Archive for September 2021

Julius and Ethel

27. September 2021

Endlich haben wir eine offizielle Veröffentlichung: Dylans Song gegen die politische Paranoia in den USA der 1950er Jahre

Ethel und Julius Rosenberg, Copyright Wikimedia Commons

Endlich gibt es neben den vielen anderen aus den Archiven geborgenen Schätzen der Infidels-Sessions, auf „Springtime in New York“ – der neuesten Ausgabe der Bootleg Series –  nun auch eine offizielle Veröffentlichung von „Julius and Ethel“.

Julius und Ethel Rosenberg wurden 1951 wegen Rüstungsspionage für die Sowjetunion der Prozess gemacht. Ihnen wurde unterstellt, maßgeblich zum Bau von sowjetischen Atombomben beigetragen zu haben. Letzteres konnte nie bewiesen werden. Spioniert hatten die bekennenden Kommunisten wohl schon, aber der Inhalt der Anklage, die Art des Prozesses und der „Beweisführung“ und dann erst Recht das Todesurteil führten zu weltweiten Protesten. Unter anderem setzten sich Papst Pius XII., Jean-Paul Sartre, Albert Einstein, Pablo Picasso, Fritz Lang, Bertolt Brecht und Frida Kahlo für die beiden ein. Dennoch wurde das Urteil am 19. Juni 1953 vollstreckt.

Opfer der antikommunistischen Umtriebe

An beiden wurde ein Exempel statuiert. Sie waren die einzigen US-amerikanischen Zivilisten, die während des Kalten Krieges wegen Spionage angeklagt wurden. Sie sind bis heute die einzigen, die in den USA in Friedenszeiten wegen Spionage hingerichtet wurden. Sie waren Opfer des Höhepunktes der antikommunistischen Umtriebe in den USA in den 1950er Jahren. Hinter der präsidialen, jovialen, väterlichen Fassade des Kriegshelden Dwight D. Eisenhower herrschte die hässliche Fratze der Verfolgung und Zerstörung vermeintlicher Kommunisten durch Senator Joseph McCarthys Ausschüsse, die zu einem vergifteten Klima in den USA führten und die andere Seite der Medaille des heile Welt-Klischees zwischen Doris Day und Familienidyll in den Suburbs waren.

Dylan interessiert sich wieder für die Welt

Dreißig Jahre später greift Dylan die Geschichte auf und spielt im Rahmen der „Infidels“-Sessions den Song „Julius and Ethel“ ein. Das Album war die Abkehr von monothematischer Gottespreisung und fundamentalistischer Bekehrung. Der Freigeist Dylan ließ sich einfach nicht in einer Kirche oder Sekte einsperren. Dylan ist ein gläubiger Mensch und auch durchaus spirituell empfänglich. Aber er ist gleichzeitig eben auch an der Welt und ihren Widersprüchen interessiert. Und das beweist er wieder auf „Infidels“.

Und so spießt er die Geschichte dieser beiden Opfer der antikommunistischen Paranoia in den USA in diesem Song auf. In Dylans Riesen-Oeuvre sind Geschichten über konkrete Menschen eindeutig in der Minderheit. In seiner Frühzeit hat er Songs über Emmett Till, Hattie Caroll, den Mörder von Medgar Evers oder Davey Moore gesungen. Später dann über George Jackson, Rubin „Hurricane“ Carter und auch über Sara. 1981 folgt Lenny Bruce und 1983 dann Julius and Ethel. Doch er veröffentlicht das Lied nicht.

Musikalisch ist er ein hübscher, treibender Rocksong. Inhaltlich ergreift er Partei für die beiden. „They were never proven guilty beyond a reasonable doubt“ singt er. Oder

Endlich ist Julius and Ethel im Rahmen der Bootleg Series offiziell erschienen, Copyright: Columbia Records, Legacy

„The people thought they were guilty at the time,
Some even said there hadn’t been any crime“

Und auch hier findet er wieder ein paar treffende Wortbilder, um die Zeitläufte zu beschreiben, zeigt, dass er das noch immer beherrscht:

„Eisenhower was president, Senator Joe was king,
Long as you didn’t say nothing, you could say anything“

und

„Someone said the 50s was the age of great romance,
I say that’s just a lie, it was when fear had you in a trance“

Dylans Statement gegen Reagans Amerika

Dylan ist ein Kind der 1940er und des New Deal. War Teil der linken Folkszene, kannte die Geschichte von Pete Seeger, der von den McCarthy-Ausschüssen auf die schwarze Liste gesetzt wurde. Evangelikaler Spuk hin, nostalgische Anwandlungen im Spätwerk her – Dylan war nie ein Konservativer, ist keiner und wird auch keiner mehr werden.

Mit diesem Song beweist er dies überdeutlich. Die „heile Welt“ der 1950er Jahre ist nicht seiner. Er war auf der Seite der Beatniks, der Folkies, der Schwarzen, war auf der „falschen Seite“ der Eisenbahngleise geboren. So war auch diese Song im Grunde ein Statement gegen Ronald Reagans konservatives Roll-Back.

Es ist schade, dass „Julius and Ethel“ nicht auf „Infidels“ – die Platte hätte ja eigentlich den viel treffenderen Titel „Surviving In A Ruthless World“ heißen sollen – kam. Möglicherweise hätte das noch einmal zu einer anderen Wahrnehmung Dylans durch die Öffentlichkeit geführt.

Warum er den Song nicht veröffentlicht hat, weiß man nicht. Dylan, die ewige Sphinx. Um so schöner, dass wir ihn jetzt haben. Ein Beispiel mehr dafür, dass Dylan auch in den 1980ern etwas zu sagen hatte.

Neustart der Darmstädter Americana-Reihe mit „Romie“ am 23. September

17. September 2021

Vier Veranstaltungen in der Bessunger Knabenschule/ Auch in dieser Herbstsaison spielt Bob Dylan bei Thomas Waldherrs Konzertreihe wieder eine wichtige Rolle

Romie“ verzaubern mit schönen Melodien und feinem Harmoniegesang, Foto: Ruth Buchert

Wenn am Donnerstag, 23. September, das Frankfurter Folk-Duo Romie die Bühne der Bessunger Knabenschule betritt, dann beginnt das erste Konzert der Darmstädter Americana-Reihe von Thomas Waldherr nach fast einem Jahr Pause. Am 24. Oktober letzten Jahres fand sich unter dem Titel „Love Songs For The Other America – Revisited“ eine illustre Musiker-Runde zusammen, um musikalisch vor der US-Präsidentschaftswahl gegen Donald Trump Partei zu ergreifen. Kurz danach kam der Lockdown und auch die für dieses Frühjahr geplanten Veranstaltungen fielen der Corona-Lage zum Opfer. Doch im Herbst wird es endlich soweit sein. Drei Veranstaltungen der Reihe „Thomas Waldherr präsentiert Americana“ und ein Abend in Kooperation mit dem Veranstalter Volkshochschule Darmstadt finden dann mit einem der Lage entsprechenden Hygienekonzept in der Bessunger Knabenschule statt.

Fast ein Jahr Pause

„Ich freue mich unheimlich, dass es wieder losgeht. Einen herzlichen Dank an das Team der Knabenschule. Schön, dass die Americana-Reihe hier ihr Domizil gefunden hat“, so Thomas Waldherr. Die Herbstveranstaltungen drehen sich um Folk, Blues und Folk-Rock. „Wir wollen in Darmstadt weiter zeigen, wie vielfältig das Americana-Genre ist. Es spiegelt in sich das vielfältige Amerika und überwindet gleichzeitig dessen Zerrissenheit, ganz wie der ‚Vater‘ des Genres, Bob Dylan“, erklärt der Amerika- und Americana-Kenner. „Daher wird auch in dieser Americana-Herbstsaison Bob Dylan und seine Musik in der einen oder anderen Weise präsent sein.“

Romie beginnt die Reihe mit melodiösem Folk und Harmoniegesang

Ihre Darmstädter Americana-Premiere erleben dann also am 23. September (20 Uhr) endlich Romie. Das Frauen-Folk-Duo hätte schon im März letzten Jahres in der Americana-Reihe spielen sollen. Sie sind so etwas wie die Shooting Stars der Folk- und Americana-Szene in Rhein-Main. Sie verbinden feine Folkmelodien mit wunderschönem Harmoniegesang. Nach einigen regionalen Open-Air-Auftritten im Sommer darf man sich nun auf einen intensiven Auftritt in intimer Atmosphäre freuen. Mit dabei -neben vielen feinen eigenen Songs – werden sie sicher auch ein Bob Dylan-Cover haben.

Bob Dylan, Copyright: Wikimedia Commons

Volkshochschule Darmstadt lädt zum Bob Dylan-Tribute

Am Freitag, 8. Oktober (19 Uhr) steht dann Bob Dylan ganz im Mittelpunkt, denn dann wird sein Geburtstag nachgefeiert. Ursprünglich wollte die Volkshochschule Darmstadt am 18. Oktober bereits Bob Dylans 80. Geburtstag feiern. Doch auch hier machte Corona einen Strich durch die Rechnung. In Kooperation mit „Thomas Waldherr präsentiert Americana“, der Bessunger Knabenschule und dem Asta der Hochschule Darmstadt wird nun im Oktober dem großen Songwriter und Literatur-Nobelpreisträger Tribut gezollt. Mit dabei sind Klaus Walter und Thomas Waldherr mit Multimedia-Vorträgen zu Bob Dylans Wurzeln in der Jewish Community und seiner Beziehung zu Black America, für Livemusik sorgen Martin Grieben (Ex-Jay), der „Darmstädter Dylan“ Dan Dietrich, Wolf Schubert-K. & Friends, das Folk-Duo Hannah & Falco sowie das Darmstädter Indie-Pop-Duo „Woog Riots“. Schirmherr der Veranstaltung ist Darmstadts Oberbürgermeister und Kulturdezernent Jochen Partsch.

Blues und Dylan-Cover von „Sir“ Oliver Mally

„Sir Oliver Mally, Foto: Promo

Für Bluesmusik von internationalem Rang steht der Östereicher „Sir“ Oliver Mally, der am Donnerstag, 28. Oktober (20 Uhr), dann zu Gast sein wird. Der österreichische Bluesman und Singer-Songwriter wird in seiner Heimat u.a. als der „beste Blues-Sänger des Landes“ („Die Presse“)bezeichnet und sogar zu den Vertretern des „besten Blues Europas“ (Musikzeitschrift

„Concerto“) gezählt. Musik von internationaler Klasse, vorgetragen mit Kraft und Herzenswärme. Zudem hat auch Mally hat stets ein paar Dylan-Songs im Gepäck.

Engagierter und temperamentvoller Solo-Folk-Rock-Abend mit „SONiA disappear fear“

Und dann freut sich Thomas Waldherr zum Abschluss des Herbstprogramms am 25. November (20 Uhr) auf einen ganz besonderen Gast: „Unsere gute Freundin Sonia Rutstein aka SONiA disappear fear wird wieder bei uns sein. Sie gehört mittlerweile ganz fest zur Darmstädter Americana-Reihe und wird nach erstmals nach 2018 wieder mit einem Soloprogramm bei uns an den Start gehen. Sie verkörpert mit ihrer Musik und ihrer Person die Haltung, für die unsere Americana-Reihe steht. Das wird ein stimmungsvoller Abend“, blickt Waldherr mit großer Vorfreude nach vorne.

Die mehrfach Grammy-nominierte Singer-Songwriterin ist eine Cousine der Musiklegende Bob Dylan. Sie steht für eingängige Folk-Rock-Melodien und eine temperamentvolle, energiegeladene Performance, in ihren Liedern wendet sie sich gegen Homophobie, Rassismus und Gewalt. 

Anmeldungen für den Bob Dylan-Abend unter http://www.darmstadt.de/vhs (Rubrik Kultur/Musik), Tickets und weitere Infos zu allen anderen Veranstaltungen: http://www.knabenschule.de .

Mr. Tambourine Man wird 80: Bob Dylans Anderes Amerika

10. September 2021

Volkshochschule Darmstadt und Kooperationspartner würdigen den „Tambourine Man“ zum 80. Geburtstag. Lange Darmstädter Bob Dylan-Nacht am Freitag, 8. Oktober 2021, in der Bessunger Knabenschule.

Bob Dylan, Copyright: Wikimedia Commons

In diesem Jahr, am 24. Mai 2021, wurde der „Picasso of Song“, der legendäre Singer-Song-Writer und Literaturnobelpreisträger von 2016, Bob Dylan, 80 Jahre alt. Die Volkshochschule Darmstadt wollte den Meister anlässlich seines runden Geburtstags bereits am Freitag, 14. Mai 2021, ehren. Wegen der damaligen Pandemielage musste die Veranstaltung jedoch verschoben werden. Die Hommage „Mr. Tambourine Man wird 80: Bob Dylans anderes Amerika“ geht nun am Freitag, 8. Oktober (Beginn 19.00 Uhr), über die Bühne. Veranstaltungsort des besonderen Bob Dylan-Abends ist die Bessunger Knabenschule.

Die Volkshochschule Darmstadt bietet in Kooperation mit der Bessunger Knabenschule, dem AStA der Hochschule Darmstadt (HDA) und der Konzertreihe „Thomas Waldherr präsentiert Americana“ in der Halle der Bessunger Knabenschule ein facettenreichen, nachträgliches Geburtstags-Programm zu Ehren Bob Dylans: Ein Mix der besonderen Art, zwischen Politik und Kultur, mit viel Live-Musik und informativ-unterhaltsamen Multimediavorträgen rund um Bob Dylan.

Kein anderer Künstler hat die Ära der Rockmusik und der Song-Poesie überdie letzten fünf Jahrzehnte so nachhaltig, ausdauernd und einfallsreich bestimmt wie der 1941 als Robert Allen Zimmerman in Duluth (Minnesota)geborene US-Musiker jüdischen Glaubens. Bob Dylans Songs wie »Like a Rolling Stone«, »Blowin‘ in the Wind« oder »Knockin‘ on Heaven’s Door« gerieten zu Welthits, prägten eine ganze Generation, gelten bis heute als unsterblich. Der Dylan-Experte Heinrich Detering sieht in Dylan als den wahren Historiker amerikanischer Traditionen. Als erster Musiker nahm Dylan gar den Literatur-Nobelpreis 2016 entgegen.

Hannah & Falco werden neben Martin Grieben, Dan Dietrich und Wolf Schubert-K. & Friends eigene Interpretationen von Dylan-Songs spielen, Copyright: Pascal Weisenberger

Sein Credo formulierte Dylan einmal so: „Nichts ist so beständig wie die Veränderung“.Vor genau 60 Jahren, 1961, bekam der Meister seinen allerersten Plattenvertrag bei Columbia Records – dank seines Mundharmonikaspiels auf Carolyn Hesters drittem Album. Zu Beginn seiner Laufbahn sang Dylan oft mit der Folk-Sängerin und Aktivistin Joan Baez auf der Bühne. Dylan avancierte schon bald zur Ikone des Folk, seine Single „Blowin‘ In The Wind“ brachtes zum Welterfolg, seine ungewöhnliche Gesangs-Phrasierung und Rhythmik wirkten stilprägend – und schrieben Musikgeschichte.Von 1964 an brachte Bob Dylan mehr Rock-Einflüsse in seine Folk-Songs ein, ging daher mit der Rockband The Band eine Liaison ein. Wenngleich manche Folk-Fans sich darüber mokierten, seine Single „Like A Rolling Stone“ geriet dennoch zum Evergreen.Die beiden Klassiker-Alben „Blood On The Tracks“ (1975) und „Desire“ (1976) entpuppten sich als seine bestverkauften Werke. Insgesamt veröffentlichte Bob Dylan mehr als 30 Studio- und elf Live-Alben, dazu diverse Compilations und Live-Aufnahmen.

Auf dem Programm des Dylan-Abends der Volkshochschule stehen Bild-Vorträge des preisgekrönten Musikjournalisten Klaus Walter und des Darmstädter Dylan-Experten und Amerika-Kenners Thomas Waldherr über den „Picasso of Song“ zwischen Judentum und Black America, Politik, Pop und Poesie. Es sind dies zwei Multimedia-Vorträge, die sich der Wechselwirkung zwischen Politik- und Gesellschaftsgeschichte Amerikas widmen, von Migration und US-Populärkultur sowie Dylans jüdischem Glauben bis hin zu seiner engen Verbindung zur afroamerikanischen Kultur und Community.

Die Woog Riots werden als Special Guests ihren Song „Bob Dylan“ vortragen, Copyright: Promo

Für Live-Musik ist während des Bob Dylan-Abends der Volkshochschule Darmstadt mit Kooperationspartnern auch gesorgt: So bieten Dan Dietrich, Martin Grieben und das Folk-Duo „Hannah und Falco“, aber last but not least auch „Wolf Schubert-K & Friends“ eigene Interpretationen bekannter Bob Dylan-Songs dar. Special Guests sind die „Woog Riots“. Offizieller Schirmherr der langen Darmstädter Bob Dylan-Nacht ist Darmstadts Oberbürgermeister Jochen Partsch.

Der Eintritt der Veranstaltung beträgt 15 Euro, Voranmeldung zu dieser Veranstaltung erfolgt über die Volkshochschule Darmstadt: http://www.darmstadt.de/vhs (Rubrik Kultur / Musik). Bereits erworbene Karten durch Voranmeldung behalten ihre Gültigkeit. Hinweis: Voranmeldung ist unbedingt erforderlich, es gelten die AHA-Regeln zum Schutz vor der Corona-Pandemie (Mund-Nasen-Bedeckung, Abstand, Hygieneregeln).

Brief an ein zerrissenes Land

3. September 2021

Eric Bibbs Album „Dear America“ erscheint in wenigen Tagen. Der in der Greenwich-Village Szene um Bob Dylan groß gewordene Sänger legt ein unter die Haut gehendes Album vor.

Copyright: Mascot Label Group

„Von wegen der Delta-Blues ist eher eine ernste und traurige Angelegenheit. Da Eric Bibb ihn mit viel Gospel-Soul und spirituellem Optimismus anreichert, bringt er so fast jeden Blues zum fröhlichen Hüpfen. Somit ist die Betriebstemperatur des Konzerts am Mittwochabend im vollbesetzten Saal der Centralstation von Anfang an wohlig. Der Mann hat sein Publikum im Griff. Schon nach wenigen Augenblicken klatschen die Besucher im Saal der Centralstation mit und lassen sich von Eric Bibb auf eine Reise in die Welt des Folk, Blues und Gospel mitnehmen“. Dies schrieb ich in einer Konzertkritik über Eric Bibbs Gastspiel in Darmstadt im Dezember 2013.

In der Tat habe ich diesen Mann damals als optimistischen und fröhlichen Menschen wahrgenommen. Seit vielen Jahrzehnten begeistert er weltweit mit seinen Folk- und Bluessongs und ist mittlerweile in Europa heimisch geworden.

70 Jahre alt geworden

Nun ist dieser temperamentvolle Folk- und Bluessänger im vergangenen Monat siebzig Jahre alt geworden. Und am 10. September erscheint sein neues Album „Dear America“. Aufgenommen wurde es im New Yorker Stadtteil Brooklyn im November 2019, als Bibb aus seiner Wahlheimat Schweden in die alte Heimat Amerika zurückkam. Und „Dear America“ trägt denn auch das Gefühl einer Heimkehr in sich und gehört, und das kann man jetzt schon sagen, sicherlich zu den allerbesten Alben seiner Karriere.

Wurzeln im Greenwich Village

Bibb, die Geschichte ist bekannt, stammt aus der progressiven Künstlerszene des Greenich Village in New York. Sein Vater, Leon Bibb, war schon Folksänger und war u.a. mit Pete Seeger gut befreundet, Erics Patenonkel war der legendäre Paul Robeson. Der junge Bob Dylan ging in diesem Haus ein und aus. Wie die meisten progressiven Amerikaner ist Bibbs Beziehung zu seinem Heimatland nicht frei von Brüchen. Als Afro-Amerikaner hat er den Rassismus am eigenen Leibe kenngelernt und kennt die gesellschaftliche Entwicklung in den USA von Sklaverei über Bürgerkrieg und Befreiung, Ku Klux Klan und Bürgerrechtsbewegung bis hin zu Black Lives Matter nur zu gut. Trotzdem liebt er dieses Land für dessen Glück- und Freiheitsversprechen, für den Optimismus, für die Hoffnung für die Amerika auch immer stand.

Und so macht er sich auf seinem neuen Album „Dear America“, das am 10. September erscheinen wird, viele Gedanken über dieses zerrissene Land. Bibb steht dabei ganz klar in einer Folktradition, die auch von Bob Dylan geprägt ist. Nicht umsonst hat Bibb über die Jahre immer wieder Dylan-Titel eingespielt. Von der Jugend-Hymne der 1960er, „The Times They Are Changin'“ bis hin zum religiös verorteten „Gotta Serve Somebody“. Und so wie Dylan auch macht sich Bibb unerlässlich Gedanken über  dieses Amerika.

Amerika zwischen dunklen Befürchtungen und unerschütterlichem Optimismus

Er geht dabei zurück zu den dunklen Kapiteln dieses Landes, indem er in einem Song „Emmetts Ghost“ beschwört. Den Geist von Emmett Till, der 1955 im Alter von 14 Jahren von weißen Rassisten im Süden ermordet wurde. Bob Dylan hat darüber ebenso ein Lied geschrieben wie Emmylou Harris. Nun ist es Eric Bibb der dafür sorgt, dass dieser Mord nicht vergessen wird. Till wäre in diesem Jahr 80 Jahre alt geworden.

Zu dem düsteren „Whole World’s Got The Blues“ sagt: „Man braucht nur die Nachrichten einzuschalten, und schon sieht man einen Konflikt nach dem anderen. Ich spreche von gewaltsamen Konflikten, die man natürlich auch Global sehen kann.“

Aber es gibt auch leichtere Kost, denn Bibb ist einfach einer, der immer wieder Optimismus versprüht.  Da ist das froh vorwärtstreibende Tuckern des Lokomotiv-Themas „Talkin‘ ‚Bout A Train“ oder der Opener „Whole Lotta Lovin'“, eine Hommage an die amerikanische Roots-Musik. „Es ist liebevoll und verspielt“, sagt er über letzteres. Ich wollte, dass „Whole Lotta Lovin'“ das Album eröffnet, denn wenn ich eine Sache an Amerika auswählen müsste, die ich für ein ungetrübtes und strahlendes Geschenk halte – ist es die Musik.“

Die Quintessenz des Americana

Und so legt Bibb mit 70 Jahren ein Album vor, das die Quintessenz allen Americanas sein könnte: Der immer noch vorhandene Glaube an das Glück und die Freiheit in Amerika und das Wissen, um all die Kräfte, die dafür sorgen, dass dies immer wieder auf’s Neue in Frage gestellt wird. Und das mit allen Mitteln. „Dear America“ erscheint am 10. September.