Archive for März 2023

Bob und Baskenland

18. März 2023

2006 spielte der Meister ein historisches Konzert in Donostia-San Sebastian. Nun kehrt er zu zwei Konzerten im Kursaal zurück an den Golf von Biskaya

2006 machte Bob Dylan plötzlich wieder im Zusammenhang mit einem „Friedenskonzert“ Schlagzeilen. Von der „Musikwoche“ bis zur „Jungen Welt“ las es sich ungefähr so:  „Musiklegende Bob Dylan engagierte sich im baskischen Friedensprozess. Er trat bei einem kostenlosen Konzert gemeinsam mit dem im Baskenland berühmten Sänger und Songschreiber Mikel Laboa am Sandstrand von »La Concha« (die Muschel), der Bucht von Donostia (San Sebastian) auf.“ Und: „Das Konzert war nach der Ankündigung einer ‚dauerhaften Waffenruhe‘ der baskischen Untergrundbewegung ETA am 22. März ins Programm genommen worden.“ Und weiter, typisch Dylan: „Einzige Bedingung von Seiten Dylans war, dass während des Konzerts am Zurriola-Strand der baskischen Hafenstadt keine politischen Botschaften verlesen werden durften.“

Die Veranstalter rechneten mit mehreren zehntausend Zuschauer:innen, am Ende sollen mehr als 80.000 Menschen (!) den Barden gelauscht haben und damit setzten diese Menschen wirklich ein großes Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Und tatsächlich ist in den letzten Jahren aus einer immer wieder vom Terror durchzogenen Gegend eine recht friedliche europäische Region geworden. Ein gewisser Autonomiestatus ließ die baskische Kultur noch einmal aufleben. Ob in Literatur oder in der Kulinarik und darüber hinaus: das Baskenland hat mehr zu bieten als die bekannte Mütze.

Bobs Besuche des Baskenlands

Bob Dylan 2006, Copyright: Wikimedia Commons

Doch 2006 war nicht das erste Mal, dass Bob Dylan in der malerischen baskischen Stadt Station machte. 1989, zu Beginn seiner Never Ending Tour kam er erstmals nach San Sebastian, spielte in Spanien ansonsten nur noch in Madrid und Barcelona. Die zentralspanische Hauptstadt und die selbstbewussten, von Autonomiebestrebungen gekennzeichneten Regionen Katalonien und Baskenland. Bewusste Absicht?

1995 dann ein Abstecher nach Bilbao, doch schon 1999 bei einer Spanien-Tour mit 13 (!) Stationen stand San Sebastian wieder auf dem Plan. 2004 dann sieben spanische Stationen ohne Baskenland. 2006 stand Donostia dann wieder in Dylans Tourbuch, als eine von fünf Stationen. Aber – siehe oben – es war sicher die wichtigste und spektakulärste Station seiner damaligen Spanienreise. 2008 bei zwölf  Stationen war es wieder einmal nicht dabei. Und das Baskenland wurde bei der 2012er-Tour dann wieder einmal von Bilbao vertreten. 2015 gibt es mal wieder ein halbes Dutzend Spanien-Gigs und Donostia-San Sebastian ist dabei. 2019 dann wieder Bilbao und nun 2023 gleich zwei Termine in Donostia-San Sebastian.

Waren dort bei seinen Konzerten bislang Hallen wie der Plaza del Torres (16.000 Plätze), der Donostia Arena (11.000 Plätze) oder dem Velodrom (5.500 Plätze) für ihn gebucht, zieht es ihn nun wieder an den Strand. Zwar nicht direkt auf den Playa de Zurriola, wo sein umjubeltes 2006er-Konzert stattfand, sondern in den nahe gelegenen Kursaal. Hier bleibt er seiner zuletzt verfolgten Linie der intimen Konzerthäuser treu. Der Kursaal fasst rund 2000 Personen. Er tritt dort am 19. und 20. Juni auf. Das Gebäude wurde 1999 eröffnet, sein Architekt Rafael Moneo heimste dafür einige Preise ein.

Das Baskenland – eine spannende europäische Region

Donostia-San Sebastian: Blick auf den Playa De Zurriola mit dem Kursaal, Copyright: Wikimedia Commons

Das Baskenland, obwohl politisch seit ewiger Zeit aufgeteilt unter Frankreich und Spanien, ist ein besonderes Land mit eigener Sprache und besonderer Kultur. Zu massenkompatiblem Mainstream auf der ganzen Welt wurden nicht nur die Baskenmütze, sondern auch die Espadrilles. Heute ist das Baskenland vor allem für seine Küche bekannt. Alleine in Donostia-San Sebastian ist die Sterne-, Kochmützen- und Löffeldichte erheblich, 2019 wurden alleine 18 Michelin-Sterne dort gezählt. Die moderne baskische Küche interpretierte die traditionelle baskische Küche nach Ende der Franco-Diktatur neu, die Pintxos – kleine Häppchen am Spieß (Zahnstocher), oftmals auf Weißbrotscheiben – sind legendär.

Donostia-San Sebastian besitzt zwei Stadtstrände – den größeren La Concha („die Muschel“) und den kleineren Zurriola. Der La Concha ist durch die Bucht geschützt, Wind und Wellengang sind mäßiger. Der Zurriola ist dagegen ein Surferparadies.

San Sebastian war mit seiner Lage am Golf von Biskaya auch als stetiges Urlaubsziel für die spanischen Königsfamilien interessant, seitdem ist dort etwas teurer als in anderen Gegenden Spaniens. Wir werden Dylans Konzerte in San Sebastian besuchen und drum herum machen wir unseren Sommerurlaub.

Baskische Liedermacher

Mikel Laboa, Copyright: Wikimedia Commons

In meinem Bericht über Bob und Spanien in meinem letzten Blogpost habe ich die Darstellung Günter Amendts geteilt, dass es in Spanien aufgrund der Franco-Diktatur keine so großen Resonanzboden für die Musik Dylans gegeben habe, wie in Italien mit der Tradition der Cantautori.

Das mag für Zentralspanien stimmen, aber gerade im Baskenland hat sich unter Franco eine Szene von Liedermachern entwickelt, die kritische Lieder schrieben: Ihre Galeonsfigur war eben jener Mikel Laboa.  Er wurde zur Legende unter den baskischen Liedermachern, weil in den 1960er Jahren gegen den Franquismus und die Zensur ansang. Einige seiner Lieder wie „Txoria Txorisind sogar zu einer Art Volkslieder geworden. Kein Wunder, dass Dylan und Laboa, dessen „Txoria Txori“ auch zum Repertoire von Joan Baez gehörte, für das 2006er „Friedenskonzert“ zu einem Package zusammengestellt. Und vielleicht kennt Dylan die Geschichte der baskischen Musik so gut, dass er ganz bewusst 1989 erstmals in San Sebastian auftrat?

Dass das Baskenland auch eine kulturelle Tradition der Liedermacher hat, die wiederum mit der Dylan’schen Werk und Wirken im Austausch war und ist, bewies Mitte der 1990er Jahre Zigor Gazkez, der eine Platte in baskischer Sprache aufnahm, die Dylans Musik sehr nahe kommt. Leider verlor sich die Spur des „baskischen Bob Dylan“ schnell wieder. Mysteriöse Geschichte, der Künstler ist verschwunden, aber seine Musik bleibt bestehen.

Copyright: Elkar

Dylan auf baskisch

Ein guter Dylan-Freund erinnerte mich jetzt noch daran, dass es sogar ein Buch mit hundert Dylan-Songtexten auf baskisch gibt. „Bob Dylan – 100 kantu“ heißt das Werk. Die Übersetzungen stammen von Xabier Paya. Das Buch ist auch hierzulande zu erwerben. Übrigens ist baskisch ein absoluter Solitär und mit keiner anderen Sprache verwandt.

Vorfreude

Dylan spielt also am 19. und 20. Juni in einer interessanten Stadt in einer der bemerkenswertesten Regionen Europas. Wir werden dabei sein und sind gespannt.

(Artikel aktualisiert am 19. März 2023, 15.25 Uhr)

Bob Dylan und Spanien

10. März 2023

Dylan bereist im Juni die iberische Halbinsel/ Spanien-Bezüge: Von den „Boots Of Spanish Leather“ bis zum „Prinz von Asturien-Preis“

Über die Jahre hat Bob Dylan immer wieder in Spanien gespielt. Nun sind auf seiner Rough And Rowdy Ways-Tour auch wieder einige Spanien-Termine fest eingetragen. U.a. wird er in Madrid, Sevilla, Alicante, Granada und Barcelona spielen.

Im malerischsten Umfeld finden dabei sicher die Konzerte in Logronos und Huesca (Stierkampfarenen) und sowie in Granada (Alhambra) statt. Eher nüchterner dagegen das Kongresszentrum in Sevilla. Übrigens haben wir 2008 unser bislang einziges spanisches Dylan-Konzert ebenfalls in einem recht nüchternen Bau gesehen, dem Centro de Tecnificacion in Alicante. Wobei das Publikum hier ein bisschen nervig, weil doch stets am Handy klebend, war. Doch das ist ja in den jetzigen Smart-Phone-freien Dylan-Konzerten nicht mehr möglich. Zudem sind Locations wie die Alhambra recht kleine Konzerte und daher doch eher etwas für wirkliche Dylan- Connoisseure.

Boots Of Spanish Leather

Und was sind die Verbindungen von Dylan zu Spanien? Klar, „Boots Of Spanish Leather“, der Song, den er dichtete, als Suze Rotolo in Südfrankreich und Spanien unterwegs war. „Spanish Is The Loving Tongue“, das mittlerweile zum Traditional gewordene Stück, das auf dem Gedicht „A Border Affair“ von Charles Badger Clark aus dem Jahr 1907 basiert und 1925 von Billy Simons vertont wurde.

Das erste Mal tourte Dylan 1984 durch Spanien, dass da gerade mal wenige Jahre erst den Franco-Faschismus überwunden hatte. Der kluge und viel zu früh und tragisch verstorbene Günter Amendt hat in „Union Sundown“, seiner „Robertage“ über die Europatournee 1984, sehr schön herausgearbeitet wie unterschiedlich die Rezeptionen Dylans in Italien und Spanien waren. In Italien gab es seit den 1960er Jahren eine demokratische Liedermacher-Tradition, die sich auf Dylan berief. So etwas konnte sich in Francos Spanien nicht bilden. So war der Resonanzkörper für die ersten Dylan-Konzerte in den beiden Ländern sehr unterschiedlich.

Don Quijote und der Prinz von Asturien

Copyright: Columbia Records

Doch zwischenzeitlich hatte sich das nivelliert und neuerdings wird Italien wird Italien von einer Neofaschistin regiert und in Spanien amtiert schon seit fast fünf Jahren ein sozialistischer Ministerpräsident. Spanien hat sich zu einer scheinbar demokratisch gefestigten Gesellschaft entwickelt. Und hier in Spanien erhielt Dylan auch 2007 den mit 50.000 Euro dotierten Prinz-von-Asturien-Preis in der Sparte Kunst – wegen der dichterischen Qualität der Lieder und des gesellschaftlichen Engagements Dylans.

Apropos Kunst. In welcher Beziehung steht Dylan zur künstlerischen Tradition Spaniens? In seiner Nobelpreisvorlesung gibt er Miguel de Cervantes‘ „Don Quijote“ als einen wichtigen frühen literarischen Einfluss an. Und tatsächlich hat Larry Fyffe in seinem kurzen, klugen Beitrag für die Website „Untold Dylan“ mit dem Titel „La Mancha Is Blowing In The Wind: Bob Dylan And Don Quixote“ Parallelen zwischen Don Quijotes Charakter und der Haltung so mancher Dylan’schen Lyrik herausgearbeitet (https://bob-dylan.org.uk/archives/4112).

Dylan und Goya

Natürlich ließ sich auch der Maler und Zeichner Bob Dylan von den alten spanischen Meistern inspirieren. Schon in jungen Jahren studierte er mit Freundin Suze zusammen die klassischen Werke Goyas.

Der stets kunstinteressierte Dylan wird sicher seine Privatführungen durch den Prado in Madrid oder die maurischen Paläste in Sevilla und Granada bekommen. Und eine Reise zu den Dylan-Konzerten mit einem Spanien-Urlaub zu verbinden ist auch nicht die schlechteste Idee für diesen Sommer.

Dom Flemons und Bob Dylan II

3. März 2023

In der aktuellen Ausgabe seines American Songster Radios auf WSM Nashville spielt der Folkmusiker Dylan-Coverversionen von afroamerikanischen Musiker:innen.

Dom Flemons, Copyright: Wikimedia Commons

Bob Dylan entdeckte er 1995 in einer TV-Dokumentation über die Rockmusik, erstmals sah er ihn 1999 im Konzert mit Paul Simon und 2011 traf er ihn dann sogar persönlich, als er mit den Carolina Chocolate Drops im Vorprogramm Dylans spielte. So wie er es erzählt, merkt man Dom Flemons in seiner Dylan-Spezialausgabe seines „American Songster Radio“ die Begeisterung an. Dylan war es, der ihn zum Gitarre spielen, zum Musik machen brachte.

Zusammen mit seiner Frau Vania – ich durfte die beiden 2019 am Rande des Chicago Bluesfestivals kennenlernen – führt er durch die Sendung  bei WSM Nahville (dem Grand Ole Opry-Kanal!), in der er Dylan-Coverversionen von afroamerikanischen Künstler:innen spielt. 11 Stück sind es, am Ende auch sein eigenes neues Dylan-Cover „Guess I’m Doing Fine“, von dem hierzulande am 24. März digital und am 21. April auf CD erscheinenden Album „Traveling Wildfire“.

Dylans große Akzeptanz bei afroamerikanischen Musiker:innen

In meinem Buch „Bob Dylan & Black America“ (2021) habe ich geschrieben: „Kaum ein weißer Songwriter-Kollege von Bob Dylan hat in der schwarzen Music Community solch einen Stand wie der Songpoet aus Minnesota“. Flemons Radio-Show zeigt es nochmal deutlich. Dylans Lyrik, Dylans Themen, sein Blick auf Menschen, Beziehungen und Ereignisse spricht die afroamerikanischen Künstler:innen an. Seine Musik und seine Bildsprache sind geschult an afroamerikanischen Vorbildern. Gleichzeitig weiß die African American Community, dass Dylan nicht einfach ein rücksichtloser Aneigner ist, sondern wirkliche Empathie und Sympathie für Black America hat. Vor der Musik Little Richards und Odettas über seine Bürgerrechtssongs, seine Freundschaften zu schwarzen Musiker:innen wie Mavis Staples, Big Joe Williams oder Clydie King, sein Engagement für Rubin „Hurricane“ Carter bis hin zu seiner Verbundenheit zur schwarzen Gospelmusik oder seine Elogen an Blind Willie McTell oder Jimmie Reed – Dylan war und ist der schwarzen Community in den USA vielfältig verbunden.

Copyright: Rounder Records

Von Billy Preston bis zu den McCrary Sisters

Und so haben über die Jahre eine Vielzahl von schwarzen Musiker:innen Dylan-Songs aufgenommen. Und Flemons kann hier auch nur einen ausgewählten ganz kleinen Bruchteil spielen. Und so hören wir in dieser Sendung weniger bekannte Pretiosen wie Billy Prestons 1969er Version von „She Belongs To Me“ oder die mit Dylan ebenfalls freundschaftlich verbundene McCrary Sisters mit „Ring Them Bells“ ebenso wie Klassiker wie Sam Cookes Version von „Blowin‘ In The Wind“, die ihn zu seinem eigenen „A Change Is Gonna Come“ inspirierte oder Odettas Version von „Lomg Time Gone“, von ihrem 1965er Dylan Coveralbum. Und nicht fehlen dürfen natürlich auch Richie Havens „Just Like A Woman“ vom 1992er Tribute-Konzert, die ich heute sehr viel mehr schätze als damals, und Bettye LaVettes „Don’t Fall Apart On Me Tonigh“ von ihrem Dylan Cover-Album von 2018. Ihre Version des weniger bekannten „Infidels“-Song ist quälend und anklagend und geht unter die Haut. Hier singt jemand, der die Situation des Verlassenwerdens leider nur zu gut kennt.

Und wie oben erwähnt beendet Flemons die Sendung mit seiner schönen neuen Version von „Guess I’m Doing Fine“ mit Sam Bush an der Geige. Eine hörenswerte Sendung und wieder eine wichtige afroamerikanische Musikgeschichtsstunde vom „American Songster“, Mr. Dom Flemons.

Und hier die Dylan-Radio-Show des American Songster: