Archive for April 2021

„Eine fesselnde und aufklärende Lektüre“

30. April 2021

Ende März wurde „Bob Dylan & Black America“, das neue Buch dieses Blogautors, im Hamburger Tredition-Verlag veröffentlicht. Nun, zum Beginn des Dylan Geburtstagsmonats, liegen bereits eine Reihe von Eindrücken und Stimmen zum Buch vor/ Vortrag zum Buchthema am 19. Mai.

Gestaltung: Atelier im Annche’haus, Ranstadt

„Thomas Waldherrs genau hinsehendes und gut geschriebenes Buch beleuchtet eine Seite von Dylans Werk, die viel zu lange im Schatten gelegen hat. Eine fesselnde und aufklärende Lektüre.“ Dies schrieb Heinrich Detering, seines Zeichens einer der besten Dylan-Kenner des Landes, zum neuen Buch „Bob Dylan & Black America“.

Das ist nur eine von vielen positive Stimmen zum neuen Buch. Ähnlich prononciert wie Detering äußerte sich auch der Singer-Songwriter Michael Moravek: „Das Buch schließt eine Lücke im Universum von Dylan-Büchern und hilft zu verstehen, wie sich Dylan zu dem einzigartigen Songwriter entwickeln konnte, der er heute noch immer ist.“

Dass das Buch nicht nur wichtiges in Bezug auf die Bewertung von Dylans Werk und Wirken leistet, sondern darüber hinaus auch einfach gut zu lesen ist, stellte auch Dr. Florian Pfeil, Leiter der Fridtjof-Nansen-Akademie für politische Bildung in Ingelheim heraus: „Ein sehr gelungenes und gut lesbares Buch, das ich mit Freude ‚verschlungen‘ habe.“

Dem pflichtete auch Dr. David Sirakov, Direktor Atlantische Akademie Rheinland-Pfalz, bei: „Eine wirklich tolle und gewinnbringende Lektüre.“

Auf eine kurze und präzise Formel, in jedoch alle Wertschätzung steckt, brachte es hingegen der Folk- und Cajunmusiker Yannick Monot: „Bravo für das Bob Dylan Buch!“

In Buchläden und im Versandbuchhandel

Am besten man bezieht das Buch über die Buchhandlung seines Vertrauens oder direkt beim Verlag:
https://tredition.de/autoren/thomas-waldherr-36760/bob-dylan-black-america-paperback-151883/

Online-Vortrag zum Thema des Buches am 19. Mai

Am Mittwoch, 19. Mai wird Thomas Waldherr das Buchthema in einem Online-Vortrag beim Deutsch-Amerikanischen Institut in Thüringen (Beginn 19.15 Uhr) behandeln. Weitere Infos und Zugangsdaten hier: https://www.dai-tuebingen.de/node/2341

„Mr. Tambourine Man wird 80: Bob Dylans Anderes Amerika“ jetzt am 8. Oktober

26. April 2021

Wegen aktueller Corona-Lage: Volkshochschule Darmstadt verschiebt den facettenreichen Hommage-Abend für den  „Tambourine Man“ auf Freitag, 8. Oktober 2021 (statt 14.Mai 2021). Mitteilung der VHS Darmstadt.

Bob Dylan, Copyright: Wikimedia Commons

Die Volkshochschule Darmstadt hat den Bob Dylan-Abend  „Mr. Tambourine Man wird 80: Bob Dylans anderes Amerika“, der bereits jetzt auf sehr positive Publikumsresonanz und große Nachfrage stößt, wegen der akuten Corona-Pandemie-Lage nun notgedrungen verschoben. Dies teilt die VHS in einer Pressemitteilung mit. Neuer Termin der langen Bob Dylan-Nacht ist nun Freitag, 8. Oktober 2021, 19 Uhr, in der Bessunger Knabenschule.  Mit Blick auf die bereits für Mai hohen Anmeldezahlen teilt die Volkshochschule Darmstadt weiter mit, dass alle bisher schon Angemeldeten für den 8.Oktober 2021 übernommen werden. Schon erfolgte Voranmeldungen behalten ihre Gültigkeit.

In diesem Jahr, am 24. Mai 2021, steht ein Jubiläum der besonderen Art bevor: Der „Picasso of Song“, der legendäre Singer-Song-Writer und Literaturnobelpreisträger von 2016, Bob Dylan, wird  80 Jahre alt.

Zusammen mit den Kooperationspartnern Bessunger Knabenschule, AStA der Hochschule Darmstadt und „Thomas Waldherr präsentiert Americana“ bietet die Volkshochschule Darmstadt auch am 8. Oktober 2021 in der Halle der Bessunger Knabenschule einen facettenreichen Mix aus viel Live-Musik und ebenso informativen, unterhaltsamen Multimediavorträgen rund um Bob Dylan.

Auf dem Programm stehen Bild-Vorträge des preisgekrönten Musikjournalisten Klaus Walter und des Darmstädter Dylan-Experten und Amerika-Kenners Thomas Waldherr  über den „Picasso of Song“ zwischen Judentum und Black America, Politik, Pop und Poesie. Es sind dies zwei Multimedia-Vorträge, die sich der Wechselwirkung von Migration und US-Populärkultur sowie Dylans jüdischem Glauben und seiner engen Verbindung zur afroamerikanischen Kultur und Community widmen. Eigene Interpretationen von Dylan-Songs bieten  Dan Dietrich, Martin Grieben, das Folk-Duo Hannah & Falco sowie Wolf Schubert-K dar. Special Guests sind die „Woog Riots“. Schirmherr der Veranstaltung ist Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch.

Der Eintritt beträgt 15 Euro, Voranmeldung zu dieser Veranstaltung erfolgt über die Volkshochschule Darmstadt: http://www.darmstadt.de/vhs (Rubrik Kultur / Musik) oder per E-Post: vhs@darmstadt.de. Hinweis: Voranmeldung ist auch für den neuen Termin Freitag 08.10.2021, 19 Uhr, unbedingt erforderlich, es gelten die AHA-Regeln zum Schutz vor der Corona-Pandemie (Mund-Nasen-Bedeckung, Abstand, Hygieneregeln).

Benedict Wells‘ Amerika

23. April 2021

Er liebt Bob Dylan und erzählt amerikanische Geschichten. Selbst wenn sie nicht in Amerika spielen.

Copyright: Diogenes Verlag

Mal wieder Literatur. Und Bob Dylan ist nur mittelbar Thema. Das spannende an Dylan für mich ist ja auch, dass mir sich durch sein Werk neue musikalische Welten erschlossen haben. Country, Old Time, Folk, Roots Music zum Beispiel. Aber auch immer mal wieder Bücher. Zwar bin ich auch ohne ihn auf Benedict Wells aufmerksam geworden, aber dass da tatsächlich ein Dylan-Link besteht ist natürlich grandios.

Auf Wells aufmerksam wurde ich durch seinen literarischen Road Movie „Fast Genial“. Ich umschlich das Werk lange in den Buchläden, weil ich mir dachte, „ein amerikanisches Road Movie von einem deutschen Autoren, na ich weiß nicht so recht“. Dann kam „Hard Land“ raus. Und wieder Nachdenken. Und schließlich hab ich mir beides besorgt. Und den Bob Dylan-Geburtstagsband von Maik Brüggemeyer („Look Out Kid), zu dem Benedict Wells einen Beitrag geliefert hat. In dem er erst schildert, was ihn an Dylan gepackt hat, um dann zu schreiben, dass es richtig dylanesk wäre, nicht über ihn zu schreiben.

Wells‘ Wärme und Empathie für die Figuren

Das faszinierende an Wells‘ Prosa ist die Wärme und die Empathie für die Figuren. Obwohl er ein Freund und Kenner der Popkultur ist, befindet sich seine Literatur meilenweit von dem entfernt, das sehr oft als Popliteratur auftritt und sich als rein hedonistisch oder zynisch entpuppt. Im Gegenteil: Wells hat ein humanistisches Menschen- und Gesellschaftsbild. Er will eine bessere Welt. Und weil die Welt nicht gut ist, geht es auch seinen Protagonisten nicht gut. Und auch die sind nie einfach nur abgedreht und zynisch, sondern leiden an der Gesellschaft. Und behalten aber ihre Wärme und ihr Sentiment.

Vorliebe für Bob Dylan

Auch sein Sentiment für Amerika und seine Begeisterung für die amerikanische Popkultur, die zu seinen Jugendzeiten auch global noch stärker hegemoniell war als heute, ist ungebrochen stark. So ist es kein Wunder, dass er seine Romane immer wieder mit Versatzstücken aus dem Arsenal der amerikanischen Popkultur bestückt. Schon sein erstes Buch – Becks letzter Sommer – steckte da den Rahmen ab. Es ist in der klassisch-amerikanischen Erzählweise als Road Movie entworfen. Und dann spielt plötzlich Bob Dylan eine wichtige Rolle im Roman. Wells sagte dem Buchmagazin „Booksection“ dazu: …ich liebe Bob Dylan sogar, der Typ ist ein musikalisches und lyrisches Genie, wenn auch vielleicht nicht gerade der beste Sänger. Am Anfang hat er eigentlich nur eine kleine Rolle in der Geschichte gespielt. Irgendwann fiel mir aber auf, dass Rauli der junge Dylan sein könnte und dann kam die Idee, dass man Bob Dylan in eine Szene tatsächlich einbauen könnte. Als ich das wusste, war mir auch klar, dass ich das Buch in A und B-Seite aufteilen und die Kapitel nach Bob Dylan-Songs benennen muss. Ja, so ist Dylan durch die Hintertür immer mehr in die Geschichte rein gekommen. Aber es ist nur logisch, dass Beck Bob Dylan hasst. Anders wäre es nicht gegangen.“

Das Buch ist in A-Seite und B-Seite unterteilt und jedes Kapitel ist nach einem Dylan-Song benannt. Eines heißt „Things Have Changed“, ein anderes „Buckets Of Rain“, ein drittes „Like A Rolling Stone. „Ich mag Bob Dylan sehr gerne, mich nervt der auch nicht. Ich kann die Stimme hören und finde ihn extrem clever und gut. „All along the watchtower“ ist der Song, den ich mir immer für eine Reise vorstelle, da steckt so viel Reisegefühl und Power in dem Song, Freiheit, so dass klar war, damit beginne ich die Reise“, sagte Wells 2008 dem Deutschlandfunk.

In „Fast Genial“ war es wieder das Road Movie, das den Rahmen bildete. Wells siedelte sein Roadmovie nun tatsächlich in den USA an und der junge Held des Romans lebt im Trailerpark und erhält plötzlich eine ungeahnte Chance, der Perspektivlosigkeit zu entkommen. Er muss zu seinem Glück finden. Und das macht man auch heute noch in den USA typischerweise, in dem man ins Auto steigt und losfährt. Schon John Steinbeck stellte in einem der wohl bekanntesten literarischen Road Movies „Meine Reise mit Charley“ fest, dass die Amerikaner eigentlich ständig unterwegs sind. Das neueste und dunkle filmische Beispiel dieses amerikanischen Mobilität erzählt von der nackten ökonomischen Not: „Nomadland“, der Film von Chloé Zhao über eine Wanderarbeiterin mit der großartigen Frances McDormand in der Hauptrolle.

Amerika: „Größer als alle Vorurteile“

Copyright: Diogenes Verlag

Wells hat eine starke Bindung zu den USA, trotz der teilweise fragwürdigen politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte: „Für mich war die erste große Desillusionierung der Irakkrieg und dass Bush trotz all der ans Licht gekommenen Lügen wiedergewählt wurde. Doch als ich dann 2008 durch die USA gefahren bin, im letzten Bush-Jahr, wurde mir klar: Dieses Land ist einfach größer als alle Vorurteile. Das gleiche nun wieder, als ich 2019 monatelang dort war und Trump regierte. Auch da hatte ich vor der Reise gemischte Gefühle. Und ja, was immer du den Amerikanern vorwerfen möchtest, jedes Klischee, das findest du dort. Doch nur eine Ecke weiter begegnet dir schon das komplette Gegenteil. Und dann gibt es auch noch die Millionen Obdachlosen, Abgehängten und Durchs-Raster-Gefallenen, die eine Art drittes Land bilden, das öffentlich kaum stattfindet, weil es keine Stimme hat. Das alles hat mich demütiger gemacht in einem pauschalen Urteil gegenüber Amerika“ (Interview Berliner Zeitung, 28.2.2021).

In „Hard Land“, seinem neuesten Buch schreibt er einen klassisch amerikanischen „Coming Of Age“-Roman und siedelt ihn in einer Kleinstadt im Mittleren Westen der USA in den 1980er Jahren an. Er sagt in eben diesem Interview in der Berliner Zeitung: „Und genauso wichtig war mir das Gefühl für diese Zeit, die in vielem so anders war als jetzt, und deren Popkultur ich als Kind aufgesaugt hatte. Ich kann über einen gelben Highschool-Bus in den USA viel mehr erzählen als über den RVA-Ostallgäu-Bus, den ich als Heimschüler selbst benutzt habe. Aber das alles soll keine Verklärung sein, die 80er waren auch ein schwieriges Jahrzehnt…Es gab Kalten Krieg und echte Angst vor einer atomaren Eskalation, sauren Regen, Rückständigkeit, Homosexualität war in den USA vielerorts verboten. Deshalb bildete die Popkultur für mich eher das Gegengewicht zu all dem. Das wurde mir auch beim Schauen unzähliger Eighties-Klassiker noch mal bewusst.“

Man muss sich nur an „Zurück in die Zukunft erinnern“ als Doc Brown es nicht glauben kann, dass Ronald Reagan jetzt Präsident sei: „Na klar, und John Wayne ist Verteidigungsminister!“ Das Buch erhebt keine lautstarken politischen Parolen, dafür sind seine Protagonisten und ihre Lebensumstände die Beweise für die unheilvolle Entwicklung, die Amerika seit Reagan nehmen sollte. Wirtschaftlich, sozial, kulturell und politisch. Und dieses erzählt Wells ganz selbstverständlich, bildstark, melancholisch-humorvoll, mit starken Figuren und irgendwie so nebenbei, neben der individuellen Geschichte der jungen Hauptfigur.

Wells schreibt amerikanische Erzählungen

Uns so sind Wells‘ Bücher nicht nur im Grunde auf ihre Weise amerikanische Erzählungen, ihr Erzähler, Benedict Wells ist fast sogar so etwas wie ein Bob Dylan der Prosa. Seine Botschaft kommt nicht mit dem Holzhammer, sondern liegt subtil im Kontext oder im Umfeld des Romans. Zu allererst ist seine Botschaft human und menschlich, dann erst in zweiter Linie politisch. Aber sie ist es dafür umso stärker.

Yannick Monot – En Chemin – Unterwegs 1

20. April 2021

Er ist seit vielen Jahrzehnten in Deutschland und Europa mit Cajun & Zydeco-Musik unterwegs. Nun hat einen farbenfrohen und stimmungsvollen Rückblick auf diese Zeit vorgelegt

Yannick Monot, Copyright Krokodil Records

Als uns vor einigen Jahren die erste Reise durch die USA zu den Wurzeln der amerikanischen Musik führte, da machten wir auch in Louisiana im Cajun Country Station. Wir besuchten Layfayette und waren abends in „Mulate’s“ zu Gast, einem typischen Cajun-Restaurant. Viel Seafood, dazu Musik und Tanz – Ziehharmonika, Steel-Guitar, E-Bass. Eine Reisegruppe fand sich im Lokal ein und bevölkerte die Tanzfläche. Ein schöner Abend in dem legendären Lokal, in dem, wie im Eingangsbereich zu lesen ist, auch schon Bob Dylan zu Gast war.

Am nächsten Tag ging es in das Cajun-Museumsdorf Vermillionville und anschließend auf eine Bootstour durch die Sümpfe, dem Swamp und dem Bayou. Unser Bootsführer Butch erklärte, was zu sehen und auf was zu achten war. Und so sahen wir neben interessanten Pflanzen und seltenen Vögeln auch Alligatoren und waren denen ziemlich nah. So ein bisschen unheimlich war das dann schon. Endstation unserer Reise war danach New Orleans, „The Big Easy“ mit Bourbon Street und Marching Bands.

Botschafter von Cajun & Zydeco

Was für eine wichtige Rolle dieser Landstrich für die amerikanische Rootsmusik spielt, daran muss ich immer denken, wenn ich die Musik von Yannick Monot höre. Der in der Bretagne geborene Musiker lernte die Musik der Franko-Amerikaner, die vor den Briten aus Kanada fliehen mussten, in Louisiana  kennen, nahm seine erste Cajun-Platte in Schweden auf, und ist seit vielen Jahrzehnten u.a. in mehreren Bandprojekten ein wichtiger Bestandteil der deutschen Folk-Szene und öffnete mit dem Quintett „Yannick Monot und Nouvelle France die Türen für Cajun & Zydeco Musik in Deutschland und Europa.

Neues Album

Nun hat er mit „En Chemin. Unterwegs 1“ einen Rückblick auf diese Jahrzehnte veröffentlicht. Und die Musik ist ein Zeugnis seiner Kunst. Sie ist ansteckend fröhlich, da lädt sie zum Tanzen ein, dann wieder ist sie melancholisch und man wird träumerisch und nachdenklich. Und vor allem: Monots Musik fängt Atmosphäre und Stimmung des Cajun Countrys ein. Wenn in „The old man in the bayou“ der alte Mann fröhlich in sein Boot steigt, dann ist man plötzlich mitten drin im Bayou. „Oh ‚tit fille“ beschwört die Leichtigkeit von „The Big Easy“ wie New Orleans auch genannt wird. „Elle ne veut pas danser“ erzählt eine weitere Geschichte aus Louisiana zwischen Tanzvergnügen, Liebe und Eifersucht. Und mit Stücken wie „Le petite Acadie“ oder „Ma Demoiselle“ reist er in die Geschichte der „Acadiens“ wie die Cajuns in ihrer früheren Heimat Kanada hießen.

Ob Soli oder mit seinen Bands, der Multi-Instrumentalist Monot – er spielt Gitarre, Dobro, Akkordeon und Mundharmonika, dazu ist er Texter und Sänger seiner Musik – drückt aller Musik seinen eigenen, ebenso lebensfrohen wie lebensklugen Stempel auf. Ein perfekt produziertes, im eigenen Studio von „Crocodil Records“ aufgenommenes Album. Es wird uns die Wartezeit versüßen bis Yannick Monot seine Konzertreisen wieder fortsetzen kann.

Das Album ist erhältlich über info@yannick-monot.de .

Happy Birthday, Bill Ramsey!

19. April 2021

Der amerikanisch-deutsche Entertainer wurde an diesem Wochenende 90 Jahre alt. Er brillierte nicht nur in Schlager und Jazz, sondern war auch eine der ersten American-Folk-Stimmen in Deutschland. Zu seinem Geburtstag ist nun eine Hommage in Buchform erschienen.

Copyright: Seitenweise Verlag

„Souvenirs, Souvenirs“, „Ohne Krimi geht die Mimi nicht ins Bett“, „Pigalle“, „Die Zuckerpuppe von der Bauchtanztruppe“, Gassenhauer die jeder kennt. Und große, karrierebegründende Hits für Bill Ramsey. Wer in der alten Bundesrepublik aufgewachsen ist, der kam gar nicht vorbei an dem kräftigen, lustigen US-Amerikaner. Er sang seine Hits in den späten 1950er und frühen 1960er Jahren auch in einigen Filmen, die zur Jugendzeit des Autors dieser Zeilen in den 1970er und 1980er Jahren immer noch gerne ausgestrahlt wurden.

Und doch war Ramsey da schon wo ganz anders. Nämlich wieder da, wo er angefangen hatte: Beim Jazz. Denn als er in den 1950er Jahren nach Frankfurt zum AFN kam, da tauchte er ganz tief in die dortige Jazzszene ein. Zwar wurde er vom Produzenten Heinz Gietz entdeckt, der selber Jazzer war, doch der schneiderte ihm eine Schlagerkarriere zurecht. Ramsey lustige und skurrile Songs haben bis heute Kultstatus.

Vom Schlager über American Folk zurück zum Jazz

Doch als Mitte der 1960er Jahre dann Beat und Rock auch in Deutschland immer mehr in den Vordergrund drängten, kehrte Ramsey wieder zu seinen Wurzeln zurück. Zum Jazz, zum Blues… und zu Folk und Country! Das erste Album, das 1965 seinen Schwenk vom Schlager zurück zur American Roots Music dokumentierte, war das Album „Bill Ramsey singt Lieder seiner Heimat – Songs from Home“ auf. Darauf waren amerikanische Folk-Klassiker wie „John Henry“ oder „Wabash Cannonball“.

In der soeben erschienen Hommage in Buchform „Bill Ramsey. Send In The Clown“ von Pit Klein, kann man nachlesen, dass es gar nicht so einfach war für den als Schlagersänger wahrgenommenen Ramsey, in der Öffentlichkeit mit seiner American Roots Music und dem Jazz zu reüssieren. Während Country & Western als musikalische Vorlage für deutsche Schlagerhits wie Peter Alexanders „Ich zähle täglich meine Sorgen“ („Heartaches By The Numbers“) oder als Klischees für Songs wie „Es hängt ein Pferdehalfter an der Wand (Bruce Low) gerne genommen wurden, war die Vorstellung, dass der Schlagersänger Bill Ramsey nun die echte Folkmusik seiner Heimat singen könnte, scheinbar schwer vorstellbar. Doch seine Plattenfirma ermöglichte es und er nahm noch im selben Jahr bei der deutschen Columbia zusammen mit Paul Kuhn auch „Blues And Ballads“ mit Standards wie „Fly Me To The Moon“ oder „But Not For Me“ auf.

Folk und Country mit Don Paulin

Copyright: Columbia Records

In den folgenden Jahren ging Ramsey zweigleisig vor. Er sang immer noch bei entsprechender Gelegenheit in Fernsehshows seine alten Hits – er stand immer zu dieser Musik – seine Kraft und Leidenschaft aber steckte er vor allem in die Jazzmusik. Mitte der 1970er Jahre unternahm er dann mit dem amerikanischen Folksänger Don Paulin erneut Ausflüge in die Folk Music. Von 1973 bis 1982 waren sie Gastgeber der Sendung „Show Ohne Shuh“, die internationale Folklore und darunter natürlich viel Folk, Country und Blues, in den Mittelpunkt stellte. 1975 veröffentlichten die beiden die LP „Hard Travelling“ mit amerikanischen Folk- und Country-Klassikern wie „Banks Of The Ohio“ oder „Railroad Bill“.

Rückzug von der Bühne

Bis ins hohe Alter blieb Ramsey aktiv, so konnte ihn der Autor dieses Artikels 2012 bei einem funkensprühenden Konzertabend in Frankfurt-Höchst erleben. Im letzten Jahr hat sich Ramsey aus gesundheitlichen Gründen von der Bühne zurückgezogen. An diesem Wochenende feierte er seinen 90. Geburtstag. Happy Birthday, Bill Ramsey!

Pit Klein, Bill Ramsey. Send In The Clown – das Buch
Mitte letzten Monats ist diese Hommage in Form von Erinnerungen von Weggefährten und Freunden, zusammengestellt von Pit Klein, erschienen. Beiträge zu diesem Band haben u.a. der Autor, Radiomoderator und Veranstalter Tom Schroeder und der Musikjournalist Siegfried Schmidt-Joos beigesteuert. Das Buch ist im Seitenweise Verlag erschienen, hat 272 Seiten, und kostet 28 Euro. ISBN-13: 9783943874372.

Bill Ramsey – Songs From Home – die Musik

Leider gibt es keine Aufnahmen dieser Musik von Bill Ramsey auf youtube. Einen Eindruck geben aber die Hörproben des Albums beispielsweise auf jpc.de wieder:

https://www.jpc.de/jpcng/jazz/detail/-/art/Bill-Ramsey-Ballads-Blues-Songs-From-Home/hnum/6580155

Der „Bob-Track“ des Lebens

16. April 2021

Die Musik von Dylan begleitet das Leben und öffnet tausend weitere Welten

Bob Dylan, Copyright Walter Steffek

In diesen Vorgeburtstagszeiten, in denen ich an Vorträgen und Beiträgen für verschiedene Veranstaltungen und Medien arbeite, stelle ich mir auch immer wieder die Frage: In welcher Weise war Dylan für Dich im Leben bedeutend? Die Antwort: Immer sehr und auch immer anders.

Um dies konkret dazustellen, komme ich zurück auf den Soundtrack meines Lebens, über den ich anlässlich meiner Berufung in die Jury der „Liederbestenliste“ der deutschsprachigen Musik nachgedacht habe. Denn zu der Zeit, als ich Dylan entdeckte, da entdeckte ich auch Hannes Wader und Bernies Autobahnband, Georg Danzer und etwas später Wolfgang Ambros. Letzteren nicht nur wegen seiner österreichischen Dylan-Adaptionen, sondern auch wegen „Schiefoan“ und „Zwickt’s Mi“. Danach BAP und in den 1990ern Ringsgwandl, aber nicht nur wegen „Nix Mitnemma“.

Songs für viele Lebenslagen

Soll heißen, auch neben Dylan gab es immer auch andere Musik für mich. Doch seine hat mich immer wieder in meinem Leben in besonderer Weise berührt. „Hurricane“ faszinierte mich 1976/77 komplett: Text, Haltung, Stimme, Musik. In seiner christlichen Phase blieb ich dabei, weil Songs wie „I Believe In You“ oder „Precious Angel“ auch Liebessongs für Frauen waren bzw. sein konnten. „I and I“ faszinierte mich, weil der junge Erwachsene sich damals einsam und zerrissen fühlte. „License To Kill“ war ein tolles Anti-Kriegslied. Anfang der 1990er sorgten Songs wie „Born In Time“ – den Song fand ich so romantisch, der ging mir nicht mehr aus dem Ohr- und die Live-Konzerte für eine neue, verstärkte Hinwendung. Weitere Songs, die mich mein Leben lang begleiten sind „Simple Twist Of Fate“ (Budokan-Version), Mr. Tambourine Man (Budokan) oder auch „Black Diamond Bay“, das er noch nie live gespielt hat.

Die gesellschaftlichen Hintergründe von Bob Dylan erforschen

Als Typ war er natürlich in seiner Anfangszeit ein „Role Model“. Aufmüpfig, lässig, frech. So wie ich damals nie war. Später dann setzte eine Distanz ein. Man liebt die Musik und Dylan gehört zum Leben, aber man emanzipiert sich mit der Zeit ein bisschen vom Vorbild oder „Role Model“. Respekt für Werk und Künstler steht dann immer mehr im Mittelpunkt. Heute bin ich 57 und Dylan 80. Er ist ein wohlsituierter älterer Herr, der seinen Beruf bzw. seine Berufung – Musiker, Songwriter, Maler etc. – bis ins hohe Alter ausüben kann. Vater und Großvater mit einem großen Haus in Malibu. Seine Nachkommen sind zu einem Großteil wiederum kreative Menschen. Soweit, so gut. Es reicht mir, dies zu wissen.

Also weniger Spekulation um persönliches Leben, aber auch keine reine Textexegese und obsessives Fahnden nach zitatquellen um Songs technisch zu dekonstruieren. Dies ist nicht das Dylan für mich so spannend macht. Viel spannender und mittlerweile am spannendsten empfinde ich zwei Dinge. Da sind zum einen die gesellschaftlichen Hintergründe und Wirkungen und zum anderen die musikalischen Wurzeln seines Werkes.

Dylan als Tor zur Americana-Welt

Was hat dieser Künstler mir für Welten eröffnet: Amerika und Americana! Bob Dylan ist ja nicht aus dem luftleeren Raum gekommen, sondern hat aus einem musikalischen Erbe schöpfen können. Dem „alten, unheimlichen Amerika“ wie es Greil Marcus genannt hat: Folk, Blues, Old Time, Bluegrass, Country. So richtig klar wurde mir das zur Jahrtausendwende mit „O Brother Where Art Thou?“. Immer mehr verliebt ich mich in diese Musik, schrieb für country.de und meinen Blog über Americana. Und so kam es, dass meine Konzertreihe, die in Darmstadt 2014 startete eine Americana-Reihe wurde. Ich wollte einen musikalischen Kontinent durchstreifen, mich nicht auf den Dylan’schen Mikrokosmos beschränken. Ich finde es bis heute reizvoll, wenn Künstler, die eben keine Dylan-Cover-Künstler sind, sich Dylan-Songs aneignen. So wird in meiner Reihe jeder Act gebeten, einen Dylan-Song im Konzertprogramm zu haben.

Bob Dylan & Black America

Zu den unbestrittenen musikalischen Wurzeln von Bob Dylan gehört der Blues. Dass er aber auch eine Affinität zu Soul, Jazz und Rap besitzt, verstand ich erst so richtig, als ich nach afroamerikanischen Musikbezügen in seinem Werk forschte. Dies hatte seinen Ursprung in den Carolina Chocolate Drops. Die schwarze Old Time Band spielte im Vorprogramm von Dylan und faszinierte mich. Über die Entstehung des Blues als Phänomen der gesellschaftlichen Hintergründe in den US-Südstaaten lernte ich viel von Florian Pfeil bei den gemeinsamen „Politik und Musik“-Seminaren. Und so erfuhr ich eben, dass die Verbindung von Bob Dylan zur Black Community viel mehr ist als der Blues und die Bürgerrechtslieder Anfang der 1960er Jahre. Es ist viel mehr und es geht tiefer.

Mehr dazu in meinem neuen Buch „Bob Dylan & Black America“. Jetzt überall wo es Bücher gibt. Am besten in der Buchhandlung des Vertrauens oder direkt beim Verlag:
https://tredition.de/autoren/thomas-waldherr-36760/bob-dylan-black-america-paperback-151883/

Bob Dylan & Eric Clapton: Born In Time 1999

Bob Dylan live with The Winston Marsalis Band 2004

Populär sein reicht nicht

10. April 2021

Ein neues Buch zeichnet den Weg von Joan Baez als politische Aktivistin nach

Beide feiern in diesem Jahr ihren 80. Geburtstag. Der eine- Bob Dylan (24. Mai) – mit großem Medienecho und einer wieder einmal großen Welle von Buchneuveröffentlichungen, die andere – Joan Baez (9. Januar) – eher im Hintergrund, die medialen Wellen sind ungleich kleiner. Denn während Bob Dylan fortwährend Musikgeschichte schreibt – 2016 Literatur-Nobelpreis für einen Songpoeten, 2019 neues Album, 2020 bis zur Absage durch Corona weitere Konzerttouren geplant – hat sich Joan Baez bereits 2019 für immer von den großen Bühnen verbschiedet.

Copyright: ibidem-Verlag

Interpretin und Aktivistin, keine Songwriterin

Joan Baez ist eine wichtige musikhistorische Figur, da sie als musikalische Repräsentantin einer ganzen Generation für den politischen Veränderungswillen in den 1960er Jahren steht. Im engeren Sinne hat sie musikalisch wenig Bleibendes hinterlassen. Sie ist auch nie eine große Songwriterin gewesen. Gerade mal eine Handvoll von ihr selbst geschriebene Songs haben wirklich überdauert wie „Diamonds & Rust“ (über Bob Dylan), „Sweet Sir Galahad“ (über Richard Farina, den tödlich verunglückten Mann ihrer Schwester Mimi) oder „A Song For David“ (über ihren Ehemann David Harris, der als Anti-Kriegs-Aktivist in den USA im Gefängnis saß). Stattdessen war sie aber eine große Interpretin mit großer Stimme und großem Charisma. Und vor allem: Sie war und ist mit großer Glaubwürdigkeit, Integrität und Vehemenz ausgestattet, mit der sie für ihre politischen Ziele eintritt. Diese besondere, im Grunde fast einzigartige Mischung aus musikalischer Künstlerin und politischer Aktivistin trug sie durch die Jahrzehnte ihrer Karriere und schuf ihre historische Bedeutung.

Und nun endlich, im Jahr ihres 80. Geburtstages, ist die längst überfällige systematische Darstellung ihres Lebens als politischer Aktivistin in Buchform erschienen. Eines der wenigen neuen Bücher über sie in diesem Jahr. Dem österreichischen Auto Markus Jaeger gebührt der Verdienst dies angegangen zu sein. „Popular Is Not Enough. The Political Voice Of Joan Baez“ heißt das im Stuttgarter ibidem-Verlag auf Englisch erschienene Werk.

Eine politische Lebenslinie

Also endlich mal eine Darstellung, die sie nicht auf die „Queen Of Folk“ oder auf ihre komplizierte Verbindung mit Bob Dylan reduziert, sondern sachlich und kenntnisreich von ihren Wurzeln in Quäkertum und Pazifismus über die Einflüsse von Mahatma Gandhi, Martin Luther King, Henry David Thoreau und Ira Sandperl bis hin zu ihren Aktivitäten insbesondere gegen Kriege und für die unter ihnen leidenden Menschen in aller Welt eine politische Lebenslinie zieht.

Dabei wird auch nicht verschwiegen, dass sie Teile ihrer Karriere in der Tat als Nostalgie-Nummer verbringen musste und sie in den Reagan-Jahren in den 1980ern in den USA zeitweise keine Plattenfirma unter Vertrag nahm. Umso stärker hat sie sich dann nach dem Fall des Eisernen Vorhangs für die unteilbare Freiheit engagiert. Sie war auf der Seite der Freiheitsbewegungen gegen den Poststalinismus in Polen und der Tschechoslowakei ebenso wie in Lateinamerika im Kampf gegen Militärdiktaturen und politischer Reaktion.

Weiterhin kritisch

Jaegers Buch schließt denn auch nicht bei der sattsam bekannten Geschichte aus den 1960ern, sondern zeigt uns auch die jüngsten politischen Aktivitäten. Gegen die Kriegspolitik von George W. Bush, die sogar zu Auftrittsverbot führte und ihre Opposition zu Donald Trump, die u.a. mit „Nasty Man“ zu einem der ersten frechen und bösen Protestsongs gegen den orangefarbenen Autokraten führte.

So ist ein unschätzbar wichtiges Werk entstanden, der frische Einblicke in ihr Leben und ihrer Karriere während 60 Jahren USA- und Weltgeschichte gewährt. Es soll ja Dylan-Fans geben, die mit dem Aktivismus von Baez auf Kriegsfuß stehen. Gerade jenen sei dieses Buch empfohlen. Dass Dylan und Baez zwei unterschiedliche künstlerische Konzepte haben, die beide ihre Berechtigung haben und nicht gegeneinander ausgespielt werden dürfen, habe ich hier an dieser Stelle vor wenigen Wochen bereits vermerkt. Hier also die spannende Geschichte einer dezidiert politisch-aktivistischen Musikerin. Respekt vor Joan Baez, Respekt aber auch vor dem Autor, diese Geschichte endlich aufgeschrieben zu haben.

Popular Is Not Enough: The Political Voice Of Joan Baez: A Case Study In The Biographical Method, Stuttgart 2021, 260 Seiten, 34,90 Euro.

Nobody sings the blues like … Blind Boy Grunt!

9. April 2021

Vor dreißig Jahren: The Bootleg Series Volumes 1-3 erscheint

Copyright: Columbia Records

Die Dylan’sche Zeitrechnung kann sehr wohl in die Zeit vor der Bootleg Series und nach dem Erscheinen der ersten drei Teile der mittlerweile legendären Serie unterteilt werden. Ende März 1991, wenige Wochen vor seinem 50. Geburtstag, erschien die drei CD-Box.

War Biograph 1985 noch eine Karriere-Retrospektive, bei der die bis dato unveröffentlichten Songs in der Minderzahl waren, so war die Bootleg Series tatsächlich ein Eldorado von offiziell Unveröffentlichtem. Endlich gab es das, was es bis dahin sehr oft nur auf obskuren Aufnahmen in minderer Qualität gab, in bestmöglicher Klangqualität und sorgsam editiert. Für die Liner-Notes zeichnete der großartige John Bauldie verantwortlich, der wenige Jahre später bei einem Hubschrauberabsturz tragisch starb.

Die Auswahl eines der führenden Dylanologen seiner Zeit war wohlüberlegt. Strategie von Dylan und/oder seines Managements und seiner Plattenfirma war es, zum einen der großen Nachfrage nach Dylan-Live-Aufnahmen nachzukommen und gleichzeitig etwas Kultiges zu kreieren. Denn keiner glaubte wirklich, dass dadurch die Schatten-Platten-Industrie, die durch das Dylan-Bootleg „Great White Wonder“ das Licht der Welt erblickt hatte, angreifbar gewesen wäre. Im Gegenteil. Dylan wurde auch durch die schweren Jahre durch die Loyalität seiner Fans getragen, die seine Konzerte besuchten und die Tapes sammelten. Im Gegenteil: Für die Komplettisten gab es nun begehrte Aufnahmen offiziell und die Hinzuziehung Bauldies war auch ein Zeichen dafür, dass das Dylan-Camp sehr wohl verstand, wer den Star durch die Jahre der Krise begleitete. So entstand eine noch engere Bindung der Fans zu ihrem Idol.

1991 als Wendepunkt?

Das Jahr 1991 kann rückwirkend wirklich so etwas wie ein Wendepunkt in Dylans Karriere angesehen werden. Auch wenn das künstlerisch erst nach der Veröffentlichung seiner beiden Folk-Alben „Good A I Been To You“ zutrifft. Aber der Beginn einer wichtigen Konstante seiner Karriere, den Bootleg Series, der erneute Beweis für seinen Freigeist mit seiner „Masters Of War“-Adaption bei der Grammy-Verleihung während der Operation „Desert Storm“ und seine dramatischen Live-Auftritt dieser Zeit entfachten bei vielen die Dylan-Leidenschaft neu.

So auch bei mir. Klar hatte ich mir auch die schlechten Dylan-Alben gekauft, aber nach den Desastern 1985 bei Live Aid und 1987 in der Frankfurter Festhalle war ich doch etwas ernüchtert. Wie gut, dass meine große Liebe so klug war, mich mit der CD-Box und Tickets für Offenbach zu versorgen. In der dortigen Stadthalle war sie es übrigens auch, die uns mit Hartnäckigkeit und Begeisterung den Platz in der ersten Reihe sicherte.

Doch zurück zur Bootleg Series. Sie war vor allem der eindrucksvolle Beweis welch tolle Musik Dylan abseits seiner Platten machte. Ob „John Birch“ oder „Only A Hobo“, die beide in seiner Frühzeit unter dem frechen Pseudonym „Blind Boy Grunt“ erschienen oder „Catfish“, „Foot Of Pride“ und „Blind Willie McTell“, die in späteren Jahren Outtakes waren, die jeder andere voller Stolz auf seinem Album präsentiert hätte. Was bekam man stattdessen: „Death Is Not The End“. Oh, Mann!

Copyright: Columbia Records

Großartige Fundstücke

Aber das war jetzt vorbei, denn was man da in Zukunft noch alles erleben würde. Wie zum Beispiel die beste Ausgabe der gesamten Serie bis heute: „Tell Tale Signs“. Ein wahrer Koloss von Album. So hat uns die Serie eigentlich nie enttäuscht – vielleicht mal zu überdimensioniert für meinen Geschmack („The Cutting Edge“) – doch im Gegenteil: Die Plätze 2 und 3 meiner „Bootleg Series-Hitparade“ sind für mich wahre Fundgruben. Die Basement Tapes Complete war großartig, aber vor allem „Another Self Portrait führte zu nicht mehr und nicht weniger als zu einer Neubewertung der Schaffensphase Dylans in den frühen 1970ern.

Ob die nun zu erwartende nächste Ausgabe rund um „Infidels“ auch zu einer Neubewertung führt? Ich glaube eher nicht. Trotzdem führt sie bestimmt zu interessanten Einsichten rund um eines der unterschätzteste Dylan-Alben. Und damit ist Sinn und Zweck der Bootleg Series auch in ihrer x-ten Inkarnation wieder mehr als erfüllt.

Bob Dylan als Messias

2. April 2021

Über einen gefährlichen Irrtum an den Schnittstellen von Kunst, Politik und Religion. Ein Zwischenruf zu Ostern.

Bob Dylan 1976, Copyright: Wikimedia Commons

Juden und Christen glauben an den Messias, der die Menschen von Unterdrückung und Verfolgung befreit und sie ins Reich der Freiheit führt.

Im Jargon des Politischen bezeichnet man damit eine Retter-, eine Leitfigur. Bedenkt man bei der Linken den Text der Internationale: „Es rettet uns keine höheres Wesen, kein Gott, kein Kaiser, noch Tribun, uns von dem Elend zu erlösen können wir nur selber tun“ dann wird deutlich, wie dämlich es ist, wenn Linke eine unantastbare Führerfigur, einen Messias ausrufen. Ob Che Guevara als „Jesus mit der Knarre oder Fidel Castro als „Maximo Leader“. Das passt einfach nicht zusammen. Das eigene Schicksal im wirklichen Leben in die Hände einer Führerfigur zu legen ist ein autoritärer Charakterzug. Vorgemacht haben es innerhalb der Linken Stalin und seine Kommunisten, als sie für ihren autoritären Sozialismus in einem Land eine starke strafende Vaterfigur konstruierten. „Väterchen Stalin“ war der Messias und dieser Stalin forcierte den Personenkult, um die Partei und das Land zu beherrschen.

Messias wider Willen

Wie schwierig es allerdings ist, wenn man zum Messias wider Willen ausgerufen wird, davon kann Bob Dylan ein lebenslanges Lied singen. Die linken amerikanischen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich von der Generation ihrer Väter, die in Kriege und Konsumismus verstrickt waren, lossagten, brauchten gleichaltrige Anführergestalten. Mit Pete Seeger eine väterliche Leitfigur zu haben, reichte nicht. Dylan, der sich mit starken Songs ins öffentliche Bewusstsein gespielt hatte, schien der richtige dafür zu sein. Mehr noch, sie wollten in Dylan ein Idol haben, das jederzeit politisch eindeutig, künstlerisch potent und menschlich integer sein sollte. Dass das für gerade mal 22-jährigen Dylan 1963/64 eine ungeheure Bürde bedeutete, ist zu verstehen. Dylan schrieb zwar Songs von politischer Wirkung, die zu den Auseinandersetzungen der Zeit passten, aber er war von Grund auf ein Künstler. Im künstlerischen Bereich sollte er im Laufe seiner Karriere immer wieder beweisen, dass er ein Anführer sein kann. Aber politische Botschaften und Programme für eine politische Jugendbewegung zu formulieren und sie anzuführen, das war nie sein Ansinnen.

Wie eine bedingungslose Hingabe bei enttäuschten Erwartungen in ein barsches Mobbing entgleiten kann, hat dann Dylan ebenfalls seit 1964 erfahren. Erst die fast-schon Beschimpfung von Irwin Silber in der von ihm herausgegebenen Folk-Zeitschrift „Sing Out!“, dann die Buhrufe in Newport 1965 als er seine Musik elektrisch verstärkte und der Höhepunkt der – wunderbar im religiösen Sujet bleibende – „Judas“-Ruf in Manchester 1966.

Dass das wiederum auch schon ein biblisches Vorbild hatte und dem „Hosianna“ wohl stets das „Kreuziget ihn“ folgt, hat er in „Shelter From The Storm“ verarbeitet, in dem er seine Frau Sara als den Menschen beschreibt, der ihm Zuflucht vor den Anwürfen der Öffentlichkeit gegeben hat. Die Bildsprache zeigt, wie sehr ihn seine Messiasgeschichte beschäftigt und wie er damit auch ganz bewusst spielt: „She walked up to me so gracefully and took my crown of thorns“ singt er da.

Enttäuschte Liebhaber

Weil für die Folkies jede elektrische Verstärkung schon ein Schritt in den kommerziellen Verrat und jede dandy-hafte Attitüde des Künstlers etwas Klassenfeindliches war, sollte Dylan lebenslang Arbeiterhemd und Akustikgitarre tragen. Unglaublich was man sich da heraus nahm. Künstlerkollegen wie Phil Ochs und Johnny Cash äußerten ihr Verständnis für den Veränderungsdrang eines kreativen Künstlers, für andere wurde Dylan dadurch aber zur lebenslangen Hassfigur.

Dass dieses Phänomen in den Zeiten vor Internet und Social Media in anderen Ländern ein merkwürdig verzögertes Echo haben konnte, bewiesen die Ausfälle von Teilen des Publikums bei Dylans Deutschland-Konzerten 1978 in Dortmund und Berlin. Und in rigoroser Ignoranz gegenüber amerikanischen kulturellen Traditionen giftete ein Zeitungs-Chronist 1981 zu Dylans damaligen Deutschland-Konzerten: „Wir brauchen hier keine gospelsingende Mickymaus“.

Messias glaubt an den Messias

Ende der 1970er Jahre folgte Dylan dem Zug des christlichen Messias, Copyright: Columbia Records

Für eine weitere Volte in Dylans Messiasgeschichte sorgte er wiederum selbst, als er Ende der 1970er vom Judentum – für die ist der Messias noch nicht gekommen – zum Christentum -die feiern Jesus als Messias seit fast 2000 Jahren – übertrat. Und als richtiger übereifriger Konvertit auch schlimmes evangelikales Zeug auf den Bühnen predigte. Zwar fand Dylan aus dieser Kirche wieder heraus, machte jedoch keine Anstalten, öffentlich über diesen Schritt zu kommunizieren. Auch hier galt wieder: „Wer Ohren hat, der höre.“ Seine Musik war ab 1983 wieder weltlicher, sein Glauben persönlicher und nicht mehr mit missionarischem Eifer nach außen getragen.

Die Tatsache dass Dylan dieser Form des Glaubens nicht öffentlich abgeschworen hatte, führte dazu, dass bis heute evangelikale fundamentalistische Christen versuchen, Dylan für sich zu vereinnahmen. Auf die groteske Spitze trieb dies die Sekte der „Zwölf Stämme“, die jahrelang auch in Deutschland im Umfeld von Dylans Konzerten auftauchte. So wie 2013 am Rande seiner Deutschland-Konzerte, als sie mit einer obskuren Flugschrift präsent waren. Weil sie in späteren Jahren wegen Kindesmisshandlung in Deutschland strafrechtlich verfolgt wurden, setzte sich die deutsche 12-Stämme-Sektion 2015 nach Tschechien ab.

Kein Messias, für niemanden

„Don’t follow leaders, watch the parking meters“ sagt ja Dylan selber zur Problematik. Und wird damit allzu oft von selbst erklärten Nonkonformisten zur Leitfigur erkoren. Weil sich der Künstler Dylan nicht zum stetigen öffentlichen politischen Engagement verpflichtet fühlt, wird er dann gerne von all jenen zur Leitfigur konstruiert, die schlichtweg jedes gesellschaftliche und politische Engagement als sinnlos betrachten. Aber auch dazu taugt er nicht. Denn Dylan weiß bei aller Kritik an der politischen Sphäre nur zu genau -und Songtexte als auch Interviews oder seltene Aussagen auf der Bühne belegen das – dass nur Politik die herrschenden gesellschaftlichen Zustände verändern kann. Und Dylan hat sensible Antennen für gesellschaftliche Probleme wie Armut oder Rassismus.

Günter Amendt hat es bis heute am treffendsten formuliert als er Dylan als „menschlichste aller Stimmen und unstimmigsten aller Menschen“ bezeichnet hat. Das ist sein Faszinosum, und nicht über ihn als Messias zu phantasieren.

Bob Dylan „In The Garden“

Die DoubleDylans „Ersatzreligion“