Die Reclam Musik Edition zeigt viele Stärken, ein paar Schwächen und bestätigt Bob Dylans Ausnahmestellung
Seit einiger Zeit schon gibt es die CDs mit gelbem Cover der Reclam Musik Edition. Die kleinen gelben Reclam-Heftchen waren ja immer das Manna des bildungsbürgerlichen Nachwuchses und selbst ich als Kind eines kleinen Angestellten und einer Hausfrau, der es als erster seiner Familie aufs Gymnasium geschafft hatte, bekam ja seit der Mittelstufe Zugang zu den sorgsam editierten Klassiker-Volksausgaben für das kleine Geld. Shakespeares „Julius Caesar“ oder Shaws „Pygmalion“ begleiteten mich durch den Englisch-Unterricht, und noch waren die Dylan-Texte, die damals auch bereits Gegenstand der gymnasialen Bildung waren, nur als billige Zettel-Kopien als Unterrichtsmaterial erhältlich.
Umso größer mein Erstaunen über die günstigen CDs mit Best Of Kompilationen in der bekannten puristischen gelben Reclam-Optik. Denn die entpuppten die sich beispielsweise bei Bob Dylan als bereits längst vorhandene Kompilation, die von Sony einfach unter neuer Flagge zweitverwertet wurden. Selbst für Reclam zu billig, dachte ich mir und irgendwie an der Grenze zum unfreiwilligen Humor.
Aber dann fielen meine Augen kürzlich auf die sechs „All About“-Kompilationen. Und siehe da – es geht doch! Den Themen Americana, Singer-Songwriter, Acoutic Vibes, Revolution, Flower Power und Epic Rock gewidmet, lassen sie keine Wünsche offen. Gut zusammengestellt, mit kundigen Liner Notes versehen von Ernst Hofacker, einer Koryphäe des Musikjournalismus, gibt die Reihe einen sehr guten ersten Überblick über die Genres.
Auf fünf der sechs Sampler ist His Bobness sowohl mit eigenen Aufnahmen, als auch als Songwriter vertreten. Das bestätigt wieder einmal seine Ausnahmestellung in der populären Musik. Nur einmal – wen wundert’s – muss er passen. Ein Epic-Rock-Werk ist im Kanon des Meisters nun wirklich nicht zu finden.
Bob Dylan in der „All About“-Reihe:
Americana: Als Interpret eigener Songs mit „This Wheel’s On Fire“ (mit The Band) und „Heartland“ ( bmit Willie Nelson) sowie als Songwriter mit „You Ain’t Goin‘ Nowhere“ von den Byrds.
Singer/Songwriter: Als Interpret eigener Songs mit „It’s All Over Now Baby Blue“.
Acoustic Vibes: Als Songwriter mit „Knockin On Heaven’s Door“ in der Interpretation von Avril Lavigne.
Revolution: Als Interpret eigener Songs mit „Maggies Farm“
Flower Power: Als Interpret eigener Songs mit „Subterranean Homesick Blues“
Alle Titel sind passend ausgewählt. Nur beim letzteren finde ich das Love & Peace & Drogen-Motiv wenn überhaupt bei Dylan – Hofacker schreibt ja richtigerweise, dass Dylan nie ein Hippie war – dann eher bei Mr. Tambourine Man angesiedelt. Denn „Tambourine Man“ ist wirklich der Song zum friedlichen Trip, während ich „Subterranean“ dafür immer viel zu aufwühlend und als unterschwellig aggressiv und verstörend empfand. Das klingt eher nach Straßenkampf und nicht umsonst hat eine militante linke Gruppe in den USA aus diesem Song ihren Namen „Weathermen“ entliehen.
Doch ich bleibe dabei. Sony/Reclam sind sehr schöne Zusammenstellungen gelungen. Für kleines Geld eine gute Einführung in die Welt von Folk, Rock und Country. Und Reclam hat bei mir seinen Ruf wieder gerettet.