Archive for März 2020

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (8)

31. März 2020

Railroad Songs sind eines der wichtigsten Genre der der traditionellen Country- und Folkmusik.

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everyone,
seit fast einer Woche im Home Office vermisse ich derzeit eine Sache nicht: das Zug fahren. Zwar bin ich leidenschaftflicher Nutzer und Anhängerr des ÖPNV, doch in den letzten Jahren ist die Bahn an ihre Kapazitätsgrenzen gestoßen und täglich in der Sardinenbüchse gen Frankfurt katapultiuert zu werden, ist mäßig spaßig.

Wobei mittlerweile die Spannung am Bahnsteig – kommt der Zug oder nicht oder wenn ja wann – fast so hoch ist wie die der Bahnhofsszenen aus „High Noon“, die immer bedrohlicher werden je mehr die Zeit bis zum Eintreffen der Schurken verrinnt und es immer einsamer um Gary Cooper wird.

Ja, Bickenbach, Texas hat eine Bahnstation, schon relativ früh schlug man den Schienenstrang des Dampfrosses in den Bickenbacher Sand. Und schwupp – schon sind wir bereits bei einem weiteren Kontinuum der amerikanischen Folk- und Countrymusik. Es gibt etliche wunderbare Train- und Railroadsongs.

Da gibt es die den Ruhm der Eisenbahn mehren sollte. U.a. dadurch, dass man den Zügen nicht Namen wie RB 67/68, RE50 oder IC72 gab, sondern sie so poetisch bezeichnete wie „Texas Eagle“, „City Of New Orleans“ oder „Wabash Cannonball“. Bekanntester Train-Song dieser Tradition ist sicher hierzulande der von Arlo Guthrie bekannt gemachte „City Of New Orleans“, dessen deutsche Version bei uns mindestens genauso bekannt sein dürfte: „Wann wird’s mal wieder richtig Sommer“ von Rudi Carell. Ein anderer, uns ebenfalls bestens bekannter Entertainer sowie Song & Dance Man, Mr. Bob Dylan, hat vor wenigen die alte Grundmelodie derer sich Guthrie bedient hat, nochmals für sein „Duquesne Whistle“ benutzt.

Für mich der schönste Train Song ist aber der „Wabash Cannonball“, der schon existierte, bevor die Wabash Railroad später ihren Schnellzug zwischen Detroit und St. Louis „Wabash Cannonball“ benannte. Unten hören wir eine besondere Version. Nicht die bekannte von der Carter Family, die schöne angelsächsische Mountainballade, sondern die Bluesversion von Blind Willie McTell, die schon förmlich nach Rock’n’Roll schreit.

Und dann gibt es die Railroad Songs, die von der harten Fron der Eisenbahnarbeiter erzählen. Der bekannteste ist sicher John Henry. Der Legende nach trieb der schwarze Bahnarbeiter Sprenglöcher für den Tunnelbau für eine neue Eisenbahnstrecke in West Virginia in den Fels. Als eines Tages diese Arbeit von neuen dampfgetriebenen Hämmern erledigt werden sollte, trat er zum Kampf gegen die Maschine an. Er gewann, starb aber vor Erschöpfung. Wir hören unten eine Version von Billy Bragg und Joe (!) Henry.

Und wenn die Eisenbahn zumindest bis Mitte des letzten Jahrhunderts das Mittel zur Beförderung von Waren und Menschen war, dann gibt es natürlich auch viele Lovesongs, in denen die „Trains“ eine Rolle spielen. Wir hören unten „Train Of Love“ von Johnny Cash.

Und nicht zuletzt soll hier Mr. Jimmie Rodgers erwähnt werden. Der „Singin‘ Brakeman“ himself, der wie sein Vater schon bei der Eisenbahn am Knotenpunkt Meridian, Mississippi, arbeitete, dort von schwarzen Kollegen den Blues lernte und zum ersten Superstar der Countrymusik aufstieg.. Wobei Jimmie nicht nur Songs über die Bahnarbeiter sang, sondern auch über die Hobos, die auf Güterzügen mitfuhren. Von ihm hören und sehen wir „Waitin‘ For A Train“ sowie zwei weitere Songs. Ein kleines Kabinettstückchen“ aus alter Zeit.

Soweit für heute. Und auch wenn wir jetzt alle zu Hause sind: Kein Trübsal blasen. Genießt das Leben! Hört gute Musik, seht interessante Filme, kocht was Schönes, meidet die aufgeregten Fernsehformate, hört lieber Radio und führt mit Euren Liebsten und Freunden wichtige Gespräche zur Welt nach Corona. Oder spielt mal einfach wieder mit der Modell-Eisenbahn!

Best
Thomas

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (7)

30. März 2020

Bob & Abe

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everyone,
mit seinem neuen Song über die Ermordung John F. Kennedys hat Bob Dylan den Dylanologen wieder viel Stoff zum forschen, grübeln, deuten gegeben. Ich möchte den Song über die Ermordung eines US-Präsidenten an dieser Stelle noch einmal zum Anlass nehmen, auf Bob Dylans Verhältnis zu den Politikern und insbesondere zu den US-Präsidenten eingehen.

Dylan wuchs an der Iron Range in der bleiernen Eisenhower-Ära auf. Mehr Langeweile geht nicht. Kein Wunder, dass, wie für viele andere auch, John F. Kennedy für ihn ein Versprechen für eine positive Veränderung des Landes war. Wenn auch die Jugend – und so auch Dylan – kritisch auf die Außenpolitik, insbesondere in der Kubakrise schaute, so erwartete man sich von Kennedy doch eindeutig fortschrittliche gesellschaftliche Veränderungen.

Dylan schätzte Kennedy und war doch ungezwungen und frech im Umgang mit ihm. Unvergessen sein Witz in „I Shall Be Free“ von 1963 (unten zu hören):
„Well, my telephone rang it would not stop
It’s President Kennedy callin’ me up
He said, “My friend, Bob, what do we need to make the country grow?”
I said, “My friend, John, Brigitte Bardot
Anita Ekberg
Sophia Loren”

Umso mehr muss ihn der Tod und vor allem auch die Art des Todes und des Attentates berührt haben. Etwa drei Monate nach Kennedys Tod bereiste er Dallas und bekam gleich zwei wichtige Erkenntnisse geliefert. Erstens: Für manchen Südstaatler war Kennedy immer noch ein „Hurensohn“ und zweitens: Er hatte Zweifel am offiziellen Tathergang. Und auch ohne Verschwörungstheoretiker zu sein: Die Geschichte vom Einzeltäter Lee Harvey Oswald, der dann noch im Gericht (!) vom zwielichtigen Nachtclubbesitzer Jack Ruby erschossen wird, ist schon schräg.

Der Tod Kennedys – so können wir seinen neuen Song durchaus lesen – erschütterte ihn immens und ließ ihn an der Politik zweifeln und Hoffnungen schwinden. Und als öffentliche Person merkte er plötzlich den Druck und seine Zweifel und die Ablehnung, ein politischer Führer zu sein, wuchs immer mehr.

Doch die herkömmlichen Mechanismen der Politik hatte Dylan schon früher kritisiert oder verspottet. Ein guter Kronzeuge hierfür war niemand anderes als Abraham Lincoln, einer der charismatischsten Präsidenten, die die Vereinigten Staaten je hatten. In „Talking World War III Blues“ vom „Freewheelin“-Album zitiert er ihn nach dessen Biograf Carl Sandburg so:
„You can fool some of the people all of the time,
and all of the people some of the time,
but you can’t fool ALL of the people ALL of the time.“

Lincoln ist bis heute für viele Amerikaner, so auch für Dylan, eine historische Identifikationsfigur. Er kämpfte gegen die Spaltung der Union, hob die Sklaverei auf und war ein volksnaher Mann. Neben dem oben erwähnten Zitat, gibt es noch weitere Fundstellen zu Lincoln in Dylans Werk.

Für Dylan ist genauso ein Märtyrer wie Martin Luther King oder eben John F. Kennedy. Daher hatte er auch eine Zeit lang den Titel „Abraham, Martin und John“ im Repertoire. Das wunderschöne Video mit ihm und Clydie King ist unten zu sehen.

In seinem 2003er Film „Masked & Anonymous“ tritt neben anderen geschichtsträchtigen Personen auch ein „Honest Abe“-Darsteller auf. Ein Film übrigens, der als amerikanische Dystopie aktueller denn je ist. Mal wieder anschauen!

Sicherlich weniger geschätzt hat Dylan wohl Richard Nixon. Als er auf seiner Comeback-Tour Angang 1974 den zu diesem Zeitpunkt gut 9 Jahre alten Song „It’s Alright Ma“ spielt, ist der Jubel einer Stelle besonders groß:
„But even the president of the United States
Sometimes must have to stand naked“

Klar, Nixon stand da schon in der Watergate-Affäre mit dem Rücken zur Wand, das passte einfach.

Genau während dieser Tour lernte Dylan dann auch Jimmy Carter, den damaligen Gouverneur von Georgia und späteren recht unglücklichen US-Präsidenten kennen, der ihn des Öfteren als „guten Freund“ bezeichnen sollte. Vor wenigen Jahren hielt Carter dann die Laudatio auf Dylan bei der MusiCares-Preisverleihung.
Ein einziges Mal spielte Bob Dylan auf der Inaugurationsfeier eines US-Präsidenten, und zwar der von Bill Clinton im Januar 1993. Sichtlich – so zeigen es die Fernsehbilder – machte das Ganze den Clintons mehr Spaß als Dylan.

Dylan will mittlerweile höchstmögliche Unabhängigkeit und Distanz zum Politikbetrieb. Die direkten Kontakte zur Politik lassen sich an einer Hand abzählen. Im Gegenteil, gern hat er in seinem Werk immer wieder mal derbe gegen Politiker ausgeteilt. Ob in „Political World“ von 1990 oder in „It’s All Good“ 2009.

In seiner legendären Theme Time Radio Hour jedoch widmete er den US-Präsidenten zum „Presidents Day“ eine ganze Sendung. Und eröffnete sie in seiner unnachahmlichen Art:
„Sie wissen, was an jedem Presidents Day passiert. Die Geschäfte haben große Umsätze. Sie müssen ihre Regale räumen und wir werden das Gleiche tun. Wir werden durch unser Theme Time Radio-Lage gehen und einige der alten Stücke und Songs herausholen, für die wir in unseren anderen Shows keine Zeit hatten, während wir all die Jahre die Präsidenten feierten.“ Mit auf der Playlist war u.a. auch der „White House Blues“ von Charlie Poole, in dem es auch um die Ermordung eines US-Präsidenten geht.

Obama mochte er dann öffentlich im Gegensatz zu anderen Musikern nicht lauthals unterstützen. Er sah wohl in ihm nicht denjenigen, der die US-Gesellschaft und die Welt. grundlegend verändern und verbessern konnte. Er war wohl auch mit der Clinton-Ära nicht so recht zufrieden. Hier zeigte sich Dylans Selbstverortung im alten New Deal und nicht in der auch für Obama konstitutionellen Clinton-Koalition aus „Unternehmern, Vorortbewohnern, neuen sozialen Bewegungen und jungen Leuten“ (Nancy Fraser). Dylan widerstand dem Obama-Hype. Der nun nach der Trump-Tragödie ohnehin nur eine finale Episode zu Ende des progressiven Neoliberalismus gewesen zu sein scheint.

Wie ich schon in der ersten Analyse von „Murder Most Foul“ geschrieben habe. Donald Trump kommt in Dylans Werk nicht vor. Das muss auch nicht sein. Denn dessen Verhalten, dessen Borniertheit und Rassismus, dessen fragwürdige Mentalität als Teil eines Amerika, das nie das von Bob Dylan war, durchzieht als Negativum ohnehin das gesamte Oeuvre des Mannes aus Minnesota.

Soweit für heute. Bleibt alle gesund!

Best
Thomas

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (6)

29. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everyone,
heute geht es nach Nashville!

Da in diesen Zeiten die Bereiche Kultur und Geselligkeit vollends eingestellt sind, sind auch wir abends in den eigenen vier Wänden auf uns selbst geworfen. Da besteht die Gefahr, dass sich der Fernsehkonsum drastisch erhöht. Zum Glück ist das TV-Programm so schlecht. Wenn nicht Infosendungen zu Corona gezeigt werden, dann laufen Krawalltalkshows zum Thema Corona. Alles was nicht Corona zum Thema hat und im TV gezeigt wird, sind Krimis. Schwer zu ertragen.

Daher haben wir echt Gück, dass wir schon seit vielen Wochen und vor der Coronakrise begonnen haben, alle DVDs der Fernsehserie „Nashville“ nach und nach zu schauen. Alle Staffeln von 2 – 6, die erste hatten wir schon vor wenigen Jahren geschaut. Jetzt wurden die restlichen Staffeln endlich auch hierzulande erhältlich.

Und es lässt sich wirklich sagen: eine absolut gelungene Serie. Sie ist unterhaltsam, weil sie auf gelernten Motiven und Serienmustern wie „Dallas“ oder „Denver“ aufbaut und sie in die Jetztzeit (also vor Corona) und den Mikrokosmos des Countrybusiness überführt.

Da ist die sympathische Hauptfigur Rayna James (Connie Britton), ihre Gegenspielerin, die aufstrebende, weniger sympathische Juliet Barnes (Hayden Panetierre). die Manager der beiden, Raynas Familie (Ihr Mann ist der Bürgermeister von Nashville!) mit den beiden Töchtern als Nachwuchscountrysängerinnen sowie Raynas Vater, der sein Wirtschaftsimperium mit krummen Geschäften aufgebaut hat und wohl auch am Toid von Raynas Mutter nicht unschuldig ist. Und da ist Deacon Claybourne, früherer Lebenspartner von Rayna, der mit ihr immer noch zumindest musikalisch kooperiert.

Neben den arrivierten Stars Rayna und Juliet gibt es noch die jungen Musiker-Freunde Gunnar, Zoe, Avery, Scarlett und Will. Während Will schwul ist, sind die vier anderen in verschiedenen amourösen, aber auch musikalischen („The Exes“, „The Triple Exes“) Konstellationen unterwegs. Dies ist die Grundgeschichte, die in den 6 Staffeln auf die beste weiterentwickelt und kräftig durchgemischt wird. Die Beschreibung des Country-Business ist äußerst gelungen – bis hin zur Problematik schwuler Countrysänger und dem teilweise christlich-fundamentalistischen Countrypublikum. Mehr über die Kultserie demnächst bei country.de!

Ja, Nashville. Die Serie erinnert uns natürlich an unsere diversen Aufenthalte in der „Music City USA“, die für uns immer eine große Freude waren. Eine starke Beziehung zu Nashville hat auch Mr. Bob Dylan. Hier hat er in 1960ern eine Reihe von Alben aufgenommen, hier hat mit Johnny Cash Aufnahmen gemacht und seine Country-Platte hieß ja auch „Nashville Skyline“. Und nun hat er als Heimstätte seiner Whiskymarke „Heaven’s Door“ die Tennessee-Metropole ausgewählt. Hier entsteht in einer säkularisierten Kirche südöstlich des Broadways, in „SoBro“, eine Distillery mit Showroom, Ausstellungsräumen und Konzertsaal. Noch im September dieses Jahres soll das Haus eröffnen.

Für diesen Herbst ist dann in Nashville dann auch die Eröffnung des National Museum Of African American Music geplant. Am 3. September soll das Museum öffnen, das den Einfluss der afroamerikanischen Community auf alle US-Musik-Genres darstellen soll. Also nicht nur Blues, Jazz, Soul oder Hip Hop, sondern eben auch Klassik, Country oder Pop. Dieses Museum in Nashville zu verorten wurde von einigen recht kritisch gesehen. Sie meinten das wäre spalterisch, da ja in der Country Hall of Fame and Museum auch die schwarzen Wurzeln der Countrymusik aufgezeigt würden. Die ist zwar nicht falsch, aber eben auch nicht die ganze Wahrheit. Denn die weitere Geschichte, die nach den Anfangsjahren der Old Time Music, dort erzählt wird, ist eine weiße Geschichte. Dass aber die musikalischen Erfolge eines A.P. Carter, eines Bill Monroe oder eines Hank Williams ganz direkt ohne schwarze Helfer oder Lehrer gar nicht möglich gewesen waren, dass in den 1940er Jahren das schwarze Opry-Mitglied DeFord Bailey rausgemobbt worden ist (ein Stück Musik von ihm siehe unten), oder dass Countrymusik auch in der schwarzen Community der Südstaaten angesagt ist, dies erfährt man dort nicht. Das neue Museum ist wichtig, richtig und hebt auch die musikalische Segregation – hier das schwarze Blues-Memphis, dort das weiße Country-Nashville – endlich auf. Yes, Nashville wird bunt!

Ob diese beiden Eröffnungen so wie geplant stattfinden, ist allerdings nun angesichts der Corona-Krise nicht mehr so sicher. Die Tage telefonierten wir Thomm Jutz, einem deutschen Bluegrass, Folk- und Countrymusiker und Songwriter, der seit vielen Jahren in der Nähe der Music City lebt. Seinen Erzählungen zufolge ist die Stadt derzeit nicht wiederzuerkennen. Alle Honky-Tonks, Musikkneipen, Clubs und Konzerthallen sind geschlossen. Gerade erst hatte man einen schweren Sturm überstanden, nun ist die ganze Stadt durch den Virus lahmgelegt. Mehr zu Thomm Jutz, seinem neuen Album und seinem Selbstverständnis als Musiker und Songwriter gibt es in Kürze auf country.de zu lesen.

Wir jedenfalls hoffen, Nashville vielleicht nächstes Jahr schon wiederzusehen. Und bestenfalls ist dann nicht nur Corona, sondern auch Trump bereits Geschichte. Träumen muss man in diesen Zeiten auch können.

Soweit für heute. Bis Morgen & bleibt gesund!
Best
Thomas

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (5)

28. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Ladies & Gentlemen: The Sand Rabbit!

Howdee Everyone,
nachdem wir uns gestern mit dem neuen wahrhaft monumentalen Dylan-Song voller Enthusiasmus sehr eingehend befasst haben, müssen wir heute mal an die frische Luft. Das Wetter lockt zum Spaziergang.
Doch vorweg bin ich auch noch eine weitere Erklärung schuldig. Warum eigentlich Sand Rabbit Town? Nun, weil Bickenbach, Texas, schon immer für seinen trockenen, sandigen Boden bekannt ist, der wiederum bestens geeigneter Lebensraum für Wildkaninchen aka Sandhasen ist. Deshalb haben die Bickenbacher auch den Spitznamen „Sandhasen“.

Das Wildkaninchen wurde seit jeher gerne gejagt. Und mit der Jagd sind wir schon wieder mitten drin in der Countrymusik. Guter Übergang, oder? In den US-Südstaaten ist das Jagen und auch das Fischen geradezu Volkssport. Von der Enten – bis zur Eichhörnchenjagd. Ebenso das Fischen. Daher gehört „Hunting und Fishing“ auch zur DNA der Countrymusik. Unzählige Songs preisen das „Hunting und Fishing“ an.

Grund genug also heute mal das Home Office zu verlassen und bei schönem Wetter mal einen kleinen Marsch zum Bickenbacher Erlensee zu machen. Respektive Sicherheitsabstand zu allen anderen, die unterwegs sind. Natürlich nicht ohne vorher beim Sandhasen-Denkmal vorbeizuschauen.

Am Erlensee, quasi das Bickenbacher Bayou, wird ordentlich gefischt und auch schon mal das Gefischte verzehrt. Bayou ist ja eine in den Südstaaten und insbesondere in Louisiana verbreitete Bezeichnung für stehende oder langsam fließende Gewässer. Und irgendwie mutet das alles rund um den Erlensee wie Ost-Texas oder eben Louisiana an. Der See liegt mitten im Wald, es gibt Enten und andere Wasservögel. Eine Kulisse wie aus einem Countrysong oder einem Lansdale-Roman. Auch deshalb ist Bickenbach, Texas so treffend.

Wie gesagt, das Jagen und Fischen gehört zum Selbstverständnis eines jeden Südstaatlers. Und da man zum Jagen Waffen braucht ist auch eine unheilige Allianz zwischen Teilen der Countryszene und der Waffenlobby „National Rifle Association“ entstanden. Das geht soweit, das Hank Williams Jr. den früheren Präsidenten Obama bezichtigte, er wolle ihnen das jagen und fischen verbieten. Und in seinem Song „God And Guns“ geht es darum, dass der „kleine“ Mann es nicht zulassen dürfe, dass ihm die Politiker seine Waffen wegnehmen. „Das ist es schließlich, worauf unser Land gegründet wurde“, singt Williams. Dass es dabei aber letztendlich eher um die Interesse der Waffenindustrie, als um die des „kleinen“ Mannes geht, scheint für Hank Williams missratenen Sohn dann doch zu hoch.

„Son of a gun we’ll have big fun on the bayou“

Aus diesem Grund spielen wir hier auch keinen Song von Hank Williams Jr. zum Thema „Hunting and Fishing“, sondern das herrlich unschuldig-naive „Fishin‘ In The Dark“ von der Nitty Gritty Dirt Band bei dem ein verliebtes Pärchen nachts runter zum Fluss geht. Vorgeblich um zu fischen.
Ja und wenn dann in Louisiana genug für alle gefischt worden ist, dann gibt es am Bayou eine Party. Bei einer richtigen Cajun-Party gibt es dann Seafood-Jambalaya, Catfish (Wels) und Crawfish, also Flusskrebse, gerne als Pie in Backwerk eingelassen.

Bekannt gemacht hat das alles Hank Williams Senior, der Vaters des oben genannten Waffennarren mit seinem Song „Jambalaya“. Bis heute der erfolgreichste Cajunsong. Wie so oft in der Country- und Folkmusik basiert er auf einer bekannten Vorlage, dem Cajun-Song „Grand Texas“. „Grand Texas“ war in Louisiana ein stehender Begriff dafür, wenn man das heimatliche Cajunland verlässt und in die Fremde zieht. Williams hat den Song selber geschrieben und hier stilsicher Klischees aneinandergereiht. Der Song wurde im September 1952 zum Nummer 1-Hit und blieb 14-Wochen an der Spitze der Country-Charts. Bis heute sicher sein bekanntester Song, unzählige Male gecovert. Doch just in den Zeitraum dieses großen Erfolges fiel Williams wegen seines Alkoholkonsums bei der Grand Ole Opry in Nashville, im Epizentrum der Countrymusik, in Ungnade. Man warf ihn raus. Der Anfang vom Ende für ihn. Am 1. Januar 1953 starb Williams auf dem Rücksitz seines Cadillac während einer nächtlichen Autofahrt zu einem Konzert. Ein bis heute geltender Mythos war damit begründet.

Mit Nashville werden wir uns morgen befassen. Wir hören nun erstmal den ersten Popstar der Countrymusik Mr. Hank Williams.

Bis Morgen! Haltet Die Ohren steif!

Best
Thomas

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (4)

27. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Ich habe heute morgen meinen Computer hochgefahren und wie immer fiel einer der ersten Blicke auf expectingrain.com, die internationale Dylan-Fanseite. Und schon war dieser Tag ein anderer als gedacht: Denn heute Nacht hat Bob Dylan den ersten neuen Originalsong seit fast acht Jahren veröffentlicht.

„Murder Most Foul“ heißt das Stück, das mit fast 17-Minuten das in der Reihe der ohnehin vielen langen Dylan-Stücke nun auf die Pole-Position geschnellt. 17 Minuten lang erzählt Bob Dylan von Amerika. Ausgehend von der Ermordung von John F. Kennedy am 22. November in Dallas, Texas, entwirft die Songwriter-Legende nicht nur ein bild- und namensreiches Panorama der 1960er Jahre, sondern geht auch auf die durch die Ermordung Kennedys verlorenen Hoffnungen auf Veränderung ein.

„An dem Tag, als sie ihn töteten, sagte mir jemand, mein Sohn,
Das Zeitalter des Antichristen hat gerade erst begonnen.“

„Was ist die Wahrheit? Wo ist sie hin?
Frag Oswald und Ruby, sie sollten es wissen,
Halt den Mund, sagte die weise alte Eule,
Geschäft ist Geschäft, und es ist Mord wie er aufs Beste ist.“

„Was ist neu Pussycat, was habe ich gesagt?
Ich sagte, die Seele einer Nation sei weggerissen worden,
und sie beginnt langsam zu verfallen,
und dass es 36 Stunden nach dem Tag des Gerichts ist.“

Soweit wichtige Kernsätze des Liedes, das sich musikalisch zwischen den Sinatra-Songs und „Long And Wasted Years“ von „Tempest“ einreiht. Streicher- und Pianobegleitung und offener Sprechgesang, kein Refrain nur die hier und da die Zeile „Murder Most Foul“.

Das ist übrigens ein Hamletzitat. Erster Akt, 5. Szene. Der Geist spricht zu Hamlet:

„Ja, schnöder Mord, wie er aufs Beste ist,
Doch dieser unerhört und unnatürlich.“

Und wieder kann Dylan der Versuchung nicht widerstehen, Ereignisse unserer Zeitgeschichte in Shakespeare-Zitate zu kleiden. Und sein „Klagelied“ geht weit über das Amerika der 1960er hinaus. Im Subkontext ist natürlich die Rede vom heutigen Amerika. Mit der Ermordung Kennedys ist die Seele Amerikas weggerissen worden. Nun, zu Zeiten von Trump – „und Corona“ mag sich Dylan gedacht haben, als er dieses Werk nun veröffentlicht hat – ist endgültig der Verfall eingeleitet worden. Denn dieser Präsident weiß gar nicht was Amerika eigentlich ist. Für Dylan ist Amerika eine Idealvorstellung, die in der amerikanischen Musik zum Ausdruck kommt. In Blues, Country und Jazz. Musik, die für Dylan auf einer Stufe mit griechischer Mythologie oder Shakespeares Dramatik steht. Daher sein ausführliches Namedropping, seine Ausschüttung des Zitaten und Musiktitel-Füllhorns in diesem Song.

Dylan sagt uns: Über John F. Kennedy kann man noch Klagelieder singen. Die Spottlieder über Trump aber überlässt Dylan anderen. Die Nichterwähnung des orangefarbenen Horror-Clowns in Dylans Werk ist Strafe genug.

Ob der Song jetzt so etwas wie eine Ouvertüre zu einer neuen Albumveröffentlichung ist, steht bislang in den Sternen. Dabei wäre es genau das, was wir und was Amerika jetzt braucht: Eine integere amerikanische Seele, hinter der man sich versammeln kann, die Trost statt Hass spendet und die ein idealisiertes Amerika einem gespaltenen, erodierenden Amerika vorzieht.

Amerikas Überindividualismus und sein verquerer Freiheitsbegriff wird durch die Corona-Krise als unmenschlich und nutzlos entlarvt. Kein leistungsfähiges Gesundheitssystem für alle, kein Sozialsystem, keine Absicherung von Arbeitslosen. Das einzige was Amerika den Menschen zuhauf gibt sind Waffen. Es drohen in der Tat apokalyptische Zustände. Armut, Krankheit und Tod in einem Ausmaß, gegen die die Great Depression ein Kindergeburtstag war. Gewalttätige Riots wie man sie noch nie gesehen hat.

Dylan hat sein ganzes Leben – ohne sich politisch in eine Schublade zu begeben – für die Menschlichkeit und gegen diese Apokalypse angesungen. In seinem Spätwerk immer bitterer und böser. Nun muss er schon in vermeintlich bessere Jahre zurückblicken, wenn er in den Zeiten des galoppierenden Hasses gehört werden will. Ein Rückblick in eine Zeit, in der aber der Niedergang schon angelegt war. Indem die gesellschaftlichen Alternativen nicht nur mit John F. Kennedy, sondern auch mit Malcolm X, Bobby Kennedy und Martin Luther King ermordet wurden. Und die Machtverhältnisse verfestigt wurden.

Dylans „Murder Most Foul“ ist der Schwanengesang auf sein, auf unser Amerika.

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (3)

26. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everone,
die Situation rund um Corona verleitet natürlich zu vielen mal mehr, mal weniger originellen Aktionen im Internet und in den sozialen Medien. Nein, ich werde hier keine Hitparade der Corona-Songs auflisten. Und auch nichts auf Corona umdichten. Daher gibt es auch hier kein „Corona, Corona“ als aktuelle Adaption eines alten Dylan-Klassikers.

Auch die mäßig lustigen Corona-Songs von ebenso selten lustigen Komikern sollen hier nicht Thema sein. Wie man stattdessen als Songwriter – oder hier besser Liedermacher – sich mit dem aktuellen Therma auf hohem Niveau beschäftigen kann, zeigt das Frankfurter Duo „Klein und Glücklich“. Deren Song „Shut Down“ könnt Ihr Euch unten anhören.

Nein, Bob Dylan ist keiner für einen Song für jede Lebenslage. Zumal es eine solche wie die jetzige in seinem und unserem Leben noch nicht gab. Bob Dylan ist dagegen einer für Songs, die sich um universelle menschliche Fragen drehen: Liebe, Tod, Sterblichkeit. Ungleichheit, Rassismus, Gerechtigkeit. Krieg, Frieden, Gewalt. Veränderung, Wandel, Kontinuitäten. Daher kann man nur nach einem Dylan-Song suchen, der Gefühle und Gedanken aufgreift, die ähnlicher Natur sind, wie wir sie jetzt haben.

Es verändert sich etwas. Es wird nicht einfach so weiter gehen können wie vorher. Auch wenn das so mancher gerne glauben möchte. Es wird anders sein als vorher. Das kann zum besseren sein: Solidarität statt Egoismus. Gemeininteresse statt Kapitalinteresse. Soziale Gerechtigkeit statt Ungleichheit. Toleranz statt Rassismus. Umweltbewusstsein statt Raubbau am Planeten und am Klima. Denn in der Krise zeigen sich jetzt die bösen Folgen von 40 Jahren Neoliberalismus und Egoismus. Wenn wir die richtigen Schlüsse ziehen, dann ist das neoliberale Zeitalter endgültig vorbei.

Es kann aber auch anders sein: Die in der Krise ausgesetzten Freiheiten werden nicht mehr zurückgegeben. Autoritäre Staatsstreiche ersetzen die Demokratie. Da müssen wir achtsam sein und dem beizeiten entgegentreten. Diese Gefahr scheint derzeit in Ungarn, Großbritannien oder den USA größer zu sein als hierzulande.

Nun, welche Songs haben diese großen gesellschaftlichen Umbrüche, Krisen oder Erschütterungen zum Inhalt? Und welche die großen Katastrophen? Wie im Brennglas schafft es Dylan immer wieder im großen Ganzen die Einzelteile zu sehen und dabei die Perspektive in seinen Songs immer wieder zu wechseln. Er sieht das große Ganze und das Schicksal des Einzelnen. Und letzteres ist ihm immer wichtig und opfert er nicht abstrakten Wahrheiten, Ideologien oder wohlfeilen politischen Strategien. Da ist er ganz autonomer und individualistischer Künstler. Und das ist auch gut so. Genauso wie es immer legitim ist, dass Kunst subversiv ist. Und sollte die Gesellschaft noch so fortschrittlich und gerecht sein – der Künstler darf und muss auch diese Verhältnisse kritisch hinterfragen können. Die Grenze hier setzen Menschlichkeit und die universellen unveräußerlichen Menschenrechte.

Drei Songs zum Thema Umbrüche und Katastrophen möchte ich in diesem Sinne aus Dylans Oeuvre hervorheben:

1. The Times They Are A-Changin‘ (unten zu hören)
Weil hier tatsächlich eine Zeitenwende besungen wird. Die Nachkriegs-Wirtschaftswunderzeit mit Konsumismus und Antikommunismus ist vorbei. Jetzt kommen die 1960er, die gesellschaftliche Veränderungen versprechen. Und er zeigt in biblischen Bildern auf, dass die Veränderung jeden einzelnen erfassen wird und der sich wiederum dazu auch verhalten muss. Wie groß die Hoffnung war und wie sie jäh vom konservativen Roll-Back und dem Neoliberalismus ab Anfang der 1980er abgebrochen und der Protest eingehegt wurde, sehen wir heute. Und doch hat dieser Song in seinem Vierklang aus protestierender Jugend, verständnislosen Eltern, blockierender Politik und zynischen Medien eine universelle Bedeutung für die spätkapitalistischen Gesellschaften. Und damit aneigbar für jede Jugendbewegung auch heutzutage. Sei es „Occupy Wall Street“, „March For Our Lives“ oder „Fridays For Future“.

2. Black Diamond Bay
Weil hier Charaktere und einzelne Schicksale am Ort der Katastrophe kunstvoll verwebt werden. Und menschliche Archetypen auftreten, die allesamt auf ihre Weise mit der Katastrophe umgehen. An Geld, Sex oder Flucht denken und nur sich sehen in der Stunde des Untergangs. Gleichzeitig sitzen andere dumpf am Fernseher, sagen „Was geht mich an, wenn in China ein Sack Reis umfällt“ und holen sich ein neues Bier. So wie hierzulande die Coronakrise bis vor wenigen Wochen tatsächlich auch gesehen wurde.

3. High Water Everwhere (unten zu hören)
Auch hier vereinzelnen sich die Menschen angesichts der Katastrophe. Alle wollen fliehen, wollen weg. So wie die Pariser in ihre Zweithäuser in die Provinz strömten, die Deutschen in den Norden oder nach Bayern und die New Yorker sich aus der Stadt nun nach Upstate New York begeben. Andere versuchen vor der Katastrophe zu fliehen, indem sie sich abschotten. Beide Varianten werden nichts nützen. Du musst Dich der Katastrophe stellen, Du musst Dich zusammen organisieren. Dylans Negativszenario ist gespeist von der amerikanischen Gesellschaft und deren Mentalität. Statt Gemeinsinns steht zu oft die Erfüllung individueller, persönlicher Ziele und mächtiger Partikularinteressen im Mittelpunkt. Siehe: Während das Gesundheitssystem kollabiert, bewaffnen sich die Amerikaner in der Krise und Trump hat vor allem die Kapitalinteressen und die Wirtschaft im Blick. Eine ganz große Katastrophe ist im Bereich des Möglichen. Hoffen wir, dass es nicht soweit kommt.

Sorry für die nicht immer schönen Gedanken. Aber auch in dieser Krise zeigt das Leben all seine Facetten. Nur mit dieser Einsicht können wir Kraft tanken, um dadurch zu kommen. Und ein Dylan-Album zu hören – z.B. „Desire“ mit seinen beschwingten, ernsten und packenden Momenten – ist nicht der schlechteste Zeitvertreib, wenn man soziale Kontakte vermeiden muss.

Bis morgen! Haltet die Ohren steif!

Best
Thomas



The Bickenbach, Texas Home Office Diary (2)

25. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee Everone,
ich schulde natürlich noch eine Erklärung. Die Country-Kenner wissen natürlich, dass „Bickenbach, Texas“ eine Anspielung auf Waylon Jennings Song „Luckenbach, Texas“ ist. Der Gag musste einfach sein. Auch wenn Waylon derjenige Outlaw oder Highwayman war, der mit am fernsten ist. Willie, Kris und natürlich Johnny fügen sich bei mir gleich hinter Bobby ein. Aber Waylon? Hank Williams, Marty Stuart, Billy Joe Shaver, Emmmylou oder Rosanne – gerne. Aber Waylon? Mal schauen, ob ich die jetzige Zeit nutzen kann, näher zu Waylon zu finden. Auf alle Fälle könnt ihr „Luckenbach, Texas“ unten hören.

Man kennt das. Man fährt jahrelang gemeinsam mit dem Zug in die große Stadt zur Arbeit. Wechselt aber kein Wort, kommt sich nicht näher. So erging es mir auch mit einem bestimmten Menschen. Der mich im Pädagog schon bei Veranstaltungen grüßte, doch außerhalb dieses Raums blieben wir irgendwie auf Abstand.

Ausgerechnet auf der gestrigen, für die nächste Zeit in der Coronakrise letzten Zugfahrt nach Hause, sprach er mich dann an. Ich wäre doch auch an Folk interessiert und wir hätten uns auch schon im Pädagog gesehen. Er suche vergeblich nach den Notenblättern von Hobo’s Lullaby. Die gäbe es in Deutschland nicht. Hobo’s Lullaby ist ein Song, den ursprünglich der aus Austin, Texas stammende Goebel Reeves aka The Texas Drifter geschrieben und 1936 veröffentlicht hat. Einem Song, den dann Woody Guthrie bekannt gemacht hat. Zu Goebel Reeves demnächst mehr. Ich gab mich jedenfalls verblüfft und empfahl mal beim Woody Guthrie Center in Tulsa nachzufragen. Nun habe ich gegoogelt und mehrere Seiten gefunden, auf denen man die Noten finden kann. Spricht das jetzt für oder gegen den Folkenthusiasten, der auf althergebrachte Weise nach Notenblättern forschte, anstatt mal ins Netz zu gehen? Jetzt wollte er den Woody Guthrie Center googeln. Und so hat die Suche nach einem fast 90 Jahre alten Song, beim Folk-Enthusiasten einen Digitalisierungsschub ausgelöst und ich hefte mich an die Spuren von Goebel Reeves. Sein Hobo’s Lullaby ist unten zu hören.

Keine guten Nachrichten kommen heute aus den USA. Gleich zwei bekannte Americana-Musiker sind Covid-19-positiv. Während Singer-Songwriter-Legende Jackson Brown selber von einem milden Verlauf spricht, scheint es um Larry Campbell, Multiinstrumentalist, Produzent und jahrelanger Sideman sowohl von Bob Dylan als auch von Levon Helm, nicht ganz so gut bestellt. Er befindet sich getrennt von seiner Frau Teresa Williams in Quarantäne.

Hoffen wir für Larry, dass auch sein Krankheitsverlauf milde ist. Und hoffen wir, dass in den USA trotz Trumps Unbelehrbarkeit die Coronakrise nicht in eine Katastrophe großen Ausmaßes mündet.

Ich hätte gerne heute fröhlicher meinen Eintrag abgeschlossen. Aber halt: Gerade habe ich mit zwei befreundeten Musikern telefoniert und es war wieder richtig schön, mich mit ihnen über Musik und das Musik machen und über Konzertveranstaltungen auszutauschen. Nach solchen Gesprächen weiß ich wieder, warum ich mich so tief der Musik verschrieben habe, und warum ich alles tun werde, damit wir alle gut durch die Krise kommen.

In diesem Sinne: Handelt Solidarisch, achtsam und fürsorglich und bleibt gesund!

Best,
Thomas

The Bickenbach, Texas Home Office Diary (1)

24. März 2020

From Sand Rabbit Town into the whole wide world

Howdee everyone,
Nun bin ich offiziell im Home Office. Vor allem natürlich beruflich, aber da meine Konzerte von „Americana im Pädagog“ wegen Corona abgesagt werden mussten, bin ich sozusagen auch als Kurator im Home Office.

An dieser Stelle möchte ich nun an täglich ab 19 Uhr ein bisschen was veröffentlichen, auf Musik aufmerksam machen und mithelfen, dass man auch mal an etwas anderes denkt als an die Angst vor Corona. Dann lieber nachdenken an die Zeit nach Corona.

Und in dieser Zeit nach Corona da möchten wir natürlich auch weiterhin gerne gute Musik bei „Americana im pädagog“ bieten. Daher nochmals meine Bitte. Spendet an das Theater im Pädagog, kauft Gutscheine für die Herbstvorstellungen – im Moment gehen wir davon aus, dass die wie geplant stattfinden können und kauft Karten und Gutscheine dafür. Informationen hierzu natürlich auf http://www.paedagogtheater.de . Zudem arbeiten wir an einem Crowdfunding-Projekt für das TIP. Dazu mehr zu gegebener Zeit.

Unterstützt auch die vielen Künstler, die jetzt über Online-Konzerte versuchen, ihrer Profession und Passion weiter nachzukommen. Am 2. April spielt übrigens SONiA disappear fear um 20 Ohr ein Facebook-Konzert. Just zu dieser Zeit hätte sie eigentlich auf der Bühne von „Americana im Pädagog“ stehen sollen. Sie bestreitet jetzt eine ganze Konzertserie, ausgerichtet auf den Tourplan ihrer ausgefallenen Europa-Reise. Eine feine Idee. Da freuen wir uns sehr drauf!

Und unterstützt auch die kleinen Gewerbetreibenden. Die kleinen lokalen Buchhandlungen, nicht Amazon. Und holt Euch das Essen lieber in der Kneipe um die Ecke und lasst Euch nicht von Lieferando beliefern. Ein kleiner Spaziergang tut doch gut, wenn man ansonsten zu Hause bleibt.

Gerade bin ich nämlich bei unserem Bickenbacher Dylan-Wirt Franz von der Kastanie vorbeigekommen. Der verkauft jetzt aus dem Fenster des Nebenraums. Und im Hintergrund spielt er die John Wesley Harding und hofft inständig, dass der Dylan-Geburtstag am 24. Mai bei ihm im Biergarten dann doch mit Zimmerman’s Friends gefeiert werden kann.

Apropos Dylan-Geburtstag. Auch unser Darmstädter Dylan-Tag ist nicht passé. Wir planen, für das kommende Jahr zum 80. Wiegenfest des Meisters den Tag noch ein bisschen schöner und vielfältiger zu gestalten. Auch dazu demnächst mehr.

Mit bleibt noch das Video des Tages hier anzukündigen. Es ist natürlich vom Meister. Seine überirdische 2019er Version von „Girl From The North Country“.

Best,
Thomas

Live-Musik in den Zeiten von Corona

15. März 2020

Warum habe ich mir nur Leidenschaften ausgesucht, die davon leben, dass sie vor vielen Menschen ausgetragen werden? Wäre ich Briefmarkensammler oder Numismatiker, ich könnte mein Hobby weiter im Stillen betreiben. Ab zu in den Briefkasten schauen, ob da wieder einer ein paar Fundstücke aus Übersee geschickt hat. Und ob die lila Mauritius diesmal endlich dabei ist.

Aber Fußball und Musik? Die Fußballsaison 2019/2020 ist de facto beendet, auch wenn es mancher Fußball-Großverdiener es noch nicht wahrhaben will. Und da Fußball eine Mannschaftssportart ist kann, bringen auch Geisterspiele nix. Zu groß die Menschenansammlungen, um so einen Spielbetrieb laufen zu lassen. Also müssen wir uns damit abfinden.

Aufgrund der Veränderungen der Musikindustrie in den letzten Jahren – „dank“ Streamingportalen und Billig-Downloads – ist auf Tonträger konservierte Musik regelrecht entwertet worden. Die Musiker*Innen leben zum Großteil in der Regel von Konzerteinnahmen. Dort verkaufen sie dann auch Alben und Merch. So lief das bis Corona kam.

Nun kommt der ganze Kulturbetrieb zum Erliegen. Mancherorts sind bereits Veranstaltungen ab 50 Leuten untersagt. Die Menschen kaufen keine Karten mehr, die Clubs können die Bands nicht mehr bezahlen. Künstler, Veranstalter, Techniker, Journalisten, Fotografen oder Grafiker – sie alle geraten ja länger die Krise andauert in immer größere Schwierigkeiten. Das trifft die vielen weniger bekannten Künstler genauso wie beispielsweise einen David Crosby.

Was kann man dagegen tun? Nun, zuerst hilft die Solidarität der Music-Community. Sprich: Kein Kaufpreis wird zurückverlangt. Dass hilft den Spielstätten. Dann werden CDs oder Digitale Alben oder Songs der Künstler bei diesen gekauft. Damit Sie in den Zeiten der Corona-Pause Einnahmen generieren. Wer als Künstler die technischen Möglichkeiten hat oder sie beschaffen kann, der kann Online-Konzerte geben. Und was spricht dagegen, die Zuschauer auch zum Bezahlen aufzufordern? Künstlerische Darbietungen haben ihren Wert und Künstler leben davon. So what?

Ja und dann erwarte ich von den Kommunen, Ländern und dem Bund gerade auch für kleine Spielstätten, für Künstler und freischaffende ordentliche finanzielle Hilfe. Marburg hat es beispielsweise vorgemacht wie es gehen muss. Denn für die Bankenrettung war Geld da – für die Kultur muss erst recht Geld da sein!

In diesem Sinne freue mich in den Zeiten der „Vermeidung sozialer Kontakte“ darüber, dass ich Online Live-Konzerte sehen kann, dass es Online-Mediatheken gibt, und dass ich viele CDs und DVDs zu Hause habe. Die Freude an der Musik kann uns – wenn wir alle zusammenstehen – über diese schwierigen Zeiten hinweghelfen.

In diesem Sinne
Keep On Keeping On
Thomas Waldherr