titel „Things Have Changed“ ein Soul-Album mit Dylan-Songs veröffentlicht hat. Eine schöne Sammlung zu diesem Thema ist unter dem Titel „How Many Roads. Black America Sings Bob Dylan“ erschienen.
Und Dylan blieb der schwarzen Community und deren Problemen wie Kriminalisierung und Rassimus auch in den 1970ern treu. Nicht von ungefähr stellen seine beiden einzigen wirklichen Protestsongs dieser Dekade schwarze Protagonisten in den Mittelpunkt. 1971 den erschossenen Black Panther-Führer George Jackson und 1975 den zu Unrecht wegen Mordes verurteilten schwarzen Boxer Rubin „Hurricane Carter“. Zum großen Benefizkonzert kam dann auch Muhammad Ali in den Madison Square Garden. Übrigens war Black Panther-Mitbegründer Huewy Newton ein großer Dylan-Fan. Wobei er sich weniger von den Bürgerrechtssongs, also von Dylans Rockmusik begeistert zeigte. Letztlich hat sich Dylan aber wohl – es soll bei einem Treffen zu einem Disput zwischen den Panther-Funktionären und dem Sänger gekommen sein – wegen der Gegnerschaft der Panther zu Israel sich dann nie wirklich für sie verwendet.
Dylan entdeckt den Gospel für sich
Eine tiefere, systematische Beschäftigung mit der schwarzen Musik jenseits vom Blues jedoch begann für Dylan dann mit seiner Welt-Tournee 1978 und den darauf folgenden „Born Again“-Jahren. „Street Legal“ war schon gekennzeichnet durch Soul- Rhythm & Blues sowie Gospel-Elementen, und es wurde erstmals bei Dylan ein Background-Chor schwarzer Sängerinnen eingeführt. Verstärkt wurde das dann durch seinen Übertritt zum Christentum. Denn Bob spielte fortan schwarzen Gospel, keinen weißen Country-Gospel. Und es war die schwarze Schauspielerin Mary Alice Artes, die ihn bei seiner Konvertierung zum Christentum unterstützte.
Dylan verband übrigens mit einigen seiner schwarzen Backgroundsängerinnen mehr als nur die Musik. so war er eine Zeit lang mit besagter Clydie King liiert – es gibt ein wunderschönes Video der beiden, wie sie Abraham, Martin & John singen und die tiefe Zuneigung überhaupt nicht zu übersehen ist. Und mit Carolyn Dennis war er dann Mitte der 1980er verheiratet und hat mit ihr auch ein Kind.
Bis in die frühen 1990er Jahre spürt man in seiner Musik den Einfluss von Rhythm & Blues, Soul und Gospel. Insbesondere sein 1985er Album „Empire Burlesque“ atmet – unabhängig von den bekannten Qualitätsproblemen bei Songs und Produktion – viel Soul und Funk. 1986 nimmt er zur Verblüffung vieler bis heute einen Song zusammen mit dem Rapper Kurtis Blow auf. Was von vielen als künstlerische Desorientierung Dylans in den 1980ern angesehen wird, ist meiner Meinung nach ein Zeugnis für die Hochachtung Dylans vor der schwarzen Musik in all ihren Ausprägungen. 1986 und 1987 tritt er zusammen mit den Queens Of Rhythm als Background-Sängerinnen auf, Gospel-Einflüsse halten sich weiterhin in seiner Musik.
Blues und Jazz
Mit seinen Alben „Good As I Been To You“ und „World Gone Wrong“ erinnert er sich dann wieder an seine Blueswurzeln. Aber diesmal auch an die schwarze Musik, die es fernab dem typischen Delta-Blues gab. Er spielt „Frankie & Albert“, einem Stoff, der u.a. auch von den Songsters – nicht Bluesern! – Leadbelly und Mississippi John Hurt bekannt ist. Und „World Gone Wrong“ ist auch eine Reminiszenz an die Mississippi Sheiks, einer Gruppe von Unterhaltungsmusikern aus dem Süden, deren Repertoire weit über den klassischen Blues hinausging.
Bis heute sind all diese Einflüsse – Blues, Soul, Funk, Rythm & Blues – in seiner Musik vorhanden. Sogar Ausflüge in den Jazz gibt es zu notieren. Wie zum Beweis ist gerade „United We Swing: Best of The Jazz at Lincoln Center Galas“ erschienen, auf dem Dylan mit dem Winston Marsalis Septet „It Take A Lot To Laugh, It Takes A Train To Cry singt und dabei Mundharmonika spielt. Die ebenfalls auf einer dieser Galas Anfang der 2000er Jahre verjazzte Version von Don’t Think Twice“ hat es leider nicht auf die Platte geschafft.
Und wenn man sich heute seine Konzerte anhört, dann hat „Blowin‘ In The Wind“ mittlerweile einen starken Gospel-Soul-Touch. Bob Dylan ist bis heute ein kultureller Brückenbauer zwischen Schwarz und Weiß geblieben. Auch das ist eine Qualität für sich im heutigen Amerika.
Warum Dylan und Whiskey eine logische Verbindung sind
Photo Credit: Heaven’s Door
Jawoll, jetzt kann man endlich mit höchstem Segen Whiskey trinken. Nach dem Bob Dylan seinen „Heaven’s Door“-Whiskey auf den Markt hat, ist man als Whiskey-Trinker geadelt. Erst der Nobelpreis, der einen als Dylan-Fan gleich mit ausgezeichnet hat, nun der Dylan-Whiskey, der aus dem schnöden Schnapstrinker einen Connoisseur amerikanischen Kulturguts macht.
Aber im Ernst. Dylan und Whiskey ist eine logische Verbindung. Da sind die vielen Reverenzen zum „Wasser des Lebens“ wie die Kelten den Whiskey nannten im Dylan’schen Oeuvre. In „Cooper Kettle“ liefert er die Anleitung zum Whiskeybrennen: “ Get you a copper kettle, get you a copper coil. Fill it with new made corn mash and never more you’ll toil“. In „Moonshiner“ singt er „For seventeen long years, I’ve spent all my money, On whiskey and beer“. „Moonshine-Whiskey“ ist ja bekanntermaßen der schwarzgebrannte Schnaps. Und der Begriff „Bootleg“ für eine unautorisierte Schallplatte stammt ja aus der Prohibitionszeit, als der Whisky im Stiefelschaft geschmuggelt wurde. „Bootleg-Whiskey“ in his hand“, heißt es in „Blind Willie McTell“. Und mit “Might like to drink whiskey, Might like to drink milk” preist er ja auch im ansonsten fürchterlich bigotten „Gotta Serve Somebody“ das geistige Getränk ganz selbstverständlich an. Dylan ist ein wirklicher Whiskey-Afficionado, keiner der aus Langeweile noch irgendein Feld für Investitionen sucht. Daher ist die in Deutschland mal wieder bemühte Gehässigkeit in der Berichterstattung nur als lächerlicher Anti-Dylan-Reflex zu werten.
Bleiben wir da doch lieber beim schönen, wahren, wohlschmeckenden Getränk. Schließlich gibt es ja da noch die schöne Geschichte, dass Bob Dylan ja Mitglied der Scotch Malt Whisky Society ist, seit er sich absolut begeistert über einen Singleton Malt Whisky gezeigt hat. Und dass dann auch noch Nashville der Ort ist, wo Dylans Destillery eröffnen soll, ist natürlich ein Grund mehr der Music City mal wieder einen Besuch abzustatten.
Und trotzdem bei aller Begeisterung für den Brand, der demnächst – sobald er hier erhältlich ist – dann auch bei „Americana im Pädagog“ zur Konzert-Nachlese ausgeschenkt wird: Eine Album mit neuen Dylan-Songs wäre jetzt aber auch ganz schön!