Manchmal soll man bewusst die Superlative sein lassen. Manchmal ist das verdammt schwer. So auch in diesem Fall. Bringen wir es so nüchtern wie möglich auf diesen Satz: „The Felice Brothers“ sind die neuen viel versprechenden Sterne am Americana-/Folk-Rock-Himmel.
Wer sie in diesem Herbst live in Deutschland live erlebt hat – so wie am Dienstagabend in der Frankfurter Batschkapp – der hat keine Musiker gesehen, sondern echte Musikanten. Die Jungs haben ihr Handwerk auf den Straßen und in den Metrostationen New Yorks gelernt. Und ihr Musikkonzept ist überzeugend, denn so bleibt Americana frisch, behält seine Rauheit und stirbt nicht als Kunstlied.
Erst einmal steht Truppe eindeutig in der Tradition von Bob Dylan & The Band, vielleicht mit einem Schuss Tom Waits. Das wäre nichts besonderes, wenn sie es nicht mit einer überzeugenden Kunstfertigkeit an den Instrumenten verbinden würden. Zudem haben sie drei fast archetypische Frontleute in ihren Reihen. Leadsänger und Gitarrist Ian Felice ist die dylaneske charismatische Zentralfigur, spindeldürr und zerbrechlich wirkend. James Felice besetzt die Rolle des Virtuosen an den Tasteninstrumenten und ist zugleich der freundliche Tanzbär, ein Garth Hudson unserer Tage. Greg Farley an Waschbrett und Geige spielt die Rolle des Joker. Während die in den Traditionen wurzelnde Musik der Gruppe deutlich macht, dass hier klassisches Americana um Einflüsse des Punk, New Wave und Indie-Rock erweitert wurden, bricht der Joker gleichzeitig mit dem traditionellen Habitus des weißen Rockmusikers, indem er sie mit Ausdrucksformen der schwarzen Hiphop-Künstler kombiniert. Ergänzt werden Musik und Performance durch eine fast schon Irish-Folk-mäßige berauschte Spielfreude.
Das alles zusammen ergibt eine wundervolle, mitreißende, explosive Musikmischung und Live-Performance. Es gibt im Moment niemand Anderen, der im Americana-Bereich so geschickt und selbstverständlich die Fallen der ehrgeizlosen Traditionalisierung auf der einen– Bluegrass und Old Time wie anno dunnemals, sehr schön aber so what? – und der Weltmusik-Kunstklang-Schönspielerei auf der anderen Seite umgeht und das Genre dadurch weiterentwickelt.
Vor kurzem konnte ich mit der Nitty Gritty Dirt Band und Rosanne Cash Künstler erleben, die bereits Jahrzehnte im Geschäft sind. Die Felice Brothers sind – hoffentlich – am Anfang einer großen Karriere. Spannend wird in den nächsten Jahren sein, zu beobachten, ob sie in der Lage sind, auch auf Dauer ihre Versprechen zu erfüllen.
Anspieltipp: CD „The Felice Brothers“, Song „Frankies Gun!”.