In meiner Jugend war er für mich eine Identifikationsfigur, später ein guter Weggefährte durch alle Veränderungen des Lebens und heute immer noch für mich der wichtigste lebende Folk-Rock- und Popmusiker und ein guter alter Freund. Für mich ein ewiger Quell der Beschäftigung. Für die Welt ein stets wacher Verwirrkopf, ein poetischer Chronist der amerikanischen Populärkultur – eine Überlebensgroße Figur. Und doch einer, der ganz normal viele Abende wie jeder andere sterbliche Musiker im Jahr sich auf einer Bühne den Menschen zeigt. Verletzlich wie jeder Künstler.
Schon seit einiger zeit gilt es keine Schlachten mehr zu schlagen. Er muss niemandem mehr etwas beweisen. Stattdessen Freude über jedes Zeichen von ihm, über jeden neuen Song. Und was für starke Songs er immer noch schreibt.
Herzlichen Glückwunsch zum 72. Geburtstag, Bob. Heute Abend werden wir Dich feiern und hochleben lassen. Ab 20 Uhr im „Mosaik“ in Frankfurt-Bornheim. Die DoubleDylans und ich.
Die “DoubleDylans” und Thomas Waldherr im Frankfurter “Mosaik”
Der Countdown läuft: Anlässlich des 72. Geburtstages von Bob Dylan werden die legendären “DoubleDylans” und der Autor dieses Blogs am Freitag, dem 24. Mai, wieder eine Geburtstagsfeier für “His Bobness” ausrichten. Ab 20 Uhr werden wir ihn unter dem Titel “Yeah! Heavy And A Bottle Of Bread” in der Frankfurter Jazz-Bar “Mosaik” (Freiligrathstraße 57) mit einer Lesung und viel Musik ehren und preisen.
Der Schreiber dieser Zeilen wird anlässlich des 50. Jahrestages des Erscheinens von „The Freewheelin‘ Bob Dylan“ einen Vortrag mit Musikbeispielen rund um Dylans erstes Erfolgsalbum und die frühen Jahre in New York halten. Anschließend springen die „DoubleDylans“ quasi aus der Geburtstagstorte und werden in wohlbekannter Manier Songs aus all ihren Schaffensperioden zum Besten geben.
Das “Mosaik” ist ein hübsches, gemütliches Lokal und zusammen mit dem hochklassigen Programm die Anfahrt allemal wert. Zumal auch der Eintritt frei ist. Die Künstler werden es sich aber nicht nehmen lassen, ihre vier Hüte herumgehen zu lassen.
Dave Van Ronk-Biographie liefert Vorlage für neuen Coen-Film/ Van Ronks Respekt vor Dylan
Was haben die Coens schon für tolle Filme gemacht. Unser liebster – „O Brother, Where Art Thou?“ war ja auch vor allem wegen der Musik ein Meilenstein. Schließlich begründete er Anfang des Jahrtausends eine bis heute reichende Wiederentdeckung von Old-Time und Bluegrass-Musik und war auch Antriebsfeder für das damals noch junge Americana-Genre.
Kein Wunder, dass wir uns viel vom neuesten Werk der Brüder versprechen. Schließlich spielt „Inside Llewyn Davis“ in der Folkszene in New York Anfang der 60er Jahre und irgendwie spielte unser Freund Bob Dylan da ja durchaus auch eine wichtige Rolle. Vor allem aber ist der Film an die Lebensgeschichte von Dave Van Ronk angelegt. Der zu jung war für die Alten wie Pete Seeger und Woody Guthrie und zu alt war für die Jungen wie Bob Dylan, Joan Baez und Phil Ochs.
Die Filmvorlage, Van Ronks Autobiographie „Der König von Greenwich Village“, die Elijah Wald mitgeschrieben hat, ist ein wirklich unterhaltsames Stück Zeitgeschichte. Man erfährt viel über die Szene in Greenwich und New York City in der bleiernen Eisenhower-Zeit, als man sich an Boheme und Beatniks orientierte, aber die Alte Linke noch existierte. Die in tausend Splittergruppen an den Sieg des Proletariats glaubte, während die Neue Linke bei den Kämpfen für Bürgerrechte und Frieden gerade geboren wurde. Und van Ronk legt die Finger in derer beider Wunden. Schöne Szene, als der alte Sozialist den jungen Linken sinngemäß erklärt: „Ich weiß, dass ich in ein paar Jahren immer noch Sozialist bin, während ihr dann Zahnärzte sein werdet.“ Sehr treffend.
Aber natürlich geht es in der Van Ronk-Biographie um die Musik. Um die Folkszene rund um den Washington Square, um die Clubs in Bleecker- und MacDougal-Street, in denen van Ronk seinerzeit eine bedeutende Figur war. Handelt von der Jazzszene, der alten Folkszene und vom Folkrevival, und dann taucht irgendwann auch Bob Dylan auf. Mit dem geht Van Ronk achtsam um. Zwar nimmt er kein Blatt vor den Mund bei der Angelegenheit, dass Dylan ohne ihn vorher zu fragen mit seinem Arrangement von „House Of The Rising Sun“ ins Aufnahmestudio gegangen ist, aber er schlägt hier durchaus versöhnliche Töne an. Er schätzt Dylan sehr, warnt aber stets davor, ihn zu überhöhen. Sehr ehrlich und nachvollziehbar sind dann die Schilderungen, wie er auf Distanz zum jungen, hippen Bobby geht. Der schreitet quasi als Folkprinz mit Hofstaat und Gefolge durchs Viertel und geriert sich als ziemlicher Angeber. Da will Dave nichts mit zu tun haben.
So kommt es wie so oft, wenn zwei große Egos – und das hatte Van Ronk, „Der König von Greenwich Village“, in der Tat, man spürt es in jeder Zeile – aufeinander prallen, da tut Abstand Not. Aber wie wir wissen ist das ja nur eine Seite der vielen Gesichter des Bob Dylan. Die andere, die auch immer wieder im Laufe seiner Karriere herauskommt, ist die verletzliche, schüchterne, fast zerbrechliche Seite. Man muss ich nur mal als Vergleich folgendes ansehen: Den selbstbewussten, biestigen und exzentrischen Star aus „Don’t Look Back“ 1965, den schüchternen, linkischen jungen Musiker aus der Johnny Cash-Show von 1969 und den kraftvollen Leader und Impresario der Rolling Thunder Konzerte im November 1975. Wie schrieb mal einer so treffend über Dylan: „Die menschlichste aller Stimmen, der unstimmigste aller Menschen…“
Doch Van Ronk vollzieht keinen offenen Bruch. Er trifft sich immer mal wieder mit Dylan, aber es wird nie mehr so nah sein, wie vor Dylans Durchbruch. Und verteidigt er ihn sogar gegenüber den Szene-Anfeindungen, als er angeblich keine politischen Lieder mehr singt und die E-Gitarre einstöpselt. Doch während Dylan zum Weltstar aufsteigt, bleibt Van Ronk ein Musiker, der trotz großer Fähigkeiten sich jeden Tag von neuem zur Decke strecken muss. Dass er dennoch keine Bitterkeit gegenüber Dylan aufkommen lässt, beweist seine menschliche Größe und seinen Respekt vor der künstlerischen Leistung Dylans. Ein weiterer Beweis: Bis zuletzt – er starb 2002 – hatte er Dylan-Songs im Repertoire. Siehe unten „Buckets of Rain“ von 2001.
Vom Coen-Brüder-Film haben wir nur ein paar Sequenzen im Trailer (siehe unten) gesehen und wollen noch kein Urteil über ihn abgeben. Aber auch wenn dieses Buch nur sehr frei als Vorlage für „Inside Llewyn Davis“ gedient haben sollte: Für alle, die sich für die Folkszene und ihre Protagonisten interessieren, ist „Der König von Greenwich Village“ eine wahre Fundgrube. (Heyne-Taschenbuch/ 9,99 Euro).