Archive for Oktober 2014

Frühzeitig den Nachlass ordnen

11. Oktober 2014

Bob Dylan LyricsWir gehen mal davon aus, dass es Bob Dylan derzeit gesundheitlich gut geht. Er startet in wenigen Tagen eine Herbsttour durch den Nordosten der USA mit 33 Terminen, die aber stetig noch ergänzt werden. Also kein Grund zu Sorge um den jetzt 73-jährigen Altmeister. Aber dennoch beschleichen einen ambivalente Gefühle derzeit. Stichwort: Nachlassverwaltung.

Alle Dylan-Fans freuen sich auf die Veröffentlichung der kompletten Basement Tapes von 1967. Dazu hat er unveröffentlichte Texte aus dieser Zeit seinem Freund T-Bone Burnett zur Vertonung übergeben, der daraus mit einem All-Star-Ensemble die „New Basement Tapes“ gemacht hat, die ebenfalls in diesem Herbst erscheinen. Und die nächste frohe Nachricht folgt auf dem Fuß: Dylans gesamte Lyrics inklusiv aller bislang unveröffentlichten Texte kommen nun noch vor Weihnachten in einem fast tausendseitigen Mammut-Schmöker auf den Markt.

Wirklich nur frohe Botschaften? Oder will er vielleicht doch bald abtreten? Verfasst er sein Testament? Nun, dass er abtreten will, da spricht derzeit nichts dafür – siehe oben. Eher ist da einer dabei, schon mal zu rechten Zeit – schnell kann was passieren – seinen Nachlass zu ordnen. Er will bestimmen, was von Ihm nach seinem Tod bleibt. Denn trotz aller Sprünge, Haken, Wandlungen und Masken. Seit der Trennung von Manager Albert Grossman hat Dylan stets die Fäden seiner Karriereplanung und seiner Veröffentlichungspolitik in der Hand gehabt und wenn schon nicht alles so richtig geplant war, er allein hat es stets nüchtern entschieden. Selbst im tiefsten Tal Ende der 80er/ Anfang der 90er Jahre konnte er bestimmen, was er veröffentlicht: Ob obskure Songsammlungen wie „Down In The Groove“ oder großartige wie „Good As I Been To You“. Nur einmal, bei MTV Unplugged, musste er dem Druck nachgeben und „Greatest Hits“ spielen.

Dylan wird nicht gemanagt, keiner schreibt ihm was vor, Dylan wird beraten. So kommen dann wohl diese zwar auf den ersten Blick merkwürdigen, aber dann richtigen Entschlüsse zustande, das neue (Sinatra-?)Album zurückzuziehen und erstmal voll auf die Basement Tapes zu setzen.

Nein, Angst, dass hier bald was zu Ende gehen könnte habe ich nicht. Nur, dass es wirklich endlich ist und dies in einem absehbaren Zeitraum, den ich noch erlebe, passieren könnte, lässt einen schon nachdenklich zurück. Zumindest bis wieder die ersten Töne und Bilder seiner aktuellen Konzerte auftauchen. Denn: „His tour is never- ending!“

„Things Have Changed“ & „Observations Of A Crow“

4. Oktober 2014
Bob & Marty, Photo Credits: flickr.com, Bob Edwards

Bob & Marty, Photo Credits: flickr.com, Bob Edwards

Vor einiger Zeit hatte ich hier an der Stelle über die Beziehung von Bob Dylan zu Marty Stuart, dem „Spiritus Rector“ der Countrymusik, geschrieben. Ein Aspekt war damals die große Ähnlichkeit von Bobs „Things have Changed“ zu Martys „Observations Of A Crow“. Manche in den Verschwörungstiefen des Internets waren damals schnell an der Hand, Bob des Diebstahls zu bezichtigen.

Marty hat nun dem Online-Magazin „American Songwriter“ erklärt, wie normal so etwas in der Roots Music ist und wie es wirklich war. “Ich lud ihn in mein Lagerhaus ein, damit er all meine Countrymusik-Schätze sehen konnte. Da sagte Bob: „Hey, ich mag diesen ‚Crow-Song‘. Vielleicht leih ich mir von dem Mal was aus“. „Klar, sagte ich, möglicherweise habe ich es ja von Dir zuerst ausgeliehen, mach nur!“

Wo die Musik auf drei Akkorden und den Wurzeln aus Folk, Country und Blues basiert, da kommt es notwendigerweise ständig zum sich aneignen vorhandenen Materials. Songs wandern von Künstler zu Künstler. Stuart schickte eine Zeit lang dem bekannten Nashville-Songwriter Harlan Howard sogar jedes Jahr im Januar 100 Dollar. „Für alles was ich von ihm gestohlen habe. Es war ein ‚Running Joke‘ zwischen uns.“

Und Stuart geht sogar noch weiter: „Die Fülle der Songs, die hier (Nashville) geschrieben wurden und werden. Wie kann man es da vermeiden, immer wieder in die Fußstapfen des anderen zu treten, so wie wir es tun?“

„Love And Theft“ hieß Dylans Album von 2001. Eines der Grundsätze des American Folk ist damit treffend beschrieben. Diebstahl aus Liebe und keiner regt sich auf. Denn ohne dieses Prinzip kann es schlichtweg keine Folkmusik geben. Allzu schnell Empörten sei dies ins Stammbuch geschrieben.