Archive for September 2011

Retro und Spaß dabei!

21. September 2011

Kitty, Daisy & Lewis begeistern in der Centralstation

Begeistertes Publikum, zufriedene Gesichter und überall gute Laune. Und das nur weil drei Geschwister Musik gemacht haben? Manchmal kann es eben so einfach sein, wenn es gut gemacht ist.

Kity, Daisy & Lewis schwimmen auf der Retro-Welle und dies gekonnt. Spielen Blues, Swing, Rockabilly und ein bisschen Country und nehmen dies mit altem, analogem Equipment auf. Wären sie Amerikaner, so hieße ihre Musik „Americana“ und wäre sicher hierzulande schwer zu vermarkten. Da sie aber Engländer sind und ihre Eltern feste Größen im britischen Musikbusiness sind, segelt das Ganze eben auf der „Retro-Welle“ und wird bei den jungen Leuten als „hip“ eingestuft.

Spielen Ryan Bingham oder Holly Williams dann sind die Sääle kleiner, das Publikum gemischt, mit dem Schwerpunkt von 35-50 Jahren. In der Centralstation war es deutlich jünger. Eindeutiges Indiz dafür, dass die Band bei den Kids angesagt ist.

Den Auftakt machte wieder mal ein Phänomen, dass eigentlich kaum noch auszuhalten ist. Eine Vorgruppe, die irgendwo im Bereich Soft-Gothic-Pop einzuordnen ist und die eigentlich keiner sehen will, nimmt uns in künstlerische Geiselhaft. Dann folgt eine (zu) lange Umbaupause. Und danach dauert es – kein Wunder – doch einige Titel bis Künstler und Publikum auf Betriebstemperatur sind. Ausgerechnet als wir uns über den Trompeter aus Jamaica und die scheinbar unerwartete Wendung des Konzertes wundern, kommen die Schwestern und der Bruder richtig in Fahrt. und bald haben sie den Saal im Griff.

Wenn Lewis unnachahmlich altertümlich die große E-Gitarre spielt, als wäre er gerade in den Sun Studios in Memphis/Tennessee, Kitty ein schier endloses, wahnwitziges Mundharmonika-Solo bläst und Daisy anmutig und beschwingt die Snare Drum spielt, beginnt das Publikum schier in Ekstase zu fallen. Dann wird ausgelassen getanzt und vor Entzückung gejuchzt. Immer wieder wechseln die Drei die Instrumente, Lewis geht an die Drums, Daisy an das E-Piano und Kitty wechselt zum Banjo. Alles geht hin und her. Sie spielen alle ihre bekannten Titel und gehen nach 5 Songs als Zugabe unter großem Jubel ab.

Der Americana-Freund ist zufrieden, diese Musik bekommt man hierzulande nicht oft geboten. Stellt sich nur die Frage: Warum hat keiner den Mut mal ein Konzert-Package zusammenzustellen, das musikalische Traditionslinien berücksichtigt. Wenn Kitty, Daisy & Lewis bei den Kids funktionieren, dann doch bestimmt auch das Western-Swing-Trio Shotgun Party oder die Bluegrass-Jazzer von The Toy Hearts. Doch schnell ist die Antwort parat. Dem Musikbusiness geht es nicht um das bewusste Musik hören. Daher weiß man auch nicht wie lange die Geschwister aus Kent dieser Musik treu bleiben können. Spielen und fühlen können sie sie auf alle Fälle. Prädikat: Outstanding!

Delaney Davidson

16. September 2011

WahWahTwangBoomChickaBoom oder wie ein neuseeländischer Schweizer in einem Bessunger Keller in Darmstadt das Americana weiterentwickelte…

credits: Delaney Davidson

credits: Delaney Davidson

In Kellern wird Americana-Geschichte geschrieben. 1967 in dem von Big Pink, als Bob und die Buben von The Band zu den Urvätern des Genre wurden und vor wenigen Tagen war es der Keller der Bessunger Knabenschule in Darmstadt, in dem Delaney Davidson mit seiner außergewöhnlichen Performance die Minstrel-Show wiederauferstehen ließ und für dieses Jahrtausend neu aufbereitete.

Knapp 50 Leute waren gekommen und der Keller war voll. Davidson nimmt das Publikum mit auf die Reise ins alte, gefährliche Amerika, es geht um Tod und Teufel, Liebe und Mord. Das Ganze klingt ein bisschen wie Nick Cave meets Bob Dylan meets Hank Williams. Blues, Balladen, dunkler Country – phantastisch vorgetragen von einem Künstler, dessen Bühnenpräsenz beeindruckend ist. Nur mit Gitarre und Mundharmonika „bewaffnet“, aber dazu mit cleverem technischen Equipment ausgestattet, dass es ihm ermöglicht sich selber zu begleiten, idem er Melodielinien, Rhythmus und Takt anspielt, aufnimmt und sofort wiedergibt. Der Höhepunkt ist erreicht, als er bei „Time has gone“ sein Instrument niederlegt, die Musik weiterspielt und er sich unters Publikum mischt, um es zu einem dunklen Todeswalzer zu animieren. Es gelingt und plötzlich ist der Keller zum Ballsaal einer Geisterstadt irgendwo im Wilden Westen geworden.

Überhaupt hat er das Publikum gut im Griff, macht kurze, witzige Ansagen, kokettiert mit seinem unperfekten Deutsch und bringt die Leute bei „Dirty Dozen“ sogar zum Chorgesang. Ein rundum tolles Konzert und ein rundum begeistertes Publikum im Keller. Man sollte den neuseeländischen Schweizer Delaney Davidson im Auge behalten. Er könnte der Welt noch viel gute Musik schenken und das Americana bereichern.

Das Buch ist raus!

16. September 2011

Auf ausdrücklichen Wunsch hin sei es hier nochmals erklärt: „I’m in a Cowboy Band“ ist im August erschienen und sowohl im Buchhandel als auch im Internet (amazon, jpc etc.) erhältlich. Es ist ein schönes Büchlein geworden, sieht schmuck aus im Buchregal, liegt gut in der Hand und trägt nicht auf. Es kostet 10,50, was aber nur ein symbolischer Preis sein kann, da der Inhalt ja eigentlich unbezahlbar ist.

Es hat auch schon einige positive Reaktionen und Rezensionen gegeben:

„Ein Buch in dieser Art hat es meines Wissens weder über Bob Dylan noch einen anderen Musiker gegeben“ (Manfred Vogel, country.de).
„Big Pink als das Geburtshaus des Americana auszurufen ist ein wunderbarer Gedanke“ (Matze von den DoubleDylans)
„Lesenswert“ (Leserrezension auf amazon)

Auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober ist das Büchlein samt Autor auch vertreten und am 8. November wird das Thema des Buches im Mittelpunkt einer Sendung von Radar/ Radio Darmstadt stehen. Sobald Lesungen oder Veranstaltungen fix sind, werden sie hier bekannt gegeben. Der Autor arbeitet noch daran.

Legt die Platte wieder auf!

13. September 2011


Ein Live-Mitschnitt von 1981 legt die Wurzeln von Rock und Country frei und gehört deshalb wieder veröffentlicht

Viele die sich intensiv mit Rockmusik beschäftigen kennen das Million Dollar Quartett. Elvis Presley, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins waren allesamt 1956 in den legendären Sun Studios und dokumentierten die Entwicklung von Country und Blues zu Rockabilly und Rock’n’ Roll anhand einer spontanen Jamsession.

Weniger bekannt sind die Survivors. 1981, vier nach dem Tod von Elvis Presley begab es sich, dass zur gleichen Zeit in Europa unabhängig voneinander Johnny Cash, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins auf Tour waren. Als die letzteren Beiden einen day-off hatten entschied man kurzerhand, dies zu einem spontanen Bühnenrevival zu nutzen.

Und es war atemberaubend! Was den Zuschauern am 23. April 1981 in Böblingen bei Stuttgart geboten wurde, war nicht weniger als die Freilegung der Wurzeln des Rock. Country, Gospel und Rockabilly wurden von den Jugendfreunden in fast wahnwitzigerweise Weise zelebriert. „I saw the light“, Hank Williams fromme Erleuchtung, und die Carter-Family-Hymne „Will the circle be unbroken“ wurde von Jerry Lee derart umspielt, musikalisch paraphrasiert und gesanglich improvisiert dargeboten, dass es schon richtig „schwarz“ klang. Wobei Jerry Lee ohnehin eine der schwärzesten Stimmen aller weißen Rockmusiker hat. Während also Jerry Lee den ungezügelten, respektlosen Derwisch am Klavier gab, war Johnny Cash der logische, stoische und würdevolle Anführer des Trios und Carl Perkins der solide, treibende Motor des Ganzen.

Der Spontanauftritt fand noch die eine oder andere Fortsetzung während Cashs Tournee und führte schließlich auch zum 86er Album der drei Helden mit Roy Orbison. 1982 brachte Columbia bereits unterm dem Titel „The Survivors“ einen Live-Mitschnitt des denkwürdigen Stuttgarter Auftritts heraus. Zum letzten Mal wurde er dann 1995 als CD veröffentlicht. Seitdem herrscht Funkstille.

Es bleibt leider das Geheimnis von Sony/Columbia warum inmitten der zahlreichen posthumen Cash-Veröffentlichungen ausgerechnet diese Pretiose fehlt. Legt die Platte wieder auf!

Und hier das Gospel-Medley der Survivors: