„Black Women in American Music“ am 28. Februar bei „Americana im Pädagog“ in Darmstadt/ Menna Mulugeta im Interview
Menna Mulugeta
Ohne die Beiträge der afroamerikanischen Frauen wäre die US-Populärmusik nicht denkbar. Ihre Perspektive im Spannungsfeld zwischen Rassismus, Frauenfeindlichkeit und dem Kampf um soziale Teilhabe hat großartige Musikerinnen und starke Songs hervorgebracht. Von Billie Holidays „Strange Fruits“ über Nina Simones „Mississippi Goddamn“ bis hin zu Aretha Franklins „Respect“. Heutzutage sind es Künstlerinnen wie Beyoncé, die mit ihrer Musik den Soundtrack für die Bewegung „Black Lives Matter“ liefern.
Mit ihrem Programm „Von Billie bis Beyoncé. Black Women in American Music“ wird Menna Mulugeta am kommenden Donnerstag (28. Februar, 20 Uhr) diese Musik im Rahmen der Konzertreihe „Americana im Pädagog“ auf die Bühne des Darmstädter „Theater im Pädagog“ bringen. Die Sängerin aus der Nähe von Bingen begeistert seit einigen Jahren mit ihren Konzert- und Fernsehauftritten. Mit ihrem musikalischen Partner Gernot Blume hat sie diesen besonderen Abend für die Reihe „Americana im Pädagog“ entwickelt. Americana-Kurator Thomas Waldherr hat sie zu diesem Programm und ihrem Werdegang befragt.
Was hat Dich an der Idee begeistert, einen Abend mit der Musik der großen afroamerikanischen Sängerinnen zu gestalten?
Für mich sind afroamerikanische Sängerinnen schon immer eine große Inspirationsquelle gewesen. Als Kind habe ich mir Videos von beispielsweise Whitney Houston angeschaut und war verzaubert, wie wunderbar sie singen konnte. Natürlich konnte ich mich auch wegen der Hautfarbe mit ihnen identifizieren. Nun einen ganzen Abend mit der Musik dieser Frauen zu gestalten, ist für mich eine besondere Freude.
Wie bist Du zur Musik gekommen?
Im Alter von 10 fand ich nach musikalischen Stationen bei der Blockflöte, dem Horn und dem Keyboard zu meinem Lieblingsinstrument, der Stimme. In der Grundschule spielte ich Theater und mit dem Wechsel aufs Gymnasium gab es dann eine Musical – AG. Da musste ich auf einmal singen:)
Was sind Deine wichtigsten musikalischen Einflüsse? Welches sind Deine Lieblingsmusikerinnen und -musiker?
Wichtige Einflüsse sind Gospel, Soul, Pop und R’n’B. Wichtige Künstler in meinem Aufwachsen: Beyoncé, Toni Braxton, Whitney Houston, Alicia Keys, Gregory Porter.
Hast Du als Tochter von äthiopischen Eltern in Deutschland Rassismus erfahren?
Bis jetzt kaum direkten, offenen Rassismus. Jedoch immer wieder begegnen mir unterschwellige, latente Vorurteile.
Du strahlst im Leben wie auf der Bühne stets Power und Optimismus aus? Woher kommt das?
Vielen Dank:)! Das ist glaube ich einfach mein Naturell. Es fällt mir leicht, positiv zu sein und mich über mein Leben und die Musik zu freuen. Trotzdem ist es auch immer wieder eine Entscheidung sich aufzurappeln.
Welche Ziele verfolgst Du mit der Musik? Wo willst Du in zehn Jahren sein?
Mhmm. Gar nicht zu einfach. Ich versuche immer im hier und jetzt zufrieden und glücklich zu sein. Mir gefällt, wohin sich meine Karriere seit dem Abitur entwickelt und wünsche mir für die Zukunft größere Hallen, die ich bespielen darf und interessante Kollaborationen mit Musikern aus aller Welt:)
Karten für die Veranstaltung können im Vorverkauf im Darmstadt-Shop im Luisencenter sowie online unter http://www.paedagogtheater.de erworben werden. Vorbestellungen sind unter 06151 – 66 01 306 telefonisch und unter theaterimpaedagog@gmx.de per E-Mail möglich.
Save The Date: Am 24. Mai große Doppelgeburtstagsfeier im Frankfurter Salon
Wer dabei im letzten Herbst bei der großen DoubleDylan-Filmpreisverleihung, der hat heute noch ein Glänzen in den Augen. Es war ein legendärer Abend im Frankfurter Salon, mitten im Herzen der Mainmepropole. Schon damals war man sich sicher, dass dies die richtige
Die DoubleDylans
Location für eine weitere große Sause wäre. Jetzt ist es soweit, jetzt ist es offiziell: Die DoubleDylans und der Darmstädter Bob Dylan-Experte Thomas Waldherr laden ein zur Doppelgeburtstagsfeier am Freitag, 24. Mai. Just an Bob Dylans Geburtstag feiern sie dessen 78. und gleichzeitig das 20-jährige Bestehen der DDDs.
Thomas Waldherr
Was an diesem Abend genau passiert, wird noch nicht verraten, da werden gerade noch ein paar Ideen gewälzt. Ziemlich sicher werden aber eine ganze Reihe von Lobeshymnen für den Rockpoet und Nobelpreisträger aus den USA, als auch für die Frankfurter Lokalmatadoren erklingen.
Dies alles wird aber im DDD-üblichen Rahmen geschehen und daher nicht allzu ernsthaft, sondern hintergründig und humorvoll sein. Ein stimmungsvoller Abend mit Freunden. Mehr dazu in den nächsten Wochen.
John Ford und Bonanza: Beispiele zur Darstellung von Afroamerikanern im US-Western
Dom Flemons hat uns 2018 wieder einmal daran erinnert, dass zur Besiedlung des Westens der USA im 19. Jahrhundert die Afroamerikaner einen großen Beitrag gebracht haben. Mit seinem Album „Black Cowboys“ erzählt er die Geschichte der schwarzen Cowboys, die an den großen Viehtrails mitgewirkt haben. Der Cowboy ist in der öffentlichen Wahrnehmung stets weiß und angelsächsisch. Dass dies jedoch nicht den historischen Tatsachen entspricht, sondern dass gut 25 Prozent der Cowboys Ende des 19. Jahrhunderts Afro-Amerikaner waren, wird in den USA gern vergessen. Kein Wunder, dass im ureigensten amerikanischen Film-Genre, dem Western, die Afroamerikaner so gut wie keine Rolle spielten.
Es gibt nur wenige Fundstücke: 1938 erscheint mit „Two Gun Men From Harlem“ ein Western nur mit schwarzen Darstellern. Formal ist er „weißen“ Produktionen entsprechend. Da das Budget aber sehr viel geringer ist, überzeugt er letztendlich nicht voll. Es fehlt beispielsweise ein Soundtrack und Schlägereien und Actionszenen wirken doch mitunter amateurhaft putzig. Nichtdestotrotz kann man sich vorstellen, wie gut diese Filme für das Selbstvertrauen der schwarzen Community als Zielgruppe waren. Es sollten mit „The Bronze Buckaroo“ und „Harlem Rides The Range“ (beide 1939) noch zwei weitere Filme dieser Machart folgen.
Der schwarze Sergeant
Bis man sich allerdings traute, im Mainstream-Western eine schwarze Hauptfigur zu präsentieren, sollte es noch über 20 Jahre dauern. 1960 erschien der Film „Der schwarze Sergeant“. Formal erhielt er alle Merkmale eines Western von John Ford: Eine geniale, packende Erzählweise, großartige Bilderkompositionen sowie Fords bekannte Genreversatzstücke wie Kavallerie, weites Land sowie hier und da derbe Humorspielchen mit Alkohol und dem Verhältnis von Mann und Frau. Neu waren der Protagonist und sein Umfeld. Die schwarzen Einheiten der US-Kavallerie, die unter dem Namen „Buffalo Soldiers“ bekannt sind, bilden diesmal den Rahmen für die Erzählung in dem es um die Vergewaltigung und Mordes an einer Jugendlichen und dem Tod ihres Vaters geht. Wegen beidem ist Sergeant Braxton Rutledge – bislang ein Vorzeigesoldat – angeklagt. Der Film nimmt in bis dato im Western nicht gekannter Weise den Rassismus in den Fokus. Trotz des Einsatzes seines Vorgesetzten steht das Schicksal des Sergeants auf Messers Schneide. Erst der Zusammenbruch des wahren Vergewaltigers und Mörders der jungen Lucy und der dadurch auch glaubhaften Notwehr von Rutledge gegenüber des Vater des Mädchens sorgt für den Freispruch und die Rehabilitierung des Angeklagten Soldaten.
Woody Strode reiht sich in die nicht sehr große Riege der schwarzen Darsteller, die Pionierarbeit geleistet haben. Vor ihm ist da vor allem die Schauspielerin Hattie McDaniel (Oscar für die beste Nebenrolle in „Vom Winde verweht“) zu nennen. Interessant ist, dass ex-Footballspieler Strode ebenso durch John Ford in einem Publikumswesten eingesetzt wurde, wir ein Jahr zuvor die Tennisspielerin Althea Gibson in dem John Wayne-Klassiker „Der letzte Befehl“. Ford schien es ein echtes Anliegen, Menschen afroamerikaner Herkunft Raum in seinen Filmen zu geben.
Bonanza
Wer in den 1960er und 1970er Jahren in der alten Bundesrepublik aufgewachsen ist, der kam an ihnen gar nicht vorbei. Ganze Generationen sind mit den Cartwrights von der Ponderosa in der Serie Bonanza groß geworden und haben ihr anfängliches Bild vom Wilden Westen und vom Rancherleben durch die Familienserie geprägt bekommen.
Und das war auch gar nicht so schlecht. Zwar merken Spötter richtigerweise an, dass diese Familie dich sehr amerikanisch-moralisch-tugendhaft daherkam. Aber es waren nicht die schlechtesten Tugenden, die dort vermittelt wurden. Denn hier saß im Gegensatz zu anderen Werken des Western-Genres der Colt nie locker. Stets wurde versucht, Konflikte friedlich zu lösen. Auch Themen wie soziale Gerechtigkeit, Rassismus und Doppelmoral wurden hier behandelt. Und: Ganz selbstverständlich wird hier die Geschichte der USA als Geschichte eines vielfältigen Landes erzählt, das von Einwanderung geprägt ist. Denn Pa Cartwrights drei Söhne stammen von drei verschiedenen Müttern: Adams Mutter stammt aus der angelsächsischen Neu-England-Aristokratie, Hoss‘ Mutter ist eine Schwedin und Little Joe entstammt aus einer Ehe mit einer Südstaaten-Schönheit aus New Orleans. Dort wo sich französische, spanische, kreolische, afrikanische und angelsächsische Kulturen vermischten.
Das Schicksal von Afroamerikanern steht besonders in zwei Folgen im Mittelpunkt. gerade aus, straff und unterhaltsam-ironisch erzählt ist „Die Thomas Bowers –Geschichte“ (The Thomas Bowers Story, 1964). Sie handelt davon dass der berühmte Opernsänger Thomas Bowers vom Frauenverband nach Virginia City eingeladen wird. In Unkenntnis, dass er schwarz ist. Also muss er den alltäglichen Rassismus erleben. Wird von den kulturbeflissenen Damen verleugnet, vom Hotelbesitzer abgewimmelt und als vermeintlicher gewalttätiger entlaufener Sklave festgesetzt. Doch wie immer: Das Schicksal und die Cartwright regeln alles zum Besten und am Ende rettet Bowers das Publikum, das einen Florence Foster Jenkins-artigen Auftritt einer selbst ernannten Opernsängerin über sich ergehen lassen muss mit seinem kunstvollen Gesang.
Weniger optimistisch ist dagegen die melodramatische Folge „Johns größter Wunsch“ (The Wish, 1969). Unter der Regie von Michael Landon erzählt sie von der afroamerikanischen Familie Farmersfamilie Davis, die Schwierigkeiten hat, ihre Farm zu bewirtschaften, weil sie von der nächstgelegen weißen Dorfgemeinschaft boykottiert werden. Hoss hilft ihnen, löst auch einen akuten Konflikt zugunsten der Familie. Letztendlich aber zieht die Familie weiter, auf der Suche nach einem Ort, an dem sie wie Menschen behandelt werden.
Zwischen den beiden Folgen liegt der optimistische Aufbruch in die 1960er mit Erfolgen der Bürgerrechtsbewegung, der Aufhebung der Rassentrennung und dem Friedensnobelpreis für Martin Luther King. Das Jahrzehnt endet aber mit der Ermordung von Robert Kennedy und Martin Luther King und der Wahl von Richard Nixon zum US-Präsident. Und so scheint auch Landon sagen zu wollen: „Ändern sich Mensch und Gesellschaft wirklich nie?“
Wichtige Beiträge zur Behandlung des Rassenkonflikts in Film und Fernsehen
Wenn man das Westerngenre überhaupt und John Fords Filme und die Bonanza-Serie im speziellen als reinen, rückwärtsgewandten Kitsch abtut, dann unterschätzt man das durchaus – bei allen Widersprüchen – fortschrittliche, manchmal sogar subversive Potential der beiden Genre-Leuchttürme. Western waren durchaus auch ein Vehikel um unbequeme, kritische Geschichten zu erzählen. John Ford und die Macher von Bonanza haben viel für Selbstverständlichkeit afroamerikanischer Schauspieler und der Behandlung des Rassenkonflikts im US-Film beigetragen. „Wer die Nachtigall stört“ (1962), „In der Hitze der Nacht“ (1966) und „Rat mal, wer zum Essen kommt“ (1967) waren sicher die vielschichtigeren und anspruchsvolleren Filme zum Thema, aber diese Western erreichten ein Massenpublikum. Sie popularisierten das Thema und halfen mit, zumindest eine Zeitlang den Zeitgeist in Amerika liberaler zu machen.
Auch dieses Jahr reihen sich wieder Jubiläen an Jubiläen: 100 Jahre Gründung der Weimarer Republik, 100 Jahre Pete Seeger, 50 Jahre Woodstock – aber auch 50 Jahre „Nashville Skyline“. Und noch eines soll hier nicht unerwähnt bleiben: 10 Jahre Cowboy Band-Blog!
Obwohl schon viele Jahre Dylan-Fan begann ich erst Mitte der 1990er Jahre über ihn zu schreiben. Befeuert durch eine neue Dylan-Begeisterung durch die Never-Ending-Tour und Konzerte in Offenbach (1991), Wiesbaden (1993), Balingen (1994) und Aschaffenburg und Stuttgart (1995). Inspiriert durch die klugen Schriften zu Dylan von Günter Amendt, Liederschmitt, Paul Williams und natürlich Greil Marcus. Zuerst schrieb ich für die Zeitschrift „Good Times“ über Dylan, aber auch „The Band“, Joan Baez und „The Byrds“. Das ging so bis 2003, dann verschoben sich für ein paar Jahre die Akzente in Beruf und Freizeit zum Fußball, in der Dylan-Welt blieb ich allerdings.
Denn da erfasste mich die schier überbordende Kreativität Dylans in den 2000er Jahren. Als er hätte er Anlauf nehmen müssen, spielt er Ende der 1990er Jahre in seinen Konzerten alte Bluegrass- und Country-Gospel-Nummern, um dann 2001 mit „Love and Theft“ ein Album zu veröffentlichen, mit dem er den amerikanischen Süden in all seiner Mystik, Widersprüchlichkeit und Gefährlichkeit zur inneren wie äußeren Landkarte für die Verortung seiner Songs macht. Zeitgleich erscheint der Film „O Brother, Where Art Thou?“ von den Coen Brüdern mit dem von Dylan-Kumpel T Bone Burnett zusammengestellten Soundtrack aus Old Time Music, Country, Blues und Gospel. Und der Titel ist Homers „Odysee“ entnommen, ein auch für das Dylan’sche Welt- und Lyrikverständnis grundlegendes Werk.
Mit dieser Musik entdeckte ich nicht nur die Wurzeln von Bob Dylan neu – man erinnere sich daran, dass just als dieser Film in den Kinos erfolgreich war, Dylan den Hauptsong des Werks – „I’m A Man Of Constand Sorrow“, den er auf selber auf seiner allerersten Platte drauf hatte, in seinen Konzerten erstmals seit Jahrzehnten wieder spielte – sondern entdeckte ganz neu die weite Welt des Americana. In diesen 2000er Jahren veröffentlichte Dylan „Love and Theft“ (2001), „Masked and Anonymous (2003), „Chronicles (2004), Modern Times (2006) sowie „Together Through Life“ und „Christmas In The Heart“ (2009). Zudem machte er seine Radio Show von 2006 bis 2009. Das alles war erneut prägend für mein Dylan- und mein Musikverständnis.
Und das wollte aus mir raus, das musste ich unter die Leute bringen. Und so erschien am 9. Februar 2009 mein erster Blog-Eintrag auf der von mir neu geschalteten Seite „Im in a Cowboy Band“. Und nur wenige Wochen später im März mein erster Beitrag für http://www.country.de . Auf beiden Websites entstanden meine Vorarbeiten für mein Bob Dylan-Buch, das natürlich wie mein Blog heißt. Denn es soll ja die Verwurzelung von Dylan in der Country- und Americana aufzeigen. Anhand eines Zitats aus seinem 2006er-Song „Nettie Moore“: „Im the oldest son of a crazy man, I’m in a cowboy band“. Das Buch erschien dann 2011. Vorher und nachher habe ich unzählige Blogeinträge gemacht. Über Dylan, aber Americana-Musik, aber auch über Bücher und Filme, die ich unter Americana subsumiere. Und so reicht das Spektrum der Berichte auf diesem Blog von Dylans Konzertauftritten und der Musik der Felice Brothers über Filme von Clint Eastwood bis zu den Büchern von James Lee Burke oder Joe R. Lansdale.
Und die Ideen gehen mir noch nicht aus, so dass für diesen Blog auch kein Ende abzusehen ist. Was das nächste Thema ist? Da fällt mir u.a. eine für meine Generation wichtige amerikanische Sozialisationsinstanz ein, die mit vier Herren im Wilden Westen zu tun hat…
Clint Eastwoods hat einen wunderbaren altersweisen Film gedreht
Es gibt amerikanische Idole, die provozieren einfach. An ihnen scheiden sich die Geister. Bob Dylan ist da genauso ein beliebtes Objekt der Auseinandersetzung („Shakespear des Rock’n’Roll“, „Songwriter-Legende“, Folk-Rock-Ikone vs. „Trickser“, „Judas“, „Plagiator“) wie John Wayne („Der war noch ein Mann“, „Begnadeter Westernheld“, „Selbstironischer Heldenfigur“ vs. „Macho“, „Gewaltfanatiker“, Indianerfeind“).
Clint Eastwood gehört schon lange in diese Kategorie. Während sich fortschrittlich-denkende Cineasten ob der „Dirty Harry-Streifen“ mit Grausen abwenden – auch der Schreiber dieser Zeilen konnte sich da nie so recht mit anfreunden – und sein wirrer Wahlkampfauftritt gegen Obama und für die Republikaner einer der Tiefpunkte des Schauspielers war – hat er doch als Regisseur unbestritten Großes geleistet: „Die Brücken am Fluß“, „Mystic River“, „Der fremde Sohn“, „Million Dollar Baby“, „Gran Torino“.Gerade letzterer, mittlerweile mehr als 10 Jahre alt, bot Eastwood die Gelegenheit, von den Deformationen des amerikanischen Traums und der dennoch vorhandenen Hoffnung zu erzählen. Über das Ende der Autoindustrie in Detroit genauso wie über Akzeptanz asiatischer Einwanderer.
Nun eine Dekade, eine Bankenkrise, zwei Präsidenten und dem Siegeszug der digitalen Globaliserung weiter, ist es Clint Eastwood wieder gelungen die Frage nach dem amerikanischen Traum in einen sehenswerten Film zu gießen.Eastwood ist ein Konservativer, aber dennoch meilenweit von Trump entfernt. Er hat Empathie für die Menschen, will sich konstruktiv einsetzen. Er ist kein Raufbold ohne Grund und ist keiner der selbstbezogen immer nur sich sieht. Diese letztere Eigenschaft zeichnet aber seine Filmfigur Earle Stone in „The Mule“ aus. Jahrzehntelang vernachlässigte der Lilienzüchter seine Familie zugunsten seines Berufes, der ihn immer wieder quer durch die USA zu Ausstellungen, Branchentreffen und Messen führte. Dieser Earle Stone ist quasi der stete unruhige Herumtreiber, der ständig in the road ist. So nimmt er dann auch dankend den Kurierjob für ein mexikanisches Drogenkartell an, als ihm, durch den Onlinehandel im hohen Alter ums Geschäft gebracht, finanziell das Wasser bis zum Hals steht. Für die Mexikaner soll er die heiße Fracht auf klar definierten Routen gen Chicago bringen. Für ihn, dem bewährten und tadellosen Kraftfahrer, eine einfache Sache, einfach verdientes Geld. Und er setzt das Geld auch ganz uneigenhützig ein: Er unterstützt die Ausbildung seiner Enkelin oder den Wiederaufbau eines abgebrannten Tanzschuppens.
Überhaupt ist er ein Helfer. Eastwoord erzählt auch von einem im Untergang befindlichen Amerika des einander helfens. Völlig selbstverständlich hilft er der mit Reifenpanne gestrandeten schwarzen Kleinfamilie. Nicht ohne einen etwas unbedachten Alltagsrassismus an den Tag zu legen: „Na dann kann ich auch mal Euch Negern helfen“, sagt er und erntet eine freundliche und souveräne Korrektur der Betroffenen. Überhaupt verschließt der 88-jährige Eastwood keineswegs die Augen vor dem immer noch latenten Rassismus. Eine der stärksten Szenen ist die, als er mit seinen mexikanischen Aufpassern in Mississippi einem völlig weißen Gaststätte sitzt. Die beiden Latinos werden angestarrt und er erklärt ihnen augenzwinkernd den Grund: „Zwei Bohnenfresser unter lauter Weißbroten!“ Doch damit nicht genug, haut er die beiden auch gegenüber dem rassistischen Sheriff aus der Klemme und bringt ihn mit Geschenken zum Verstummen.
Überhaupt scheint der alte Haudegen doch mitzubekommen, was im heutigen Amerika schief läuft. Ein weiteres Kabinettstückchen ist die Szene mit der Polizeikontrolle, in die einer gerät, weil er auch einen schwarzen Pick-up fährt wie Stone. Die pure Angst vor Polizeigewalt lässt den harmlosen Autofahrer fast schon winselnd den Anweisungen der Cops folgen.
Am Ende versöhnt Earle sich mit seiner Familie, die Kartellchef wird Opfer eines Machtkampfs und sein eigenes Leben steht auf Messers Schneide, als die Drogengangster dann doch noch einen Funken Menschlichkeit beweisen, weil sie den neuen Chef vor einer umgehenden Exekution abhalten. Er hatte aufgrund des Sterbens und der Beerdigung seiner Frau sich eine Auszeit vom Drogenkurierdienst genommen. Die Handlanger haben Herz, Earle geht wieder auf die Piste, nur um dann durch die Verhaftung endgültig aus den Fängen des Kartells gerettet zu werden. Am Ende erkärt er sich vor Gericht für schuldig und wandert hinter Gittern.
Nicht ohne die Ahnung, die die Schlußsequenz erzeugt, dass ihm mit der Möglichkeit, Lilien zu züchten und einen festen Tagesablauf in einem Art „Heim“ zu haben, das Altern erleichtert wird. „The Mule“ ist, so meine ich, ein sehr menschenfreundlicher Film. Eastwood hält die Werte Freiheit, Respekt, Rücksicht und Gemeinsinn hoch und diskreditiert Rassismus, Gewalt und Egoismus. Es ist Americana-Pur: Ein Roadmovie mit starkem Soundtrack aus Jazz und Country, der die amerikanischen Werte hochhält, nicht ohne die dunklen Seiten des amerikanischen Traums zu benennen. Und so ist dieser Film, obwohl er einen Modernisierungsverlierer und damit potentiellen Trumpwähler porträtiert, weit davon entfernt sich an Zynismus und Freude am Krawall zu delektieren.
„Seht her, ich bin ein anständiger, mitfühlender Konservativer“ scheint uns Clint Eastwood sagen zu wollen. Und das reicht schon in diesen Zeiten als Ansage gegen die herrschende Politik. Dies von einem der größten amerikanischen Regisseure und bekennenden Republikaner zeigt, wie verstörend die US-Politik selbst auf alte Fahrensmänner wirkt. Sollte dies Eastwoods letzter Film sein, er wäre ein fabelhaftes Vermächtnis.
Die neue Dokumentation von Michael Moore ist eine Notwendigkeit und recht gut gelungen, auch wenn es hier und da etwas zu plump geraten ist.
Ja, keiner hatte im Ernst daran gedacht, dass Donald Trump Präsident werden könnte. Durchaus mit Genuss suhlt sich Filmemacher Michael Moore in seiner Dokumentation „Fahrenheit 11/9“ im Verfrühten Triumphgeheul des Clinton-Lagers. Sowohl dem politischen Establishment als auch den Medien ging jeglicher Kompass ab, der sie hätte warnen können. Moore ist ein kompromissloser Trump-Gegner, aber er belässt es nicht bei der Empörung über ihn. Ihm geht es darum aufzuzeigen, warum die Demokraten so versagt haben, und dessen Präsidentschaft nicht hatten verhindern können.
Flint als Beispiel für die politisch-wirtschaftlichen Mechanismen
Und so macht er sich auf eine Reise in das Innere des Landes. Denn Moore weiß zu gut, wenn man Amerika verstehen möchte, muss man sich von seinen geographischen Rändern an den Küsten in die Mitte hin bewegen. Aber Moore möchte auch kein Trump-Wähler-Versteher sein. Das haben seit Trumps Wahl schon andere ausreichend gemacht. Da hätte man schon früher hinhören müssen. Moore geht es um die typischen, auch von den Demokraten mitgetragenen Mechanismen aus wirtschaftlicher und politischer Macht, die das Leben der Vielen immer schlechter macht.
Flint in Michigan ist sein Seismograph, die Stadt sein Kronzeuge. Flint ist seine Heimatstadt und hier hat sich ungeheuerliches zugetragen. Von republikanischen Gouverneur unter ein Spardiktat gestellt, sollte die Wasserzufuhr der Stadt kostengünstiger werden. Aber wie kann es sein, dass eine funktionierende Wasserversorgung mit ordentlichem Wasser aus dem See abgedreht wird, weil sie angeblich zu teuer ist und holt stattdessen das Wasser aus dem stark verschmutzten Flint River? Es kommt zu schlimmen Erkrankungen und Snyder leugnet und wiegelt ab. Und kommt auch noch damit durch, als Präsident Obama als Hoffnungsträger der betroffenen Bevölkerung nach Flint kommt und anstatt klarer Worte und Taten angeblich vom Wasser trinkt und doch nur daran nippt. Eine merkwürdige Geste und für Betroffene und Aktivisten Enttäuschung und Schock zugleich. Aber hätte Obama wirklich die Mechanismen offen gelegt, die in Amerika zu solchen Zuständen führen, hätte er über seinen politischen Schatten springen müssen. Denn sieht man mal von „Obama-Care“ ab, wurde von seiner Regierung nicht wirklich an der Vorherrschaft des Neoliberalismus gerüttelt. Deutlichstes Zeichen war ja, dass er in der Bankenkrise allerlei Böcke zu Gärtnern machte, in dem er sich von den Verursachern der Krise zwecks ihrer Lösung beraten ließ. Auch die Autobiografie und ihre Jet-Set-Lesereise von Michelle Obama zeigen deutlich auf: Das ehemalige Traumpaar der Demokraten, das in den 1990ern in Chicago das soziale Gewissen war, ist vom System geschluckt. Wie weit können sich Menschen von ihren Ursprüngen entfernen?
Graswurzel-Bewegungen als Hoffnung
Moore hat sich jedenfalls nicht von sich entfernt, er ist noch ganz bei sich und seiner Art von politischer Brachial-Dokumentation. Er fährt mit einem Wasser-Tankwagen zu Snyders Anwesen und bespritzt es mit der üblen Flüssigkeit. Ha, ha, ha! Doch neben diesen Polit-Klamauk ist Moore immer wieder daran interessiert – und das ist seine Stärke – wirkliche „Helden des Alltags“ zu zeigen, die ihm uns die Hoffnung geben, dass man im Land noch etwas verändern kann. Und so entdeckt er den Kampf der Lehrer in West Virginia, die nicht nur für die eigenen Rechte, sondern auch für die der anderen Schulbediensteten – von der Putzfrau bis zum Hausmeister – auf die Straße gingen. Oder er schildert wie die jungen Überlebenden des Massakers an der Parkland High School in ihrem Kampf gegen die Waffenlobby agieren. Dass diese Graswurzelbewegungen vom demokratischen Parteiestablishment argwöhnisch betrachtet werden, zeigt die böse Posse um Bernie Sanders. Nach Moores Lesart hatte der besonders bei den Jungen beliebte linke Kandidat die Partei-internen Vorwahlen bei den Demokraten gewonnen. Die Delegierten auf dem Nominierungsparteitag wählten jedoch mehrheitlich Hillary Clinton.
Ein Amerika, das es noch gar nicht gab
Doch auch wenn Moores Dokumentation betont drastisch und hier und da zu vereinfachend oder zu Pointen-orientiert ist: Sie ist eine Notwendigkeit, um darauf aufmerksam zu machen, was im früheren Land der unbegrenzten Möglichkeiten schief läuft. Denn ein besseres Amerika kann es nur geben, wenn endlich die Interessen der Menschen im Mittelpunkt stehen und nicht die der großen Konzerne und Banken. Und so spricht er jedem Anhänger des „anderen Amerika“ aus der Seele wenn er am Ende zu dem Schluss kommt: „Das Amerika, das ich retten will, hat es noch gar nicht gegeben.“