Archive for März 2013

Paul Williams (1948 – 2013)

29. März 2013

Am vergangenen Mittwoch ist der Musikjournalist und Buchautor Paul Williams verstorben. Er litt nach einem durch einen Fahrradunfall ausgelösten Schädel-Hirn-Trauma seit einigen Jahren schon an frühzeitigem Alzheimer und war zum Pflegefall geworden.

Wir haben Paul Williams nur einmal gesehen und ihn nie mehr vergessen. Im Oktober 1995 las er im schon lange nicht mehr existierenden Tutti Bookie-Buchladen in Darmstadt aus seinem Buch „Forever Young. Die Musik  von Bob Dylan 1974 – 1986“. Es gab Zwiebelkuchen und ein Akustik-Duo mit einer guten Sängerin gab ein paar Dylan-Lieder zum Besten.

Doch Williams las nicht nur vor. Nein, sein Vortrag war eine Art Performance. Aus jedem gesprochenen Wort, ebenso wie aus jeder geschriebenen Zeile, floss seine echte und tiefe Begeisterung für Bob Dylan und sein Werk. Und damit steckte er an und weckte die Begeisterung bei anderen.

Seine Bücher über Dylan waren so geschrieben, dass man – einmal darin versunken – gar nicht mehr auftauchen wollte oder konnte. Dabei hatte er sicher hier und da Schwierigkeiten, noch eine kritische Distanz zu Dylan zu finden, aber das waren Marginalien gegen die Stringenz seines Ansatzes, die Schärfe seiner Beobachtungen, die Klugheit seiner Analysen und die Kühnheit seiner Schlüsse, die immer wieder geistreich, verblüffend und stets unterhaltsam waren.

Paul Williams hat mich wie nur wenige  – John Bauldie, Günter Amendt und Greil Marcus  – in der Art und Weise beeinflusst, mich mit Dylan zu beschäftigen und über ihn zu schreiben. Letztendlich war er eine der Triebfedern dafür, dass ich Ende des Jahres 1995 wagte, erstmals Texte über Dylan in Zeitschriften zu veröffentlichen.

Dafür und für sein Lebenswerk danke ich ihm. Und auch dafür, dass wir auf seiner Lesung eine Freundin kennen gelernt haben, die uns heute noch sehr nahe steht und uns sehr wichtig ist.

Rest in Peace, Paul Williams!

Bob und Townes

28. März 2013

Kürzlich saß ich mit zwei eingefleischten Townes van Zandt-Fans zusammen und wir alle fragten uns nach den Verbindungen zwischen Bob Dylan und Townes. Und wir wunderten uns über die scheinbare Ignoranz der Musiklegende aus Minnesota, der keinen einzigen Song des 1997 verstorbenen Texas-Troubadours in seinen Radioshows gespielt hatte. Nicht mal in der Texas-Sendung. Wollte Bob nix wissen von Townes?

Das ging mir lange durch den Kopf und ich erinnerte mich, dass ich für country.de mal eine Biografie über Townes geschrieben hatte. Und tatsächlich, ich erinnerte mich. Es gab eine gegenseitige Wertschätzung, die auch Steve Earles übereifrige Parteinahme für seinen Freund Townes überstand. “Townes ist der größte lebende Songwriter der Welt – und ich werde mich in meinen Cowboystiefeln auf Bob Dylans Kaffeetisch stellen und dies sagen!”, sprach Steve und Townes war das selber eher peinlich. Er kommentierte trocken:  “Ich habe Bob und seine Bodyguards getroffen. Steve kommt nicht mal in die Nähe von Bob’s Kaffeetisch.”

Dabei schätzte Bob die Songwriterqualitäten des Texaners und hatte alle seine Platten. Und der Texaner schätzte die Folk-Legende als Künstler, aber nicht dessen Leben als Prominenter. Getroffen hatten die beiden sich Mitte der 80er Jahre zweimal. Das erste Mal per Zufall vor einem Kostümladen in Austins hippem Stadtteil South Congress, Beim zweiten Mal ließ sich Dylan ein paar Songs von Townes in dessen Wohnmobil vorspielen. Dylan unternahm wohl mehrere Versuche, van Zandt zum gemeinsamen Songwriting zu gewinnen. Erfolglos, wie wir wissen. Schade, das hätte spannend werden können.

Und dann gibt es noch die Geschichte, dass  Dylan in einem Konzert einen Townes-Song mit den Worten „das ist vom größten Songwriter der Welt“ angekündigt habe. Denn Dylan spielte lange Zeit immer mal wieder „Pancho And Lefty“ im Konzert und sang es auch gemeinsam 1993 mit Willie Nelson in der TV-Show zu Willies 60. Geburtstag in einer wunderschönen Fassung.

Warum dann kein Townes-Song in Dylans Radio-Show? „The Answer, My Friend…“  Haben wir je behauptet, Dylan in Gänze zu verstehen?

 

Und hier Willie und Bob mit Townes van Zandts „Pancho And Lefty“:

DeinLandMeinLand

23. März 2013

Thomas2012Ich freue mich bekannt geben zu können, bei einer spannenden Veranstaltung am 16. April zu lesen.

„DeinLandMeinLand“ ist, so Organisator Martin Wimmer, „ein interdisziplinärer Abend für alle, die sich für Deutschland, Amerika, Schweden, Texas, Kalifornien, Hessen, Bayern, München, Frankfurt, Austin, Typographie, Approbiation, Zitate, die Situationistische Internationale, eine Solidarische Moderne, Gewerkschaften, Woody Guthrie, Bob Dylan, Steve Earle und Townes Van Zandt interessieren“. Mit dabei sind der Künstler Andreas Gärtner, der Musiker Markus Rill, Martin Wimmer, die Singer-Songwriterin Eva Hillered und ich.

Das Ganze steigt am Dienstag, 16. April, um 19.30 Uhr in der Ausstellungshalle in Frankfurt-Sachsenhausen, Schulstraße 1A. Mein Thema wird natürlich DYLANGUHTRIECASHWILLIAMS sein.

Wer mehr über die Mitwirkenden wissen will:

http://www.andreasgaertner.de

http://www.markusrill.net

http://www.deinlandmeinland.com

http://www.evahillered.se

http://www.bobby1963.wordpress.com

http://www.ausstellungshalle.info

Der Zauber des Anfangs

9. März 2013

Dylan_PartyDylan war immer Dylan und warum Jake Bugg nicht Bob Dylan ist

Im Moment überschwemmen sie fast den CD-Markt. Pressungen mit Namen wie „Bob Dylan- Stereo und Mono“, „The Live Recordings“,  „Carnegie Chapter Hall“, „The Freewheelin‘ Outtakes“ oder „Folksinger-Humdinger“. Allesamt sind es frühe Aufnahmen des jungen Bob Dylan. Dies ist möglich, weil die Rechte an den Songs nach 50 Jahren an die Allgemeinheit fallen und sie nun quasi jeder auf einen Tonträger bannen kann. Aus diesem Grund hatte auch Sony/Columbia Ende letztes Jahres sein obskures Package „The 50th Anniversary Edition“ mit bislang unveröffentlichten Aufnahmen auf den Markt gebracht. Es ging darum, sich die Rechte zu sichern.

Doch was bringen einem die alten Aufnahmen? Außer, dass der Dylan-Fan sich freut, sie zu haben. Nun: Eine Musikerkarriere lässt sich selbstverständlich anhand der veröffentlichten Studioaufnahmen erzählen. Auch bei Dylan. Nur war das bei ihm nie so. Denn was er in den Studios so machte und dann im Archiv verschwinden ließ, oder dass er in den Konzerten seine Songs anders präsentierte als auf seinen Platten, und dann womöglich noch von Konzert zu Konzert unterschiedlich, ist bis heute eine der Ursachen für den Dylan-Hype. Es waren seine Songs, die als erste als „Bootlegs“ erschienen. Und der Austausch von Live-Aufnahmen unter seinen Fans erhielt diesen Hype auch in den schwierigen 80er und 90er Jahren. Dylans Geschichte ist ohne diese Aufnahmen und deren vielfältigen Deutungsversuche nicht vorstellbar.

Umso wichtiger und besser, wenn es jetzt durch die Rechtelage möglich ist, bislang nur wenig bekannte Live-Aufnahmen und unzugängliche Studio-Recordings ganz legal  im Laden zu kaufen. Wir können anhand dieser Aufnahmen – vom Minneapolis Party Tape über die Carnegie Hall 1961 bis zu den kompletten Freewheelin-Sessions – noch einmal beobachten wie ein Rohdiamant sich selbst zum Edelstein schleift. Aus dem ebenso schüchternen wie entschlossenen jungen Woody Guthrie-Nachahmer Bobby Zimmerman wird der ungezügelte, vor poetischen Einfällen und musikalischen Adaptionen schier überbordende Bob Dylan. Man fühlt den Zauber des Anfangs, spürt diesen Anfängen nach und entdeckt diesen jungen Dylan wieder neu. Da redet er noch mit dem Publikum. Hat ein Talent für komische Überleitungen zwischen den Songs und kommuniziert und interagiert mit dem Publikum. Heutzutage ist er da vom Minimalismus geprägt. Ein Lächeln, ein paar Extraworte, ein Solo oder die Wiederholung einer musikalischen Figur aufgrund der Zuschauerreaktionen sind selten, und gehören zu den besten Momenten seiner durchweg guten Konzerte.

In diesem Sinne übertrifft der zum neuen Dylan ausgerufene Jake Bugg schon jetzt den alten Dylan an Minimalismus. Denn Bugg interagiert und kommuniziert schon jetzt nicht mit dem Publikum. Und seine Ansagen sind kurz und ohne Humor. Doch Bugg ist wirklich nicht der neue Dylan. Eher der neue Donovan/Gallagher. Der Jake Bugg, der am 2. März im Frankfurter Zoom in einer guten Stunde immerhin 18 Songs unterbrachte (auch nicht Dylan-like) war näher an Oasis und den Britpop-Traditionen, als an Bob Dylan und dessen amerikanischen Wurzeln. Auch wenn er „Country Song“ und Cashs „Folsom Prison Blues“ gespielt hat. Bugg saugt Traditionen auf – da allerdings stimmt der Dylan-Vergleich.

Und es war ein sehr schönes Konzert von Jake Bugg. Sehr ernsthaft und Ironiefrei vorgetragen. Mal sehen, wie sich der Bursche noch so entwickelt. Doch wie auch immer Dylan wird immer einmalig bleiben. Ob der junge oder der alte Dylan. Jake Bugg ist Jake Bugg. Und das ist in der Welt der Casting Shows, zwischen Justin Bieber und Gangnam-Style schon verdammt viel. Gut, dass es beide gibt: Dylan und Bugg. Und, dass sie beide so unverwechselbar sind.

Und hier der junge Bugg und der junge Dylan